Ausstellung „Der Weiße Faden“ eröffnet Jubiläumsjahr in Riddagshausen
„Es genügt, ein Mensch zu heißen“ – mit einem Podiumsgespräch wurde die Ausstellung „Der Weiße Faden“ in der Klosterkirche Riddagshausen feierlich eröffnet.
20 Fotografien von 20 Frauen unterschiedlichen Glaubens laden dazu ein, unser Bild vom eigenen Glauben und dem Glauben anderer kritisch zu hinterfragen. Die Ausstellung läuft bis zum 3. April 2025. Im Gespräch mit Prof. Dr. Cord Friedrich Berghahn von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Michael Grisko von der Richard Borek Stiftung verriet Elena Kaufmann, wie es zu dieser Ausstellung kam – und auch, was Lessings „Nathan der Weise“ damit zu tun hat.
Nach einer Begrüßung durch Uta Dieterich von der Kirchengemeinde Riddagshausen, Christopher Kumitz-Brennecke von der Landeskirche Braunschweig sowie Maria-Rosa Berghahn von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gab die Künstlerin einen Einblick darin, wie das Fotoprojekt entstand.
Inspirationen aus Erfurt – und von Lessing
Prägend war für sie die Erfahrung der Fremdheit, als sie 2012 von Sankt Petersburg nach Erfurt zog: sowohl kulturell als auch sprachlich. „Erfurt war nicht Berlin. Ich sprach nur Englisch, aber mit mir wollte kaum jemand Englisch sprechen.“ Als junge Fotografin gelang Elena Kaufmann aber der Kontakt zur jüdischen Gemeinde Erfurt über ihr Fotoprojekt „Ein Jahr mit dem Stern“, bei dem sie das Alltagsleben in der Gemeinde begleitete. Ihre Erfahrung, trotz eines anderen Glaubens mit offenen Armen empfangen worden zu sein, wurde zur Initialzündung für das Projekt „Der Weiße Faden“: Die Frage nach der verbindenden, menschlichen Ebene trotz religiöser und kultureller Unterschiede.
Dabei bildete die Beschäftigung mit Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ ebenfalls eine Quelle der Inspiration. In dem 1779 geschriebenen und 1783 uraufgeführten Stück geht es um Toleranz und einen interreligiösen Dialog anstelle des Beharrens auf der Alleingültigkeit einer Religion. Die enthaltene „Ringparabel“ gehört zu den Schlüsseltexten der europäischen Aufklärung. Wie der Lessing-Experte Prof. Dr. Cord Berghahn betonte, ist die Frage nach dem Verhältnis Mensch-Religion ein zentraler Teil: „Wenn es um die Religion geht, geht es um den Kern des Ganzen: Aus der Religion selbst heraus zu zeigen, dass man ein Mensch sein kann.“
„Manchmal bin ich hinter den Menschen hergerannt“
Zwei Jahre lang suchte Elena Kaufmann für ihr Projekt Frauen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse, um sie für ihr Projekt zu gewinnen. Das war nicht immer einfach – nicht nur wegen der Corona-Pandemie. „Manchmal bin ich hinter den Menschen geradezu hergerannt“, erinnert sie sich lachend. Verschlungene und teils ganz zufällige Wege führten sie in einen hinduistischen Tempel in Hannover oder in eine einfache Wohnung im Leipzig. Oft wusste sie nicht, was sie hinter den Türen erwartete. Doch immer gelang es, einen Kommunikationsraum zu eröffnen zwischen den Menschen, in dem gegenseitiger Respekt und die Gemeinsamkeit eine zwischenmenschliche Ebene schaffen. Dieses Anliegen spiegelt sich in ihrer Ausstellung nun auch in der Klosterkirche Riddagshausen wider, die mit den hohen Decken ihrer Seitenschiffe und dem gedämpften Licht einen faszinierenden Rahmen für diese Ausstellung bietet. Inmitten dieses ehrwürdigen Ortes sind die Porträts der Frauen und ihre getrennt davon aufgestellten Glaubensbekenntnisse leise, aber kraftvolle Plädoyers für einen interreligiösen Dialog – besonders in Zeiten, in denen die Spaltung unserer Gesellschaft beängstigende Ausmaße anzunehmen scheint.
Am 20.3., 18 Uhr, gibt es eine weitere Gelegenheit die Künstlerin vor Ort zu erleben: Im Gespräch mit der Leiterin des Museums für Photographie Barbara Hofmann-Johnson und Christoph Borek. Dann kann man mehr über das besondere weiße Gewand der Frauen und die über 40 Bilder erfahren, die es braucht, bis das „richtige“ Porträt sitzt.
Auftakt für „750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen“
Die Eröffnung der Ausstellung, gefördert unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Die Braunschweigische Stiftung und der manyFACES Stiftung, markiert den Anfang des Jubiläumsjahres „750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen“. Mit dem Wahlspruch der Zisterzienser – Die Tür steht offen, und so auch das Herz – lädt die Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode im Jahr 2025 zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Neben einem Video-Konzert der Capella della Torre am 29. März und einer Aufführung der Musik Hildegard von Bingens am 16. August gehört der Festgottesdienst am 15. Juni zu den weiteren Höhepunkten. Mehr Informationen zum Jubiläum stellt die Kirchengemeinde auf ihrer Website bereit.