In den versteckten Höfen der Innenstadt gehören die Mini-Märkte zu den Highlights des Weihnachtsmarktes. Verschwinden sie jetzt?
Der Blick auf den Kalender verrät: Weihnachten rückt näher. Klingt im Herbst eher noch nebensächlich, ist aber wahr. Mit der Weihnachtszeit nahen auch die Weihnachtsmärkte. Selbige sind für manche Freude pur, anderen hingegen sind sie ein Grauen – wegen des dichten Gedränges. Auch Wolfenbüttel bildet da keine Ausnahme, was den Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus betrifft.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.09.2024
Aufgrund der Baustelle in der Innenstadt wird der Weihnachtsmarkt in diesem Jahr wieder vor dem Schloss stattfinden. Das bedeutet zwar mehr Platz für Stände und Besucher, für die Adventshöfe ist das aber nicht positiv. Der Wolfenbütteler Weihnachtsmarkt droht eines seiner Highlights zu verlieren. Gegenüber unserer Zeitung bestätigte die Stadt, dass nur einer der Höfe in diesem Jahr öffnen wird.
Adventshof, Museumshof, Kommisse und Klosterhof: Sie alle waren Jahr für Jahr eigene kleine Weihnachtsmärkte, die um den eigentlichen Weihnachtsmarkt vorm historischen Wolfenbütteler Rathaus als Zufluchtsorte vor dem engen Trubel auf dem Stadtmarkt dienten. Das ist nun vorbei. Wie aus dem Umfeld der Betreiber und von der Stadtverwaltung zu hören ist, finden in diesem Jahr keine Minimärkte mehr statt. Lediglich in der Kommisse wird es noch den Adventsmarkt geben.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Exklusivhof etwa lag an der Breiten Herzogstraße und wurde vom damaligen Laden Vitrine der Stadt zur Verfügung gestellt. Uwe Thomas, Eigentümer des Gebäudes, erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass dort in diesem Jahr nichts geplant sei. Von der Stadt habe er keine Anfrage erhalten. Entsprechend würde der Adventshof, der am weitesten vom Stadtmarkt entfernt sei, nicht stattfinden. Stattdessen wollen Thomas und seine Frau Christiane ab dem 5. Oktober einen eigenen Weihnachtsladen in der eigenen Vitrine anbieten.
Am nächsten am Stadtmarkt waren der Klosterhof und der Museumshof in der Klosterstraße. Der Museumshof im Schatten der Neuen Kanzlei wurde von den 3Landesmuseen vergeben. Auf Nachfrage unserer Zeitung heißt es von dort, dass bereits Anfang des Jahres Kontakt mit der Stadt bezüglich auf einer Neuauflage des Museumshofs bestanden habe.
„Auf eine Nachfrage unsererseits zur Platzierung der Buden, Hintergrund waren ausstehende Arbeiten zu Brandschutzmaßnahmen am Gebäudekomplex, haben wir bisher keine Rückmeldung erhalten“, erklärt Heike Pöppelmann, die leitende Museumsdirektorin des Braunschweigisches Landesmuseums, schriftlich. Die 3Landesmuseen gehen nach aktuellem Stand davon aus, dass kein Museumshof zustande kommt. Auch eine Nutzung außerhalb des regulären Weihnachtsmarktes sei nicht vorgesehen.
Auf dem Klosterhof wurden Glühwein, Flammlachs und vieles mehr angeboten, an den Wochenenden fanden auch kleine Konzerte statt. An eine Eröffnung ist aber in diesem Jahr nicht zu denken: Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, der das Kloster heute gehört, erklärt, dass es baufällig sein. Im Innenhof stehen Stützbalken, die Fassade bröckele. Eine öffentliche Nutzung sei unter diesen Umständen nicht denkbar. Das Gebäude beherbergte bis 2006 ein Nonnenkloster. Seitdem wird das Fachwerkhaus nicht mehr genutzt.
Der einzige „überlebende Hof“ ist wohl der Hof der Kommisse. Auf der Seite der Stadt ist bereits angekündigt, dass in der Kommisse wieder ein Kunsthandwerkermarkt stattfinden soll. Auch auf dem Hof der Kommisse wird es Speisen und Getränke geben. Vom eigentlichen Weihnachtsmarkt vor dem Schloss wird dieser Hof knapp 500 Meter entfernt sein. Die Frage, ob der Weihnachtsmarkt im nächsten Jahr wieder auf den Stadtmarkt und damit in die Nähe der Adventshöfe zurückkehren wird, ist derweil noch nicht geklärt.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.09.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/wolfenbuettel/article407240095/weihnachtsmarkt-wolfenbuettel-adventshoefe-vor-dem-aus.html
Der Dickschalige Kartoffelbovist ist giftig und bietet eine differenzierte Symptomatik mit Übelkeit und Erbrechen.
Riddagshausen mit seinem Naturschutzgebiet und dem Landschaftsschutzgebiet Buchhorst sind mykologisch gut untersucht. So veröffentlichten Autor Harry Andersson, Klaus und Knut Wöldecke ihre Funde und publizierten sie in den Braunschweiger Naturkundlichen Schriften des Naturhistorischen Museums der Jahrgänge 2002, 2005 sowie 2013. Weit mehr als 600 Pilzarten wurden in den Beiträgen für Riddagshausen dokumentiert.
Seit mehreren Jahren wird das Landschaftsschutzgebiet Buchhorst, das zum Vermögen der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gehört, einmal im Jahr für etwa eineinhalb Stunden von Studentinnen und Studenten der TU Braunschweig, Fachrichtung Biologie, im Rahmen ihrer Ausbildung unter Anleitung von Christiane Baschien nach Pilzfruchtkörpern abgesucht. Der Speisewert spielt dabei keine Rolle.
Im Vordergrund stehen Systematik, Artbestimmung, spezielle Eigenschaften sowie ökologische Gesichtspunkte. Der Nachmittag ist insbesondere der Laborarbeit mit Fachliteratur und Mikroskop gewidmet. Mit dabei waren in diesem Jahr mehrere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung aus der Forschungsgruppe Mikrobielle Wirkstoffe von Professor Marc Stadler.
Die Fundliste vom 8. Oktober wies 60 verschiedene Pilzarten aus. Ein Fund fand sofort die Aufmerksamkeit aller: Ein Kartoffelbovist, aus dem vier kleine Fruchtkörper eines anderen Pilzes, eines Röhrlings, herausragten. Der Dickschalige Kartoffelbovist (Scleroderma citrinum Pers.) ist ein mehr oder weniger rundlicher, Ei- bis Apfel-großer Fruchtkörper, der seine Sporen im Innern bildet. Das Vorkommen deutet auf sauren, wenigstens oberflächlich versauerten Boden, wie er zum Beispiel unter Nadelbäumen entsteht.
Er ist giftig und bietet eine differenzierte Symptomatik mit Übelkeit und Erbrechen. Die Senkung von Herzfrequenz und Blutdruck wurden ebenfalls beobachtet. Auch gelegentliche Sehstörungen bis zum reversiblen Ausfall des Farbsehens oder zeitliches Erblinden sind möglich.
Aus diesem Kartoffelbovist wuchsen vier kleine Röhrlinge, die aufgrund des besonderen Substrates sofort als Parasitischer Röhrling (Pseudoboletus parasiticus (Bull.) Sutara) angesprochen werden konnten. In den Jahrzehnten zuvor wurden sie je nach Auffassung der Autoren in unterschiedlichen Gattungen eingeordnet; so zum Beispiel als Boletus, Suillus, Xerocomus, Ceriomyces oder Versipellis.
Der Autor hat den Parasitischen Röhrling jeweils nur einmal 1981 im Landkreis Peine sowie 2019 bei Wolfsburg gefunden. Als damaliger Anfänger in Sachen Mykologie (Wissenschaft von den Pilzen) vor mehr als 40 Jahren hat er den Pilz gebraten und symptomlos verspeist – allein vom Gedanken des Naturschutzes heute nicht mehr denkbar. Pseudoboletus parasiticus ist sehr selten, obwohl sein Substrat, der Dickschalige Kartoffelbovist häufig, in den sandigen Nadelwäldern zum Beispiel um Gifhorn sogar ein Massenpilz ist. Die Rote Liste der gefährdeten Großpilze Deutschlands bewertet den Parasiten mit G = Gefährdung unbekannten Ausmaßes.
Harry Andersson ist Pilzsachverständiger aus Braunschweig.
Große Retrospektive der Fotografien von Uwe Brodmann im Braunschweigischen Landesmuseum und im Städtischen Museum Braunschweig.
Wer einen Blick in das private Archiv des Fotografen Uwe Brodmann erhascht, kann das vergangene halbe Jahrhundert des Braunschweiger Landes vorüberziehen sehen. Diesen Schatz hat jetzt das Braunschweigische Landesmuseum in Kooperation mit dem Städtischen Museum Braunschweig gehoben: Beide Häuser zeigen vom 25. Oktober 2024 bis zum 16. Februar 2025 das Werk Uwe Brodmanns erstmals in einer umfassenden Retrospektive mit rund 200 Arbeiten. Die Ausstellungen werden von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigischen Stiftung gefördert.
Uwe Brodmann, gebürtig in Hohne bei Celle, begann seine Laufbahn 1961 mit einer Lehre als Reproduktionsfotograf in Braunschweig. Der berufliche Werdegang führte ihn später zu Büssing und die MIAG. Seit 1989 ist Brodmann freischaffender Fotograf. Seine Werkgruppen umfassen Porträts, Stadt-, Industrie- und Naturlandschaften, öffentliche Kulturräume und Stillleben. Charakteristisch für ihn ist dabei sein schnörkelloser Stil, kombiniert mit einem ausgeprägten Gespür für Perspektiven. Seine Dokumentarfotografie hat mit der von ihm seit den 1970er-Jahren erprobten Panorama-Technik ein besonderes Format gefunden.
Von den Anti-Vietnamkrieg-Protesten der 60er Jahre bis zu Porträts von Geflüchteten unserer Tage entfaltet die Ausstellung ein Panorama des Braunschweigischen durch die Brodmann’sche Linse. Brodmanns Bilder– das zeit-dokumentarische Frühwerk ebenso wie die kunstvollen Panoramafotografien und die jüngsten Collagenfotos – sind unverwechselbar. Im Landesmuseum am Standort Hinter Aegidien sind Brodmanns Fotos aus seiner Lebensregion rund um Braunschweig zu sehen, im Städtischen Museum Braunschweig werden Fotos von Brodmanns Reisen zu sehen. In neun Ausstellungskapiteln zeichnen die Museen Brodmanns Werdegang nach.
Im Mittelpunkt seines Schaffens steht das Braunschweiger Land. Im Ausstellungsteil des Landesmuseums geht es in sechs Kapiteln und 136 Fotografien auf einen Streifzug durch das Braunschweigische. Teils erstmals zu sehen sind seine frühen Bilder, die das städtische und ländliche Leben in den 1960er und 1970er Jahren festhalten. Einen großen Raum nehmen Panoramafotografien der hiesigen Industrielandschaft und Landschaftsindustrie ein. „Mich fasziniert die Gegensätzlichkeit von Motiven auf Brodmanns Fotos, das Rübenfeld und die Silhouette der Stahlwerke von Salzgitter, die Magnolie und der Bombensplitter. Sie machen aus Braunschweigischen B-Seiten eine A-Seite“, sagt Heike Pöppelmann, Direktorin des Landesmuseums.
Unter dem Aspekt „Gedenkorte“ zeigt das Städtische Museum Aufnahmen von historischen Schauplätzen wie Verdun oder von Treffen französischer Veteranen, die am D-Day bei der Landung der Alliierten in der Normandie 1944 beteiligt waren. Auf seinen Reisen hat Brodmann seit den 1960er Jahren auch die Welt fotografisch eingefangen. Eine Auswahl von rund 70 Aufnahmen aus Australien, Belgien, England, Frankreich, Griechenland, Italien, Marokko, Russland und Thailand zeugt von der künstlerischen Produktivität Brodmanns. „Uwe Brodmann verbindet in seinen Reisefotografien weltberühmte Sehenswürdigkeiten mit in jeder Hinsicht denkwürdigen, teilweise skurril anmutenden Alltagsansichten“, erläutert Peter Joch, Direktor des Städtischen Museums.
Ein gemeinsamer Katalog mit einer Auswahl der in beiden Häusern gezeigten Bilder ist in den Museumshops erhältlich. Der Katalog ist im Michael Imhof Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro.
Braunschweigisches Landesmuseum, Standort Hinter Aegidien
„Auslöser. Brodmann im Braunschweigischen“
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 17.30 Uhr
Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder (6-17 Jahre) 2 Euro, Kombiticket für beide Ausstellungen 8 Euro.
Städtisches Museum Braunschweig
„Auslöser. Brodmann weltweit“
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, jeweils von 11 bis 17 Uhr
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, Kinder (6–16 Jahre) 2 Euro, Kombiticket für beide Ausstellungen 8 Euro.
„Die Brunonia zieht heute aufs Schloss“. So betitelte die BZ am 22. Oktober 2008 das Großereignis des Herbstes in der Stadt, und wenn man auf die anwesenden, medialen Vertretern von NDR, MDR und einigen Radiosendern schaute, auch in Norddeutschland. Es ging um die endlich vollständige Braunschweiger Quadriga.
Im mittleren 19. Jahrhundert, wie auch jetzt, war sie eine Bürgerstiftung. Brunonia, die Wagenlenkerin, ist die Schutzpatronin des Landes Braunschweig und erhielt daher die Gestalt der beliebten antiken Göttin Athena, die für Weisheit, Kunst und gewappneten Frieden steht.
Die Gießerei DBA Broncearticle von Emil Kosicki hatte sie zwischen Februar 2006 und Oktober 2008 im polnischen Komorniki, unweit von Posen, nach dem Originalmodell Ernst Rietschels von 1856 hergestellt: dreimal so groß, 9,50 Meter hoch und knapp 26 Tonnen schwer. Nun sollte die Gruppe auf das nach den Plänen von 1836 gestaltete Postament auf dem Schlossmitteltrakt aufgebaut werden.
Die Verheißung in der BZ erfüllte sich leider nicht gleich. Was war geschehen? Wegen Messfehlern an den 15 Millimeter starken Halterungsschrauben musste die Aufstellung vorübergehend abgebrochen werden. Nachts stellte die den Schlossfreunden vertraute Metallbaufirma Klauenberg aber die benötigten 2-3 Zentimeter dicken Scheiben her. Sie gaben dem Wagensockel den erforderlichen Abstand zu der empfindlichen Dachhaut des Quadrigapostaments. Allein das schlechte Wetter passte zu jenem Unglücksmittwoch
Anderntags, am 23. Oktober, ging alles glatt, selbst das Wetter überraschte mit einem strahlenden, blauen Himmel. Und die neuen Unterlegscheiben halfen. Rasch war der angelieferte Sockel von 6 Metern Länge, 5 Metern Breite und 0,75 Metern Höhe gegen 10 Uhr auf dem Postament verschraubt. Als nächstes kamen die Wagenachse und die großen Räder von fast 3 Meter Durchmesser oben an. Aufbau von hinten nach vorne, wo nichts behinderte. Bei der Verschraubung auf dem großen Sockel mit acht Schrauben pro Rad hatte der Mitarbeiter von DBA im Sockel reichlich zu schaffen.
Anschließend kamen von Mittag an im Halbstundentakt die vier Zugtiere an. Die Zuschauer freuten sich über die „fliegenden Pferde“, die in ihren Gurten am Kranhaken rasch an Höhe gewannen. Aufgestellt wurde sie auf ihren Sockelplatten von 4 x 2 x 0,4 m von innen nach außen. Vier Großschrauben verankern sie. Es stimmte alles, die Maße, die Bohrungen und die Lage der Großschrauben in den Sockeln.
Der Eindruck des Viergespanns bei der Kaffeepause gegen halb drei Uhr war schon gut. Derweil wurde der Wagen vergurtet und kam eine Stunde später oben an. Das Gespann war fast vollständig.
Aber bevor Brunonia endlich ihr Ziel erreichte, wurde sie bei ihrem Schwergewicht von 5,4 Tonnen mit mehreren Gurten gesichert, dann hob der Kran sie an. Sich leicht wendend, die vielen Zuschauer unter sich lassend, schwebte sie empor: goldglänzend, in das Abendlicht eines goldglühenden Sonnenunterganges. Langsam setzte der Kran die Figur im Quadrigawagen ab. Die vier Pferde schienen darauf gewartet zu haben. Ihr Standsockel und der große Unterbau im Wagen fügten sich zusammen, und die vier 15 Millimeter starken Schrauben waren zügig angezogen. Gegen 18 Uhr hatte Braunschweig einen neuen Höhepunkt in seiner Silhouette. Das Viergespann war vollzählig.
Die Erleichterung war jedem der Beteiligten anzusehen. Nach zweieinhalb Jahren Arbeit samt Rückschlägen war es geschafft. Die Gegner in der Presse – die Sache sei unmoralisch und nicht machbar – wurden eines Besseren belehrt. Und heute: die Quadriga auf der in Europa einzigartigen Plattform auf dem Schloß, von der aus man die Gruppe aus der Nähe genau betrachten kann, gehört mit jährlich mehr als 10.000 Besuchen zu den beliebtesten Treffpunkten in der Stadt.
Dr. Bernd Wedemeyer ist Kunsthistoriker und Verfasser des Standardwerks „Quadriga. Das Viergespann des Residenzschlosses zu Braunschweig“.
Video: youtube.com/watch?v=Ptf344EIfUM
Mehr unter: der-loewe.info/jubilaeum-fuer-die-quadriga
„Timejumps“ machen die Veränderungen des Stadtbilds anhand historischer Fotos und Zeitraffer-Überblendungen ins Hier und Jetzt deutlich.
Kameramann Dirk Troue blickt in dieser Folge vom Schlossplatz aus in den Langen Hof. Der Rathaus-Erweiterungsbau (rechts), am 8. März 1971 offiziell eingeweiht, zählt mittlerweile zu den städtebaulichen Sünden. Im Erdgeschoss des Gebäudes befanden sich einst Banken, angesehene Einzelhandelsgeschäfte wie die Buchhandlung Neumeyer oder das Sportgeschäft Siuda und das beliebte italienische Restaurant Da Bruno. Geblieben sind die Kolonnaden als Problembereich und ein riesiger Sanierungsfall der Architektur der Moderne. Von der einstigen Pracht des Boulevards gegenüber dem Residenzschloss ist heute leider nichts mehr übrig.
Im Februar 2009 gab die Stadtverwaltung bekannt, dass der Neubau ab 2010 im Rahmen einer fälligen Sanierung aufwändig umgestaltet werden sollte. Es war geplant, bis zu fünf Stockwerke abzureißen, die verbliebenen Teile sollten eine neue Fassade bekommen. Der Auftrag für den Umbau war schon erteilt, an das Braunschweiger Architekturbüro Giesler. Im Oktober 2009 gab Oberbürgermeister Hoffmann jedoch das Aus für den Umbau bekannt. Als Gründe wurden zu erwartende Steuerausfälle der Stadt genannt, vor allem aber eine Rechtsunsicherheit, die mit der Geschäftszeile im Erdgeschoss zusammenhing. Die Stadt musste zu hohe Entschädigungszahlungen für die Zeit des Umbaus fürchten. Der Sanierungsbedarf des Rathaus-Neubaus besteht allerdings fort.
Auch von diesem Standort aus sind die gravierenden Veränderungen nach den Kriegsschäden deutlich. Komplett dem Feuersturm zum Opfer fielen die Fachwerkbauten, die an das Gewandhaus angebaut worden waren. Das sogenannte Karstadt-Einrichtungshaus, das seit 2021 leer steht, war 1978 eröffnet worden. Zuvor befand sich dort seit 1955 das einstige Neckermann-Kaufhaus. Es war auf einer Kriegsbrache errichtet worden. Vor dem Krieg hatten dort imposante Gründerzeithäuser gestanden.
Historiker Gerd Biegel schreibt in seinem „Wochenbrief“ aus dem Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte über die Erinnerungskultur zur Bombennacht.
Persönliche Schicksale als Momente des Erinnerns blieben nach der verheerenden Bombennacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 zu lange ausgespart, meint Historiker Gerd Biegel in seinem „Wochenbrief aus dem Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte“. Das habe sich erst nach 1994, zum 50. Jahrestag, als eine Folge der Neuorientierung der Geschichtswissenschaft nach 1968 entscheidend geändert, so der Gründungsdirektor des Instituts. Die Erinnerungen der Betroffenen führten – verstärkt durch drängende Fragen der jüngeren Generation – zu vermehrtem Interesse an der Frage nach den Opfern der Bombennacht, ihren Leiden, ihren Gefühlen und ihrem Überleben aus der Diktatur des Schreckens. „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ zitiert aus dem Wochenbrief:
Fassungslose Betroffenheit ist in einem ersten Zeitungsbericht vom 17. Oktober 1944 zu spüren, aber nur vor dem Verlust von „Braunschweigs Gesicht“ – kein Wort zu den wirklichen Opfern, den Menschen. „Vom Petritor blicken wir ungehindert nach dem Wollmarkt und weiter nach dem Hagenmarkt. Wir suchen vergeblich eine zusammenhängende Häuserflucht … Wir tappen weiter, blicken trauernd auf die völlig vernichteten Fachwerkreihen rund um den Andreas und stellen fest, dass der wundervolle Bau der Alten Waage nunmehr dem Erdboden gleichgemacht ist. Doch wappne dich mit Zuversicht, du wirst noch Schlimmeres erblicken! … Immer wieder krampft sich unser Herz zusammen vor den Trümmern eines Wohnhauses, vor den Resten eines Kulturdenkmals“. (…)
In den Tagen des Infernos von 1944 wurde sogar das Grauen instrumentalisiert. Den Verantwortlichen der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges fehlte jegliches Interesse an den Folgen der von ihnen geschaffenen Zerstörung, die Braunschweigs Geschichte auslöschte. Die ideologische Propaganda verkündete am folgenden Tag: „Mord ist Mord. Es gibt für einen zivilisierten Menschen auf der Welt für Mord keine Entschuldigung. Mörder, Engländer und Amerikaner, die auf dem Rücken ihrer Lederjacke geschrieben haben, dass sie einem Klub von Mördern angehören, haben im Bunde mit den Juden ihre verteufelte Hand gegen deutsche Frauen und Kinder, gegen Männer, gegen deutsche Volksgenossen ohne Unterschied des Alters und ihrer sozialen Stellung ausgestreckt. Die alte Hansestadt Braunschweig, eine der deutschen Städte mit ruhmvoller Vergangenheit, deren Bedeutung in ihrer Hochzeit der Blüte der deutschen Hanse sich selbst Engländer nicht verschließen konnten, liegt in Trümmern.“ (…)
Und Gauleiter Lauterbacher hatte folgenden Aufruf erlassen: „Meine Volksgenossen, Braunschweiger! Ein schwerer britischer Terrorangriff hat in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober Eure Stadt in ihren wesentlichen Teilen vernichtet. Der Brandfackel eines blindwütigen und kulturlosen Feindes sind in wenigen Stunden ehrwürdigste Zeugen deutscher Vergangenheit und viele tausend Wohnstätten mit Hab und Gut mancher Generationen zum Opfer gefallen. Das alte Braunschweig ist in Schutt und Asche versunken. Hunderten aus Eurer Gemeinschaft ist ihr Leben oder ihre Gesundheit genommen. Angesichts dieser Barbarei und dieses sinnlosen Mordens deutscher Menschen bleibt uns nur übrig, die Zähne zusammenzubeißen, uns gegenseitig so gut und schnell wie möglich zu helfen und die Rache zu organisieren. Angloamerikaner und Bolschewisten wollen uns erbarmungslos vernichten und Deutschland zur Wüste machen. Das haben sie Euch Braunschweigern erneut bewiesen. Wir aber wollen leben und müssen siegen. Das setzt voraus, dass wir uns im nationalsozialistischen Glauben und in der schon oft bewiesenen Pflichterfüllung zusammenschließen und uns auch aus der Glut der Terrornacht und über die Trümmer hinaus zum kompromisslosen Kampf bis zur völligen Niederringung unserer Gegner bekennen.“ (…)
Bereits am 29. Oktober 1944 nutzten die Machthaber die Katastrophe vom 14./15. Oktober zu einem letzten propagandistischen Auftritt in Form einer Gedenkfeier: Gottesdienst im Dom, demonstrativer Marsch durch die in Trümmern liegende Innenstadt zum Residenzschloss und Abschlusskundgebung vor einem übergroßen Eisernen Kreuz unter dem zynischen Motto: „Kein anderes als ein nationalsozialistisches Deutschland wird die zerstörte Stadt wieder aufbauen.“
Glücklicherweise kam es anders. In den ersten Jahren nach Kriegsende war die Erinnerung an die Bombennächte und ihre zerstörerischen Folgen noch durch das persönliche Erleben und die tägliche Anschauung in einer zerstörten Stadt bestimmt. Bereits 1949, bei der Gedenkfeier zum 5. Jahrestag, musste der damalige Oberstadtdirektor aber in mahnenden Worten feststellen, dass die Menschen nichts aus der Geschichte lernen und offenbar aus der Verantwortung fliehen wollen und ein klares Bekenntnis zum Frieden meiden. Man schwanke zwischen Vergesslichkeit und Vogel-Strauß-Politik. In der Braunschweiger Zeitung vom 19. Oktober 1949 meinte der Kommentator lapidar: „Wenn man dieser Zeit nach fünf Jahren gedenkt, dann kann jede Diskussion nur befremden“.
Diese Meinung entsprach durchaus dem Erinnerungsverhalten der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Man wollte sich nicht kollektiv erinnern, man hat vielmehr das „kommunikative Beschweigen“ bevorzugt. Noch blieben Gedenken und öffentliche Erinnerung an die Ereignisse der noch erinnerungsnahen Vergangenheit weitgehend aus. Erst Anfang der 1960er Jahre, als allmählich das Bild des „alten Braunschweigs“ zu verblassen begann, setzte das bewusste Erinnern gegenüber dem materiellen und kulturellen Verlust ein. (…)
Die Analyse der damaligen Medienberichte lässt erkennen, dass an die Stelle des persönlichen Erinnerns mehr und mehr ein offiziell-öffentliches und politisches Gedenken – anonym und unpersönlich – trat. Auch diese Entwicklung entsprach der Zeit: Es gab in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft einen allgemein funktionierenden Konsens, die Vergangenheit aus der Perspektive der biografisch existenziellen Erfahrung nicht zu thematisieren. Daher orientierte sich auch in Braunschweig das Gedenken bis in die 1970er Jahre überwiegend am Verlust des historischen Braunschweigs. Persönliche Schicksale als Momente des Erinnerns blieben ausgespart. Der kleine Mann als Opfer der Geschichte blieb ausgesperrt aus dem amtlichen Tummelplatz der Erinnerung der Vergangenheit und das Persönliche ging im Allgemeinen weitgehend verloren. (…)
Mit der wachsenden zeitlichen Distanz kamen dann endlich die zahlenmäßig schwindenden „Zeitzeugen“ zu Wort. … Die Historiker haben in den 1990er Jahren aufgrund zahlloser Quelleninformationen begonnen, ein immer umfassender werdendes Detailbild der historischen Ereignisse des Bombenkrieges zu schaffen und neben den offiziellen jährlichen Betroffenheitsritualen wuchs der Wunsch nach mehr Sachinformationen zum Geschehen, verbunden mit der Frage nach dem Sinn des Bombenkrieges. …
Erinnerungskultur wie das Vernetzte Gedächtnis, Gedenken an die Zerstörung der Synagoge, an deren Stelle ein Bunker errichtet wurde, in dem die jüdischen Mitbürger übrigens keinen Zugang hatten (!), Zwangsarbeiter und KZ – Außenstelle mit Gedenkstätte Schillstraße oder der bedrückende Friedhof Hochstraße kamen beispielhaft ebenso hinzu, wie die erste „Zeitzeugen-Dokumentation“ des Friedenszentrums und der Braunschweiger Zeitung (2004). Es kam etwas in Bewegung, aber es ist noch längst nicht genug! (…)
Aber noch fehlen uns manche Antworten und neue Fragen stellen sich ebenso: noch bleiben Wissenslücken ebenso, wie die Notwendigkeit, aus der Erinnerung an die schrecklichste aller Kriegsnächte in Braunschweig eine dauerhafte Mahnung für den Frieden werden zu lassen, denn immer noch werden weltweit Städte wieder durch Bomben und Raketen beziehungsweise Drohnen gezielt zerstört, unschuldige und hilflose Menschen getötet, keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen und die Inhumanität wieder zur politischen Doktrin aufgeblasen. (…)
Demokratien gründen auf Menschenwürde und verurteilen den Krieg, Autokratien dagegen kennen keine dauerhaften Werte, die unsere Erde und die Menschen schützen und würdigen. Daher bin und bleibe ich von der Wirkungsmacht der liberalen Demokratie auch als Zukunftsmodell überzeugt. Ich werde die Hoffnung auf Demokratie, Frieden und Menschenwürde auch für unsere Zeit nie aufgeben. Für diese Hoffnung kämpfen wir als Historiker in unserer Stadt, für ihre Bürgerinnen und Bürger, denn auch ihre Zukunft hatte bereits in der Vergangenheit begonnen, und nein, sie war nicht im Inferno der Bombennacht vor 80 Jahren auf immer verloren gegangen, dafür müssen wir dankbar sein und uns weiter für eine humane Zukunft einsetzen.
Die Braunschweigischen Landschaft und die Mundstock-Stiftung ermöglichen das Schulprojekt.
Wasser ist im gerade begonnenen Schuljahr an der Aueschule, Oberschule in Wendeburg, ein großes Thema in fast allen Fächern der Wahlpflichtkurse. Es handelt sich dabei um ein Kooperationsprojekt mit der Braunschweigischen Landschaft, die in diesem Jahr erstmals ein Themenjahr unter dem Motto „Wasser verbindet eine Region“ veranstaltet.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 06.09.2024
Die verschiedenen Arbeitsgruppen der Braunschweigischen Landschaft bieten mehr als 100 Veranstaltungen zum Themenjahr an – und da kommt der Wendeburger Gemeindeheimatpfleger Rolf Ahlers ins Spiel, der auch Sprecher einer der Arbeitsgruppen der Braunschweigischen Landschaft ist. Allein die AG Heimatpfleger hat für das Themenjahr mehr als 30 Einzelveranstaltungen erdacht, alles mit der Lebensgrundlage Wasser als Kern.
Ahlers hat für die Aueschule die Mundstock-Stiftung mit eingebunden, und sie spendet der Schule 1.500 Euro. „Das Geld soll für Projekte zu den Wasser-Themen verwendet werden“, sagt Rektorin Karin Bothe. Es geht ihr um Sensibilisierung. „Wasser ist ein kostbares Gut, in vielen Ländern ein Luxusgut“, sagt sie.
Nach Zahlen des World Wide Fund For Nature (WWF) werden in Deutschland jährlich mehr als 120 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht – fast das dreifache Volumen des Bodensees. Der „Wasserfußabdruck“ berücksichtige nicht nur den direkten Wasserverbrauch, sondern auch das für die Produktion von Lebensmitteln und Industriegütern benötigte Wasser, so WWF. „Für ein Ei werden 180 Liter Wasser benötigt“, nennt die Rektorin eine Zahl.
Den Schülerinnen den Wasserverbrauch und das Thema Wasser bewusst zu machen, darum soll es das ganze Schuljahr über in vielen Unterrichtsfächern und in allen Klassenstufen gehen. „Auch in Musik“, sagt Karin Bothe und erinnert an Händels Wassermusik. Sie entstand zur musikalischen Begleitung einer Bootsfahrt des englischen Königs George I. am 17. Juli 1717 auf der Themse. Oder – wer es nicht so mit Klassik hat – „Smoke on the Water“ der britischen Rockband Deep Purple.
Im Leitbild der Aueschule stehen der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur und die Förderung der Nachhaltigkeit ohnehin im Fokus. Einer der Leitsätze lautet „Nachhaltigkeit erleben“. „Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen und ein zukunftsorientiertes Lernen mit und in der Natur sind uns an unserem ländlichen Standort wichtig“, heißt es im Leitbild weiter.
Mit ihrer schuleigenen Imkerei will die Aueschule einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Naturschutz leisten.
Bereits in der Projektwoche vor den Sommerferien war „Wasser“ ein Thema. In vier Projekttagen lernten Schülerinnen und Schüler der Aueschule Wendeburg beim Seglerverein Braunschweig auf dem Südsee die Grundlagen des Segelns in der Bootsklasse „Optimist“ kennen. „Bei den anfänglichen Gleichgewichts- und Schleppübungen hinter dem Motorboot wurde zunächst geübt, das Boot zu steuern sowie sich sicher darin zu bewegen. Anschließend ging es ans Segeln: die Windkurse, Halbwind segeln, eine Wende und sogar schon eine Halse klappten schließlich ganz gut“, berichtet Lehrerin Maren Nolte. „Und falls doch mal etwas schiefgeht und das Boot kentert, gab es eine Kenter-Übung: Alle Kinder durften das Boot umkippen, um es abschließend eigenständig wieder aufzurichten.“
Wasser bedarf es natürlich auch, um Pflanzen zu gießen. Und so haben Schülerinnen und Schüler der letztjährigen Klasse 7.1. „ihren“ Paten-Baum Bernd ordentlich gegossen, damit er anwächst. Bernd ist als Ersatz für den großen alten Ahorn gepflanzt worden. Der rund 50 Jahre alte Baum war bei einem Sturm im Februar 2022 auseinandergebrochen. An heißen Sommertagen fand unter seinem großen Blätterdach auf der Schulwiese auch Unterricht statt. „Die Wiese liegt mittags voll in der Sonne und die Eichenstämme, die um den alten Ahorn angeordnet waren, gehörten zu den Lieblingsplätzen der Schüler und Schülerinnen“, erinnert die Rektorin. Doch drei kurz hintereinander durch den Landkreis ziehenden Sturmtiefs „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“ brachten den alten Baum an seine Grenzen. Während des dritten Sturms zerriss die Krone; der Stamm splitterte. Der Rotary Club Wolfsburg-Fallersleben spendete Geld für den neuen Baum, der mit 30 Jahren bereits stattlich ist. „Und sehr gut ausgeschlagen hat“, freut sich die Schulleiterin.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 06.09.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/peine/article406982359/aueschule-wendeburg-macht-wasser-zum-schulfach.html
Das Schlossmuseum Wolfenbüttel erwarb mit dem „Holländisches Service“ eines der bedeutendsten Ensembles europäischer Porzellankunst.
Der Erwerb des „Holländischen Service“ stellt die größte Anschaffung in der Geschichte des Schlossmuseums Wolfenbüttel dar. Seit wenigen Tagen bereichert damit eines der bedeutendsten Ensembles europäischer Porzellankunst die Ausstellung in den Räumen der ehemaligen Welfenresidenz. Aus eigener Kraft wäre es dem Museum unmöglich gewesen, diesen „Braunschweigischen Schatz“ zu sichern. Der Kaufpreis betrug stolze 600.000 Euro. „95 Prozent davon stammen von deutschen Stiftungen und privaten Förderern“, bedankt sich Museumsleiterin Dr. Sandra Donner für die enorme Unterstützung. Zuvor hatten mehrere Gutachten führender deutscher Porzellanexperten die hohe Qualität des Ensembles bestätigt und es als „Kulturgut von nationaler Bedeutung“ eingestuft.
Das Service wurde in den 1770er Jahren in der von Carl I. gegründeten herzoglichen Porzellanmanufaktur Fürstenberg hergestellt. Der damalige Auftraggeber aus den Niederlanden ist heute unbekannt. Sicher aber ist, dass es der damalige Bürgermeister der Stadt Rotterdam, Willem Suermondt (1740 bis 1828), erwarb, um es vermutlich für ein Abendessen mit dem französischen Kaiser Napoleon Bonaparte zu nutzen. Seitdem ist das Service in Familienbesitz und wurde von Generation zu Generation vererbt, ehe die heute in Luxemburg lebende Besitzerfamilie van Rijckevorsel es nun an das Schlossmuseum Wolfenbüttel verkaufte.
„Wir sind glücklich, dankbar und auch stolz, dass wir mit dem ‚Holländischen Service‘ ein einzigartiges Kunstwerk aus dem Braunschweiger Land zurück ins Braunschweiger Land holen konnten“, freut sich Thorsten Drahn, Erster Stadtrat der Stadt Wolfenbüttel. Zu sehen ist das Service zunächst bis zum 10. November. Für Mai 2025 ist eine Sonderausstellung geplant, in der die besondere Bedeutung und Entstehungsgeschichte des Porzellankunstwerks beleuchtet werden soll. Zudem sollen wissenschaftliche Forschungen an der Schnittstelle zwischen Kunst- und Wirtschaftsgeschichte ermöglicht werden. Von 2026 an wird das „Holländische Service“ dann in die Dauerausstellung integriert.
Jedes einzelne Objekt zeigt ein anderes Motiv holländischer Küstenlandschaften. Zusammen ergibt sich ein Gesamtkunstwerk, das in seiner Vielfalt, Pracht und handwerklichen Perfektion einzigartig ist. An der Bemalung der Teller, Schalen und Terrinen war der berühmte Landschaftsmaler Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723-1803) beteiligt. Weitsch hatte als vielseitiger Künstler, Kunsthändler, Zeichenlehrer und Verwalter der Gemäldegalerie in Schloss Salzdahlum eine wichtige Stellung im Herzogtum Braunschweig. Mit der Landschaftsmalerei auf Porzellan sicherte sich Fürstenberg im ausgehenden 18. Jahrhundert einen Platz unter den führenden Anbietern des Luxusgutes Porzellan.
Neben der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz haben bedeutende nationale Stiftungen wie die Kulturstiftung der Länder, die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Rudolf-August Oetker-Stiftung sowie weitere regionale Förderer wie die Hans und Helga Eckensberger Stiftung, die Stiftung Zukunftsfonds Asse, die Ritterschaft des ehemaligen Landes Braunschweig, die Volksbank eG Wolfenbüttel, der Förderverein des Museums Wolfenbüttel e. V., die Stadt Wolfenbüttel und zahlreiche private Stifter das Schlossmuseum Wolfenbüttel beim Ankauf finanziell unterstützt.
Kontakt:
Schloss Museum Wolfenbüttel
Schloßplatz 13
38304 Wolfenbüttel
E-Mail: museum@wolfenbuettel.de
Telefon: 05331 9246-0
Internetseite: www.schlosswolfenbuettel.de
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag (10 – 17 Uhr).
Eintritt: Erwachsene: 5 Euro, Ermäßigung: 2,50 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: frei
Die herausragenden Kirchen im Braunschweiger Land, Teil 11: die Michaeliskirche
Der Michaeliskirche zwischen Gülden- und Echternstraße gebührt ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal: Als einzige Stadtkirche blieb sie von Zerstörungen im Bombenhagel auf Braunschweig während des Zweiten Weltkriegs verschont. Der quadratische Westturm mit seinem Kupferhelm, der 1944 als einzige große Kirchturmspitze der Innenstadt nicht abbrannte, markiere unverändert das beschauliche südwestliche Quartier der Altstadt, schreibt Wolfgang Jünke, Pfarrer in Ruhestand, in der Geschichte zu St. Michaelis auf der Internetseite der Gemeinde. Lediglich eine Glocke aus dem Jahr 1489 wurde Opfer des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde 1942 zum Einschmelzen nach Hamburg abtransportiert.
„Die ursprüngliche Kirche wird ein einschiffiges Gebäude gewesen sein“, erläutert Wolfgang Jünke weiter. Es wurde später um das Jahr 1250 unter Hinzufügung des Turmes im romanischen Stil erweitert. Im 14. Jahrhundert erfolgte der Umbau zur gotischen Hallenkirche. Am nördlichen Seitenschiff ist eine noch gut lesbare, sich auf die Neuweihe beziehende Inschrift aus dem Jahre 1379 erhalten. Errichtet wurde die kleinste der Braunschweiger Stadtkirchen aus Rogenstein vom Nußberg und aus Elmkalkstein.
„Die ältesten Bauteile der bestehenden Kirche umfassen neben dem Turm auch die Gewölbejoche des Mittelschiffs. Das Dachwerk stammt ebenfalls noch aus dem 13. Jahrhundert und gehört damit in die erste Bauphase“, ergänzt Bauhistoriker Elmar Arnhold in seinem Standardwerk „Mittelalterliche Metropole Braunschweig“. Das Buch wurde unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Richard Borek Stiftung gefördert. Es bildet für die Stadtkirchen die Grundlage unserer Serie.
Im 12. Jahrhundert hatte sich, so Elmar Arnhold, in der Randlage des Weichbilds Altstadt ein Friedhof für Arme, Fremde und Verbannte befunden. Dort entstand der erste Kirchenbau. Diese Michaeliskirche wurde 1157 vom Hildesheimer Bischof Bruno geweiht. Ihr Bau war auf einem privaten Grundstück durch Spenden ermöglicht worden. Die am Westbau der Michaeliskirche entlangführende Echternstraße war die letzte Straße vor der mittelalterlichen Stadtbefestigung, sie lag „achtern“, also hinter der Stadtmauer. Den heutigen Platz vor der Kirche an der Echternstraße mit seinen vorgelagerten Fachwerkhäusern beschreibt Elmar Arnhold als besonders stimmungsvoll für das alte Braunschweig. Auf der anderen Seite missfällt ihm jedoch die vierspurige Güldenstraße mit ihrem überaus starken Verkehrsaufkommen.
Bei aller ersichtlichen Bescheidenheit sowohl im Äußeren als auch im Inneren könne St. Michaelis trotzdem mit einem regional weit und breit einmaligen farbigen Glasbilderzyklus aus der Zeit nach 1900 aufwarten, meint Wolfgang Jünke. Der Zyklus dokumentiere den hohen Standard der braunschweigischen Glasmalerei an der Wende zum 20. Jahrhundert. „Die Szenen in ihren leuchtenden Farben lassen vor den betrachtenden Augen eine Art Bilderbibel entstehen. Es grenzt fast an ein Wunder, dass diese Fenster dem allerorten durch Bomben verursachten Glasbruch 1944/45 nahezu unbeschädigt entgangen sind, im völligen Gegensatz zu ähnlichen künstlerisch gestalteten Verglasungen in anderen Stadtkirchen“, so Wolfgang Jünke. Der Zyklus sei wegen seiner anerkannten kulturgeschichtlichen Bedeutung aufwendig restauriert und geschützt worden.
Die Michaeliskirche stellt das Zentrum des Michaelisviertels dar. Es ist eine der Traditionsinseln, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurden. Dazu zählen der Dom mit dem Burgplatz, St. Magni mit dem Magniviertel, Martinikirche mit dem Altstadtmarkt, St. Aegidien mit dem Aegidienviertel und eben St. Michaelis mit dem Michaelisviertel. Zu danken hat Braunschweig den teilweisen Erhalt des alten Braunschweigs dem seinerzeitigen Denkmalpfleger Kurt Seeleke. Er hatte die Idee der Traditionsinseln, die 1946 durchgesetzt wurde. Durch Aufnahme in die Denkmalpflegesatzung der Stadt Braunschweig von 1963 wurden die Traditionsinseln unter gesetzlichen Schutz gestellt.
Im Michaelisviertel hat das Studentenwerk Braunschweig 1984 aus zwei originalen und zehn nachempfundenen Fachwerkhäusern das Studentenwohnheim „Michaelishof“ geschaffen. Südlich der Kirche blieb das stattliche Renaissancegebäude „Haus zur Hanse“ aus der Zeit um 1560 erhalten, und in der Echternstraße 16 steht das restaurierte Stobwasserhaus der einstigen Lackwarenmanufaktur von 1771, in dem 1890 der spätere Reichspräsident Friedrich Ebert als junger Sattlergeselle wohnte. Auch Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind am Gieselerwall mit einem Stück Stadtmauer und an der Echternstraße ein Wachtturm mit einem gedeckten Wehrgang zum Neustadtmühlengraben. In der Alten Knochenhauerstraße sind bemerkenswerte Fachwerkhäuser wie der „Ritter St. Georg“ von 1470 bis 1489 vorhanden.
Kontakt:
Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Michaelis
Pfarrer und Gemeindehaus
Echternstraße 12
38100 Braunschweig
Tel: 0531 4 26 63
E-Mail: michaelis.bs.buero@lk-bs.de
Internetseite: www.st-michaelis-bs
Per Bahn und Rad in Braunschweigs alten Weserdistrikt nach Fürstenberg und ins UNESCO-Welterbe Corvey.
Anfassen erlaubt! Was in Museen sonst strikt verboten ist, darf man im Porzellanmuseum Schloss Fürstenberg gerade tun: die feinen Teller und Tassen anfassen, nach eigener Wahl zusammenstellen und den Tisch damit decken. Tatsächlich ist Porzellan bei aller Zerbrechlichkeit nichts bloß zum Angucken, es will gestreichelt sein. Und man wird sofort spüren, dass das gute Fürstenberger sich besonders weich und glatt in die Hand schmiegt, kein Scherz!
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024
Dass es dieses Porzellan gibt, verdankt sich der klugen Wirtschaftsförderung des Braunschweiger Herzogs Carl I., der im 18. Jahrhundert Arbeitsplätze in den ländlichen Weserdistrikt seines Fürstentums bringen wollte. Und dem als aufgeklärtem Barockfürsten an Kultur und Bildung und entsprechender Selbstdarstellung lag. Braunschweig sollte sein eigenes Porzellan bekommen wie die reichen Vettern in Sachsen.
Das Geheimnis seiner Herstellung, das sogenannte Arkanum, war freilich noch immer ein Politikum. Und so ist die Geschichte der braunschweigischen Porzellanherstellung auch eine von Betrug, Abwerbung und früher Industriespionage.
Und dass dies alles in knappen Worten so überaus anschaulich aufbereitet im aktuellen Porzellanmuseum zu Fürstenberg mitzulesen ist und im Wortsinn fasslich wird, ist wesentlich der Braunschweigischen Stiftung zu danken, die mit ihrer hundertprozentigen Tochter, der Kulturgut Fürstenberg GmbH, das Schloss und Museum seit 2017 restaurierte und betreibt. In diesen Tagen feiert sie ihr 30-jähriges Bestehen.
Die Neukonzeption des Museums setzt auf Klarheit, erklärt Geschichte, Formgebung, Bemalung, Stilepochen und Trends an ausgesuchten Beispielen, da fühlt man sich nicht überfordert, während in der Schausammlung, einem Raum als einzige begehbare Vitrine, dann alles zusammengestopft wurde, was man Schönes aus Porzellan machen kann. Vom hübschen Väschen bis zur aufwendigen Commedia-dell’arte-Figur.
So startet man bei der Herstellung, wo es – wie beim Bier – nur um drei Bestandteile geht: beim Porzellan sind es Quarz, Feldspat und Kaolin, die man hier auch in die Hand nehmen kann. In welchem Mischungsverhältnis man das wie lange brennen muss, ist das Geheimnis. Der umgebende Solling war der Energielieferant.
Um ca. 15 Prozent schrumpft das Objekt beim Brennen. Je dünner und lichtdurchlässiger die Stücke sind, umso feiner. An der letzten Station, der Schauwerkstatt unterm Dach, sieht man auch mal ein paar im Ofen verunglückte Objekte: einen verzogenen Teller oder ein in sich zusammengebrochenes Pferd.
Das Niedersachsenross ist übrigens bis heute als Gastgeschenk der Landesregierung beliebt – die weiterhin bestehende Fürstenberger Porzellanmanufaktur in der Nachbarschaft gehört dem Land Niedersachsen. Stundenweise führen Mitarbeitende im Schloss das Modellieren und Bemalen vor. In den Ausstellungsräumen gibt es natürlich auch historische Schaustücke unter Glas: das vergoldete Service der Goethezeit ebenso wie die unfassbar bunten Schokoladenkannen für den amerikanischen Markt und das flotte schlanke Kaffeekännchen aus den 50ern.
Dann wieder Stilkunde zum Anfassen als Spiel: Wer die richtige Tasse zum richtigen Teller stellt und nicht Rokoko mit Jugendstil mischt, bekommt Signal. An anderer Stelle dürfen die Besuchenden der festlichen Barocktafel in der Vitrine eine selbst aus dem Regal zusammengestellte entgegensetzen, da gibt es fantastische Ergebnisse wie beim Kindergeburtstag. Und sehr schön die kleine Videoschau, bei der die projizierten Dekore auf den echten Vasen tanzen.
Das Fürstenberger Porzellanschloss ist ein Museum, das Spaß macht. Aber es liegt damals wie heute etwas entfernt vom Braunschweiger Mutterland. Deswegen bietet es sich an, aus dem Besuch einen richtigen Tagesausflug zu machen – mit Bahn und Rad. Zwar muss man von Braunschweig bis Holzminden mit der Regionalbahn zweimal umsteigen, aber nach zwei Stunden kann man sich dann auf das mitgeführte Fahrrad schwingen und die Weserschleifen entlangfahren gen Höxter.
Schon bald grüßt dann das Westwerk der Stiftskirche Corvey herüber, die wegen ihres original karolingischen Bestands zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Gegen Eintritt ist es zu besichtigen, der sich für das stattliche Schloss, Bibliothek und Garten auf eine ebenso stattlichen Summe von 19 Euro erhöht. Auf dem Friedhof ist das Grab eines anderen Bekannten der Region – aus Fallersleben zu besichtigen: August Heinrich Hoffmann, der Dichter des Deutschlandliedes, war seit 1860 als Bibliothekar in Corvey tätig und starb hier 1874 an einem Schlaganfall.
In Höxter geht es dann auf die andere Weserseite und über Boffzen, dessen Pfarrhaus in Wilhelm Raabes „Hastenbeck“ ebenso eine Rolle spielt wie die Porzellanmanufaktur, rauf nach Fürstenberg. Und nachher auf selber Weserseite wieder zurück nach Holzminden zu Imbiss und Bahn.
Porzellanmuseum Fürstenberg, geöffnet Di.-So. und feiertags 10-17 Uhr, Eintritt 8,50 Euro, Ermäßigte 5,50 Euro. Werksverkauf nebenan 10-18 Uhr.
„Hausgäste“: Während der Sanierung des Kestner-Museums in Hannover sind Teile aus dessen Beständen an Fürstenberger Porzellan vom 21. September 2024 bis 2. März 2025 in Fürstenberg zu sehen.
„Scherben zum Glück“: Das Hochzeitsservice zur Vermählung von Victoria Luise und Ernst August zu Hannover wurde erst 1921 fertig, als das Fürstenpaar längst abgedankt hatte. Stücke des 700-teiligen Service aus Nymphenburger Porzellan werden vom 21. September 2024 bis 27. April 2025 in Fürstenberg gezeigt.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article407233746/braunschweiger-porzellan-zu-besuch-im-schloss-fuerstenberg.html
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