Altes Haus für neue Kunst
Braunschweigs Museen, Folge 5: Kunstverein Braunschweig zeigt acht Ausstellungen pro Jahr in der Villa Salve Hospes.
So ein richtiges Museum im klassischen Sinn ist die Villa Salve Hospes nicht. Aber als Sitz des Kunstvereins Braunschweig mit seinen wechselnden Ausstellungen und als herausragendes Bauwerk ist die Villa allemal einen ausgiebigen Besuch wert
– egal, ob wir es Galerie oder Museum nennen? Das spielt spätestens dann keine Rolle mehr, wenn die ersten Schritte durch das frisch restaurierte, schmiedeeiserne Tor getan sind und der Blick auf den hochherrschaftlichen Eingang mit der goldenen Schrift „Salve Hospes“ (lateinisch „Sei gegrüßt, Gast“) gerichtet ist.
Die Außenansicht und auch die Innengestaltung sind dank des Denkmalschutzes noch weitgehend so erhalten, wie sie der herzogliche Baumeister Peter Joseph Krahe einst zwischen 1805 bis 1808 entworfen hatte. Das, was an den Wänden hängt, bildet aber einen grandiosen Kontrast. „Wir präsentieren bedeutende Positionen internationaler Gegenwartskunst. Die Förderung junger Künstlerinnen und Künstler ist unser vorrangiges Ziel“, sagt Jule Hillgärtner. Die Theater-, Film-, und Medienwissenschaftlerin ist seit 2014 Direktorin des Kunstvereins. Spätestens seither ist die Villa nicht nur ein Ort der Präsentation, sondern auch einer des Austauschs und des Dialogs. Das Potenzial zeitgenössischer Kunst wird durch Ausstellungskataloge, Vortragsreihen, Künstlergespräche und Führungen unterstrichen.
Ein herausragendes Beispiel dafür ist die nächste Ausstellung „The Faculty of Sensing. Thinking with, through and by Anton Wilhelm Amo“ vom 28. März bis zum 2. August. Der Kunstverein Braunschweig entwickelt dazu auf Initiative von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ein umfängliches Projekt zu Ehren Anton Wilhelm Amos, einem herausragenden Philosophen des 18. Jahrhunderts. Anhand von Amos Schriften und ihrer Rezeption werden hochaktuelle Bezüge diskutiert. Amo kam als afrikanischer Sklave nach Braunschweig und ging als Gelehrter. Im Rahmen des umfangreichen Recherche- und Ausstellungsprojekts wurden 16 internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit dem philosophischen Denken Amos in größtenteils neu produzierten Arbeiten auseinanderzusetzen. Am 19. und 20. Juni wird ein mit international besetztes Symposium stattfinden.
Der Kunstverein wurde bereits 1832 gegründet. Er zählt zu den renommiertesten Kunstvereinen Deutschlands. Organisiert werden pro Jahr acht Einzel- oder Gruppenausstellungen. Der zeitgenössische britische Künstler Simon Fujiwara, dessen Werke heute etwa im Tate Modern in London, im Palais de Tokyo in Paris oder im Museum of Modern Art in New York zu sehen sind, sagte kürzlich im Gespräch mit Julia Hillgärtner, es sei ein Traum von ihm gewesen, im Kunstverein Braunschweig auszustellen. „Während ich an der Kunstakademie war, habe ich das großartige Programm und die Künstlerinnen und Künstler verfolgt, die dort gezeigt wurden. Ganz besonders: Mike Kelley. Ich hatte seinen Katalog bestellt und war von den Installationen, die er im Haus gezeigt hatte, ganz besessen. Als ich eingeladen wurde, auch im Kunstverein auszustellen, war ich ziemlich jung und ganz am Anfang meiner Karriere. Es war sicherlich ein Impuls“, wird er weiter in der Broschüre zur Jahresgabe 2019/2020 zitiert.
Seit 1996 finden parallel zum Programm im Haupthaus jährlich vier Ausstellungen in der Remise statt. Der Raum gilt als Experimentierfeld für junge Künstlerinnen und Künstler vor allem aus dem Braunschweigischen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg residiert der Kunstverein am Lessingplatz in der Villa Salve Hospes. Das Gebäude befindet sich seit 1924 im Besitz der Stadt Braunschweig. Die Villa Salve Hospes wurde nach 1933 bis 1945 zum Ort nationalsozialistischer Kulturpolitik, ehe sich der neu gegründete, moderne Kunstverein dort einrichten durfte.
Peter Joseph Krahe hatte das frühklassizistische Stadtpalais für Kaufmann Diedrich Wilhelm Krause im Zuge der Anlage des Wallrings, der rund um die Stadt auf den früheren Bastionärsbefestigungen gelegt wurde, entworfen. In ihrer klaren, einfachen Raumkonzeption knüpft das Gebäude an die große Tradition venezianischer Villen der Renaissance an. Zwischen der Villa Salve Hospes und dem Kunstverein gibt es übrigens eine lange Verbindung. Denn Krahe war nicht nur Gründungsmitglied des Vorgängers „Verein der Kunstfreunde, sondern von 1834 bis zu seinem Tod 1840 auch dessen Vorsitzender.
Der Bauherr der Villa Salve Hospes, Diedrich Wilhelm Krause (1773-1845), hatte 1804 das reiche Erbe seines Vaters angetreten und war Besitzer der 1770 gegründeten Firma „Conrad Wilhelm Krause et Sohn“, die vor allem mit Hopfen aber auch mit englischem Steingut und Tee handelte.
Das weitere Jahresprogramm:
15. – 23. August: Meisterschülerinnen und Meisterschüler. Hochschule für Bildende Kunst Braunschweig.
15. – 23. August: Markues. Installationen in Wort, Schrift und abstrakter Malerei.
12. September – 25. November: Nadia Bellerique, Jeneen Frei Njootli, Kathy Slade. Vor dem Hintergrund des Gastland-Auftritts von Kanada auf der Frankfurter Buchmesse widmet der Kunstverein Braunschweig in Kooperation mit der Contemporary Art Gallery in Vancouver drei kanadischen Künstlerinnen eine umfangreiche Ausstellung in der Villa.
5. Dezember – 14. Februar 2021: Karrabing Film Collective/Rory Pilgrim. Duoausstellung zu ökologischen Herausforderungen und ökonomischen Zwängen.
5. Dezember – 14. Februar 2021: Gili Tal. Die Arbeiten werfen einen kritischen Blick auf die unheimliche und idealisierte kommerzielle Ästhetik von städtischer Aufwertung in privaten und öffentlichen urbanen Räumen.
Mehr zur Amo-Ausstellung: https://www.der-loewe.info/gekommen-als-sklave-gegangen-als-gelehrter
Kontakt:
Kunstverein Braunschweig
Lessingplatz 12 38100 Braunschweig
E-Mail: info@kunstvereinbraunschweig.de
Homepage: www.kunstverein-bs.de
Telefon: 0531-49556
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr, Donnerstag 11 – 20 Uhr