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Aus Galizien zurück an die Westfront

Villa lustige Brüder nannten diese Soldaten ihre Unterkunft. Foto: Archiv Ernst-Johann Zauner
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In der Heimat spendeten die Bürger Nägel für die Heinrich-Statue.

Von den blutigen Schlachtfeldern in Frankreich wurde die 40. Infanterie-Brigade, die aus dem Braunschweiger Infanterieregiment 92, dem Stab der 3. der Eskardron der Braunschweiger Husaren sowie dem Infanterieregiment 77 (Standort Celle) gebildet wurde, im April 1915 an die Ostfront verlegt. Von Frankreich ging es nach Galizien, um den unter Druck geratenen Waffenbruder Österreich zu unterstützen. Es war ein „Umzug“ auf nicht weniger blutige Schlachtfelder.

Die russische Armee, die weit nach Westen vorgedrungen war, musste zurückgeschlagen werden. Die Braunschweiger Infanteristen waren in vorderster Front dabei. In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1915 gelang es den Braunschweiger 92er-Infanteristen unter schweren Verlusten mit voller Unterstützung der Artillerie den Übergang über den Fluss San gegen erbitterten russischen Widerstand zu erkämpfen. Der San (ukrainisch Сян; deutsch Saan ) ist ein Nebenfluss der Weichsel in Südostpolen, im Grenzgebiet zur Ukraine, der von großer strategischer Bedeutung war.

Der kommandierende General des 10. Armeekorps in Hannover, Otto von Emmich, schrieb nach der Schlacht an Herzog Ernst-August: „Ew. K. H., freue mich mitteilen zu können, das das Br. Inf.-Reg. 92 heute den Übergang über den hartnäckig verteidigten San erzwungen hat und damit der 90. Inf.-Div. den Weg über den Fluß geöffnet hat…“.

Der Herzog schrieb daraufhin seinem Regiment: „Von Exz. v. Emmich erfahre ich zu meiner lebhaften Freude, daß das Regiment beim Übergang über den San sich hervorragend geschlagen hat. Zu dieser glänzenden Waffentat meiner treuen Landsleute spreche ich dem Regiment meine wärmste Anerkennung aus.“

Kämpfend zogen die Braunschweiger Infanteristen bis nach Bialystok, wie im zeitgenössischen Sammelband „Die Braunschweiger im Weltkrieg 1914 – 1918″ zu lesen ist, bevor sie am 15. September 1915 wieder in Züge verladen und an die Westfront transportiert wurden, wo sie in eine große Offensive der Franzosen gerieten.

Ein Braunschweiger Offizier brachte von der Ostfront Fotos mit, die wohl den Angehörigen in der Heimat ein beschönigendes Bild der wahren Verhältnisse vermitteln sollten. Die Bilder fand der Autor zufällig auf einem Flohmarkt in Hannover, als ihm Glasplattenverpackungen mit dem Etikett des Braunschweiger Hoflieferanten Wilhelm Müller, „Spezial-Haus für Photographische Bedarfsartikel“, auffiel. Eine Schachtel enthielt Glasplatten mit Fotos von der Ostfront (auf einem der Fotos sind auch österreichische Soldaten zu erkennen).

Diesen Eindruck sollten wohl auch Briefe wie dieser eines Braunschweigers von der Front in der Nähe von Reims vermitteln „…Wir haben uns hier ganz häuslich eingerichtet, und da die augenblickliche Witterung ungünstig für die Flieger ist, brauchen wir nicht so auf der Hut zu sein, sondern verbleiben in unserer Hütte. Ich würde Euch gerne eine Abbildung unseres Wohnhauses zeigen. Ihr würdet Euch kaputt lachen… Zur Dekorierung haben wir Bilder mit Goldrahmen, eine schöne Uhr, Nippsachen angebracht, ein Bört für unser Porzellan- und Blechteller… Hier sind jetzt die Kriegsfreiwilligen angekommen, die nach ihren Reden alle sehr mutig sind.“

In einem anderen Brief, den der Braunschweiger Allgemeine Anzeiger eines Soldaten der 92.er veröffentlichte heißt es unter anderem: „…Um 6 Uhr 30 Minuten kam der Befehl: Seitengewehr pflanzt auf, und dann ging es lautlos aber im Sturm in die französische Schützenlinie: Leider hatten wir dabei 3 Tote und 6 Verwundete.“ Und im Nachtrag: „Heute hat uns General von Emmich zusammen mit der 9. Kompanie rufen lassen. Er hielt eine längere Ansprache und lobte uns sehr. Er sagte u. a. unsere letzte Erstürmung sei eine vollbrachte Heldentat: sie gelange dem Regiment zu Ruhm und Ehre.“

In der Heimat las man derweil von den Helden an der Front, zu denen natürlich auch der Herzog zählte. So schrieb der Braunschweigische Allgemeine Anzeiger am 19. Oktober 1914: „Wie sich Herzog Ernst August das Eiserne Kreuz erwarb: Aus Erzählungen verschiedener hoher Offiziere wird die Tatsache bestätigt, daß Herzog Ernst August die hohe Auszeichnung des Eisernen Kreuzes für sein heldenhaftes Verhalten bei gefährlichen Ordonnanzritten erhalten hat, die er zu verschiedenen Malen nach der Feuerlinie auszuführen hatte.“

Die Bürger waren aufgerufen, mit Spenden und durch den Kauf von Kriegsanleihen die „gerechte Sache“ zu unterstützen. Für eine Kriegsanleihe im Wert von 1000 Mark gab es 50 Mark Zinsen im Jahr. Ein Zeugnis der Spendenbereitschaft der Braunschweiger ist im Seiteneingang des Braunschweigischen Landesmuseums am Burgplatz zu sehen: Der 3,50 Meter hohe „genagelte Heinrich“. Aus einem vier Meter langen Weichholzstamm ist die Figur, entworfen von Stadtbaurat Osterloh, geschnitzt worden. Ein Stahlnagel, der in das Holz geschlagen wurde, kostete 1 Mark, ein goldener Nagel 50 Mark. Das Geld kam „den Männer und Frauen vom Roten Kreuz, dem Liebesgaben-Ausschuss Braunschweig und Kriegsbeschädigten zugute“.

Wohlhabende Braunschweiger Bürger spendeten für ein größeres Projekt: „Auch in unserem Herzogtum erfolgte Anregung auf des Herrn Ministers Boden der Aufruf zur Schaffung eines Lazarettzuges, seitdem der große Nutzen solcher Züge weiteren Kreisen bekannt wurde. Die für die Fertigstellung als nötig berechneten 100 000 Mark waren in wenigen Tagen gezeichnet, und jetzt ist schon das Dreifache aufgebracht…“ Den Zug machten die Braunschweiger dem Herzog zum Geschenk, der ihn auf den Namen Viktoria Luise taufen ließ. Mit den immer heftigeren Schlachten stieg die Zahl der Verwundeten, die in die Heimat gebracht werden musste, enorm. Sogar in einem Teil des Braunschweiger Schlosses wurde ein Lazarett eingerichtet. Die Toten wurden auf den Schlachtfeldern bestattet. Die großen Soldatenfriedhöfe beispielsweise in Frankreich, sind trauriges Zeugnis dafür.

Zu Beginn des Krieges hatte der sozialdemokratische „Vorwärts“ seinen Lesern vorgerechnet, dass „nunmehr von der gesamten Bevölkerung Europas rund 69 Prozent im Kriege stehen, in der ganzen Welt 890 Millionen oder 5,5 Prozent.“ In dem Ende 1914 erschienen Artikel wagten die Redakteure die Voraussage, dass wohl 650 000 Menschen in den Schlachten den Tod finden würden. Doch damit lag man völlig daneben: Der erste Weltkrieg war der erste „moderne“ Krieg, das heißt, dass neue innovative Mittel des Tötens erforscht und genutzt wurden, um Menschen in großer Anzahl außer Gefecht zu setzen. Zu diesen modernen Mitteln gehörten eine großkalibrige Artillerie, Flammenwerfer, U-Boote, Giftgas und Panzer. Nicht, wie vom „Vorwärts“ prophezeit 650 000, sondern 8,7 Millionen Tote forderte der 1. Weltkrieg. Im Gegensatz zum zweiten Weltkrieg waren nur wenige Zivilisten unter den Toten.

Für die Soldaten des Infanterieregiments 92 steht ein 1922 errichteter Gedenkstein auf dem Ehrenhain des Braunschweiger Friedhofs. Er trägt die Inschrift: „Im Weltkriege 1914 -1918 starben den Heldentod 3 Regimentskommandeure, 143 Offiziere, 4668 Unteroffiziere und Mannschaften.“

Zum Kriegsende und zur Rückkehr der Überlebenden schrieb die Braunschweigische Landeszeitung am 4. Dezember 1918: „Seit Dienstagmittag weht auf der Kaserne an der Humboldtstraße wieder die schwarz-weiß-rote Fahne, und auf der Husarenkaserne die gelb-blaue. …blumengeschmückt voran die Bataillonsfahne zogen die beiden Bataillone, die sich ebenso wenig in der Nacht von der revolutionären Regierung hat begrüßen lassen, auf Umwegen die reich geschmückten Straßen zu den Kasernen. Überall wurden sie mit Willkommenrufen und hellem Jubel begrüßt.“ Und: „Beim Einzug der 5. Husaren-Eskardron kam es allerdings zu einer Schießerei bei der auch eine Handgranate geworfen wurde. Der Knabe Walter Plagge wurde dabei von einem Granatsplitter getroffen.“

Fotos

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