Eine archäologische Schatztruhe
Grabungen am Kloster Walkenried fördern Überraschendes zutage: Unterirdische Holzleitungen sorgten für fließend Wasser, Mönche stellten Mörtel im eigenen Brennofen her, und eine Mauer ist viele Jahrhunderte jünger als gedacht.
Die Baugeschichte des Klosters Walkenried, am südlichen Harzrand gelegen, muss teilweise neu geschrieben werden. Das haben archäologischer Grabungen, die seit dem Jahr 2012 laufen ergeben. Ausgrabungsleiter Dr. Uwe Moos erklärte bei der Vorstellung erster Ergebnisse des zweiten Grabungsabschnitts, dass die Steine der südlichen Mauer wohl mittelalterlichen Ursprungs sind, aber die Wand entgegen bisheriger Vermutungen im 19. Jahrhundert neu aufgemauert wurde.
„Wir mussten an der Südwand des gotischen Refektoriums bei den Gründungen feststellen, dass die aufgehende Wand gar nicht mittelalterlich-gotisch ist. Sie wurde vielmehr im 19. Jahrhundert offensichtlich komplett neu errichtet. Und selbst diese Wand des 19. Jahrhunderts fußt schon auf einem Fundament des 16./17. Jahrhunderts. Die gotischen Gründungen, die wir ebenfalls gefunden haben, laufen zwei Meter südlich der heutigen Wand. Damit ist die komplette Baugeschichte mindestens dieses Teils des Gebäudes komplett auf den Kopf gestellt“, sagte Moos.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen werden noch bis 2016 dauern. Die Gesamtfläche der abschnittsweise vorgenommenen Grabungen wird final 1200 Quadratmeter betragen haben. Wegen eines geplanten Neubauvorhabens durch den Träger Landkreis Osterode am Harz und die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz stehen die Archäologen auf dem Plan. Zunächst wurde die Westfront auf einer Länge von 60 Metern untersucht. Jetzt stehen die 40 Meter der Südfront im Fokus.
Dabei entpuppt sich die Erde rund um das Kloster als wahre Schatztruhe für Funde aus der Romanik, Gotik und Neuzeit. Gegraben wird erst mit einem Bagger und dann ganz filigran von Hand bis in eine Tiefe von 2.70 m. Die Archäologen treffen dabei auf komplizierte Schichtungen. Alles wird fein säuberlich nummeriert und dokumentiert.
Gefunden wurde unter anderem ein Handwerkerareal. Es belegt, dass die Mönche an Ort und Stelle Bronze verarbeiteten, sich nicht im Geringsten an Rauch oder Geruch störten. Projektleiter Dr. Stefan Flindt erzählt, dass neben Gussresten und Bronzeschlacke auch Teile von Gusstiegeln und -formen auftauchten. Der spektakulärste Fund dieser aufwändigen Forschungsgrabung ist ein Brennofen aus dem Mittelalter. Er muss allerdings am Ende wieder verschüttet werden. Was letztlich bleibt sind ein Foto und eine ganz erstaunliche Zeichnung. Der Grabungszeichner hält alles, was die Erde rund um das Kloster preisgibt, im Maßstab von 1:20 detailgetreu fest.
„Der sehr gut erhaltene Gipsbrennofen ist ein archäologisches Highlight. Das ist ein Fund, den man bei archäologischen Klostergrabungen sehr selten hat“, schwärmt Dr. Stefan Flindt. „Wir können aus den datierten Scherben belegen, dass dieser Ofen schon im Mittelalter gebaut wurde. Wahrscheinlich ist in ihm der Gips gebrannt worden, den man dann als Mörtel zum Bau des gotischen Klostergebäudes verwendet hat“, sagt der Archäologe.
Spektakulär sind zudem die zunächst in Wasser gelagerten Holzfunde, die zum Teil auf das Jahr 1183 datieret werden. Dabei handelt es sich um Eichenstammleitungen, über die das Kloster schon unterirdisch mit Frischwasser versorgt worden war. Auch ein gut erhaltener Wassertrog wurde entdeckt, der nur rund 100 Jahre jünger ist. Michael Seitz vom Landesamt für Denkmalpflege sorgt dafür, dass diese Zeugnisse zisterziensischer Wasserbaukunst der Nachwelt erhalten bleiben.
„Die Hölzer sehen relativ gut erhalten aus. Wenn man sie allerdings unter normalen Bedingungen trocknen lassen würde, würden sie sehr stark schrumpfen. Wir versuchen deswegen durch verschiedene Konservierungsmittel den Verlust der Holzsubstanz zu ersetzen“, erläutert der Denkmalpfleger. Der Konservierungsprozess ist sehr langwierig und wird zwei Jahre in Anspruch nehmen. „Die Konzentration des Polyethylenglycol wird ständig erhöht. Am Ende des Prozesses werden die Hölzer aus dem Konservierungsbad genommen und Vakuumgefriertrocknungsanlage schockgefrostet. Anschließend können sie in einer Ausstellung gezeigt werden“, berichtet Michael Sietz.
Bereits heute besuchen jährlich 50.000 Interessierte die Klosteranlage mit ihrem beeindruckenden Museum. Ein Neubau an der Stelle der heutigen Grabungen wird weitere Einblicke in das geheimnisvolle Leben der Mönche des Mittelalters gewähren. Die Funde dieser Grabung werden dazu einen großen Teil beitragen.
Fakten
• Das Kloster Walkenried ist Teil des UNESCO Weltkulturerbes Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft.
• Die Walkenrieder Mönche entwickelten vom Jahr 1225 an das bedeutendste und größte vorindustrielles Energieversorgungssystem. Das Kloster hielt 25 Prozent Anteile des Bergwerks Rammelsberg.
• Das ZisterzienserMuseum Kloster Walkenried wurde im Jahr 2006 als eines der größten und innovativsten Klostermuseen Europas eröffnet.
• Der Klostermarkt gilt als besonders attraktiver Anziehungspunkt für Touristen. 2015 findet er am 26./27. September (10-18 Uhr) statt.
Weitere Infos: www.kloster-walkenried.de