Noch bis zum 3. April ist die Fotoausstellung „Der Weiße Faden“ in der Klosterkirche Riddagshausen zu sehen. Am 20. März setzte eine Gesprächsrunde zur Porträtfotografie einen abschließenden Impuls. Barbara Hofmann-Johnson, Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig, schreibt hier über zentrale Aspekte des Abends.
Anlässlich der Ausstellung von Elena Kaufmann Der weiße Faden zum 750jährigen Kirchweihjubiläum in der Klosterkirche Riddagshausen lohnte es sich, in einer Gesprächsrunde am 20. März 2025 über wichtige Aspekte der Porträtfotografie und unsere Erwartung an das Abbild des Menschen, über Individualität und Identität, über Aura, Wahrnehmung und Bewertung sowie über die konzeptuellen Möglichkeiten künstlerischer Porträtfotografie aus heutiger Sicht nachzudenken. An dem Podium, moderiert von Prof. Dr. Michael Grisko (Richard Borek Stiftung), nahmen neben Elena Kaufmann auch der Braunschweiger Fotograf Christoph Borek (Stiftung ManyFaces) sowie die Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig, Barbara Hofmann-Johnson, teil.
Der weiße Faden der Erfurter Fotografin Elena Kaufmann stellt Halb-Porträts von Frauen unterschiedlichen Alters, Hautfarbe und Herkunft vor hellem Hintergrund vor. Sie gehören unterschiedlichen Religionen an und sind stets in dem gleichen naturweißen Kleid vor neutralem Bildgrund aufgenommen. Das Kleid wurde eigens für das umfassende Projekt entworfen und scheint eher zeitlos denn modisch. Kleidung erscheint nicht als Attribut oder gar symbolisch der jeweiligen Person und deren Identifikation mit einer Religion zugeschrieben und stellt damit indirekt die Frage danach, wie oft wir Bewertungen und Einordnungen von Menschen auch durch Kleidung vorschnell vornehmen. Zu den Porträts gehören bei Elena Kaufmann Texte – sie können den Porträts in den Seitenschiffen der Kirche nicht eindeutig zugeordnet werden und regen ebenfalls unser Nachdenken über mögliche Zuordnungen an.
Die Geschichte der Porträtfotografie als wichtiges Themenfeld der Fotografie mit ihren bis heute vielschichtigen Bildsprachen und künstlerischen Vorgehensweisen reicht als Genre bis in die Anfänge der Geschichte des Mediums im 19. Jahrhundert zurück.
Neben Inszenierungen des Menschen vor besonderen Bühnen war es bereits der berühmte französische Fotograf Nadar (1820 – 1910) im 19. Jahrhundert, der das Wesen und die Aura von Personen eher vor neutralen Bildgründen vorstellte, um nicht von der Person abzulenken. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vollzog August Sander (1876 – 1964) den nächsten konzeptuellen Schritt der Porträtfotografie und widmete sich in seinem umfassenden Porträtwerk in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts den „Menschen des 20. Jahrhunderts“ in sieben Gruppen und in Form von Typisierungen als Gesellschaftsbild der Zeit.
Die zeitgenössische Fotografin Rineke Dijkstra (* 1959) begleitet seit 1994 die ursprünglich aus Bosnien in die Niederlande geflüchtete und inzwischen zu einer jungen Frau mit eigener Familie herangewachsene „Almerisa“ in Porträts, die ihre Entwicklung im kulturellen Kontext nach gleichem Inszenierungsmuster auf einem Stuhl sitzend vorstellen. Dem Einzelbild wird das sich entwickelnde, serielle Porträt gegenübergestellt.
Jetzt auch Teil der „Many Faces“-Familie: Fotografin Elena Kaufmann. Foto: Christoph Borek, ManyFaces.
Dass der Mensch nicht mit einem Bild zu fassen ist und seine Identität komplex ist, zeigt auch das Projekt „Many Faces“ von Christoph Borek, das er an diesem Abend vorstellte. In den vergangenen Jahren hat er inzwischen über 1.000 Personen in stets drei unterschiedlichen Gemütslagen fotografiert, um damit die Facetten der Befindlichkeiten als Varianten des Porträts zu thematisieren. Auch Elena Kaufmann gehört inzwischen zu den Porträtierten seines Großprojekts, für das er momentan eine Ausstellungsfläche sucht. In der Gesprächsrunde konnte man beides betrachten: die lebhaft agierende Fotografin und ihr dreiteiliges Porträt von Christoph Borek.
Porträts sind Ausschnitte aus Lebenszusammenhängen oder Inszenierungen, die uns im Gegenüber auch stets unsere eigene Identität und das Bild von uns überdenken lassen.
Barbara Hofmann-Johnson ist Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig.
Herzogliches Kalenderblatt, Folge 7: Am 13. März 2025 jährte sich zum 309. Male der Geburtstag von Herzogin Philippine Charlotte. Wer war diese Tochter des bekannten „Soldatenkönigs“, und wie kam sie nach Braunschweig?
Am 13. März 2025 jährte sich zum 309. Male der Geburtstag von Herzogin Philippine Charlotte (1716-1801), der Gemahlin von Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713-1780). Sie entstammte dem preußischen Königshaus, und ihr Vater, Friedrich Wilhelm I., nannte sie nach ihrem Rufnamen Charlotte zärtlich seine „dulle Lotte“.
Das verwundert vielleicht, denn der „Soldatenkönig“ ist eher als herrschsüchtig bekannt, dem aber auch die unbedingte Pflichterfüllung für das von ihm aufgebaute Land über alles gingen. „Lotte“ behielt ihre Spaßhaftigkeit bis ins Erwachsenenleben, und mit ihren Neckereien erheiterte sie als Kind die vielköpfige Königsfamilie, in der auch Spannungen und Intrigen vorherrschten, allen voran der schwere väterliche Zwist mit Kronprinz Friedrich (II.). Die familiären Kosenamen waren daher in Anlehnung an die französische Umgangssprache am Hof „Lolotte“, Lottine“ und sogar Sanssouci“.
Auf der Suche nach einer geeigneten Partie kam der Vater auf Ferdinand Albrecht II., den er als protestantischen Fürsten im Dienste des römisch-deutschen Kaisers schätzen gelernt hatte. Der Wiener Kaiserhof unterstützte die Wahl, und so wurde am 19. Mai 1730 in Berlin die Verlobung gefeiert. Kostspielig war die Fahrt dorthin für die Bevernsche Linie der Braunschweigischen Herzöge. Aber eine preußische Prinzessin als Schwiegertochter im Fürstenhaus zerstreute alle finanziellen Bedenken. Der zukünftige Schwiegervater gab dem schüchternen Carl den Rat, er solle sie nun „caressieren“ [liebkosen] und ihr „douceurs“ [Zärtlichkeiten] sagen.
Wegen der Jugend der Braut fand die Hochzeit erst 3 Jahre später, am 2. Juli 1733 in Berlin, statt. Da hatte die ältere Schwester Carls, Elisabeth Christine, bereits am 12. Juni 1733 in Schloß Salzdahlum den preußischen Kronprinzen geheiratet; die preußisch-braunschweigische Doppelhochzeit, eingefädelt von den Vätern, hatte stattgefunden.
Die Ehe Charlottes verlief gut. Ihr Einzug in Wolfenbüttel am 22. Juli war großartig, und ihr neues Zuhause im (erhaltenen) Kronprinzenpalais fand sie „bequem und sauber“. Die Schwiegereltern und das regierende Herzogspaar Ludwig Rudolf und Christine vergötterten sie. Aber viel zu rasch wurden sie und Carl nach ihrem Gefühl regierende Fürsten.
1735 starben am 21. März Herzog Ludwig Rudolf und nur ein halbes Jahr später am 13. September Herzog Ferdinand Albrecht II., ihr Schwiegervater. Die unbeschwerte Zeit endete. Es folgten der Umzug ins Residenzschloss und das Zusammenraufen mit drei Herzogswitwen. Besonders im Grauen Hofschloss der Elisabeth Sophie Marie, Gemahlin von August Wilhelm (verstorben 1731), als man zur Braunschweiger Sommermesse fuhr, gab es Streit um die gemeinsame Küchenbenutzung. 1736 erhielt das Herzogspaar dort aber den ganzen Südflügel und konnte standesgemäß residieren.
Der Graue Hof, die Braunschweiger Residenz der Herzöge, um 1830. Nach einer Lithografie von W. Pätz. Charlottes Wohnsitz lag mit Unterbrechungen von 1736 bis 1755 im äußeren Südflügel (rechts), und von da ab bis 1780 im äußeren Nordflügel (links).
Charlotte behielt ihre Frohnatur. Damit überstand sie Vieles, wie den Kindstod von drei ihrer 13 Kinder und das frühe Ableben vor dem 35. Lebensjahr von weiteren vier Kindern. Die Flucht aus Braunschweig 1757/58 und 1761 vor den Franzosen, die Mätressen Carls I. und sein Tod 1780 belasteten schwer. Trost boten die zahlreichen Briefe, die sie mit ihren Geschwistern austauschte und die Nähe zu den alten und neuen Verwandten.
Sie hatte auch großes Interesse an der deutschen Literatur und holte 1770 G. E. Lessing als Bibliothekar nach Wolfenbüttel. Nach 1780 hatte sie sich zurückgezogen und lebte schließlich in Schloss Antoinettenruhe am Nordrand Wolfenbüttels, wo sie noch 21 Jahre einer kleinen Hofhaltung vorstand (der Hof war 1755/56 nach Braunschweig verzogen). Am 16. Februar 1801 verstarb sie. Im Schlossmuseum Braunschweig gibt es von J. G. Pickhardt ein großes Porträt dieser Herzogin.
Objekt des Monats, Folge 13: Der mit Tulpen verzierte Schrank der letzten Äbtissin von Gandersheim.
Frühlingsduft liegt in der Luft! Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen kündigt sich der Frühling an und lässt die Natur zu neuem Leben erwachen. Zu den schönsten Frühlingsboten gehören Tulpen. Seit alters her gelten Tulpen als Symbol für neues Leben, Liebe und Hoffnung. Nicht nur in Vasen, auf dem Balkon, Parkanlagen oder auf ganzen Feldern finden sich die Frühlingsboten, sondern ganzjährig auch auf Kunstobjekten vergangener Zeiten.
Vielleicht nicht gleich auf den ersten, jedoch spätestens auf den zweiten Blick offenbart sich das Tulpenmotiv: Ein Strauß aus drei prächtigen Tulpen ziert beide Seiten eines Schrankes, der einst im Besitz von Auguste Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel war (Abb. 1 und 2). Die jüngste Tochter des Braunschweiger Herzogs Carls. I. und dessen Gemahlin Philippine Charlotte von Preußen war von 1778 bis zu ihrem Tod im Jahr 1810 die letzte Äbtissin des Reichsstifts in Gandersheim, das danach aufgelöst wurde.
Aus dieser Zeit stammt auch der etwa ein Meter hohe Schrank aus dem Frühklassizismus, der mit verschnörkelten Elementen des Rokoko dekoriert ist. Neben dem mit Blattornamenten versehenen, bekrönten Monogramm Auguste Dorotheas, das unter einem Baldachin zu sehen ist, gehören dazu auch die aus gefärbtem Holz gestalteten Tulpensträuße. Diese zieren – ebenso wie weitere florale Motive – als kunstvolle Einlegearbeiten, sogenannte Marketerien, den Korpus des Schrankes. Marketerien waren ein zentrales Gestaltungsmerkmal des Rokoko. Sie konnten aus verschiedenen Hölzern, Perlmutt oder Elfenbein bestehen. Bei dieser Technik wurden mit einer hohen Präzision die jeweiligen Motive in die Holzoberfläche eingearbeitet und zusammengesetzt, wodurch eine fast malerische Wirkung geschaffen wurde. Die Tulpe passte mit ihren geschwungenen Blütenformen als dekoratives Element nahezu perfekt zur verspielten Ästhetik des Rokoko. Über der abschließbaren Tür des Schrankes befindet sich eine Schublade, die mit zwei Messinggriffen in Form von Blättern versehen ist.
Bei den Tulpen, die hier mit einer Schleife als Strauß zusammengebunden sind, handelt es sich um die Sorte Semper Augustus, was so viel wie „immer erhaben“ bedeutet. Die mittlerweile ausgestorbene Tulpensorte galt als eine der bekanntesten und kostspieligsten Blumen, die sich ausgehend von den Niederlanden seit dem 17. Jahrhundert vor allem in wohlhabenden Kreisen als Statusobjekt großer Beliebtheit erfreute. Sie war jedoch nicht nur ein Symbol für Luxus, Eleganz und Reichtum, sondern auch für Vergänglichkeit. Ihre kurze jährliche Blütezeit erinnerte an die Endlichkeit des Lebens und weltlichen Reichtums. Diese Bedeutung war besonders in der barocken Vanitas-Malerei verbreitet, die die Vergänglichkeit des Lebens thematisierte. Aber auch im Rokoko setzte sie sich weiter fort, oft jedoch in einer spielerischeren Weise, wie auch hier zu sehen.
Das Motiv der Semper Augustus erinnert zudem an eine der ersten Spekulationsblasen der europäischen Geschichte: die sogenannte „Tulpenmanie“ in den Niederlanden. Denn die heute bei uns verbreitete Zierpflanze kam erst im Zuge der immer weiter ausgreifenden europäischen Handelsnetze Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Osmanischen Reich nach Europa. Die Zucht von immer komplexer gemusterten Sorten wurde besonders in den Niederlanden betrieben.
Eine zeitgenössische Darstellung der Tulpenart „Semper Augustus“, vor 1640. Bild: Wikimedia Commons (gemeinfrei).
Dort entwickelte sich im Laufe des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts auch ein reger Markt für Tulpenzwiebeln mit teils hohen Preisen: So ist für die seltene Semper Augustus für das Jahr 1623 pro Zwiebel ein Preis von 1.000 Gulden erzielt worden. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen lag bei etwa 150 Gulden. Nach einem rasanten Preisanstieg besonders Anfang 1637 fanden sich Anfang Februar bei einer Versteigerung in Haarlem aber wider Erwarten keine Käufer mehr, die die aufgerufenen Preise zahlen wollten oder konnten. Innerhalb weniger Tage brach dadurch der gesamte Tulpenmarkt in den Niederlanden zusammen, und der Wert besonders hoch geschätzter Tulpensorten fiel um bis zu 95 Prozent.
Die Historikerin Anne Goldgar hat sich intensiv mit der Krise beschäftigt und gezeigt, dass der Handel mit Tulpenzwiebeln vor allem ein Phänomen gehobener Schichten und damit einer Minderheit war, und sich der wirtschaftliche Schaden des Zusammenbruchs in Grenzen hielt. Dennoch wurde das Geschehen schnell in Satire und bildender Kunst verarbeitet und oft im Rahmen moralischer Kritik an zügelloser Gier als Paradebeispiel angeführt. Die hübschen Frühlingsboten trugen als Motiv also sowohl einen Hauch der Exklusivität als auch eine Warnung mit sich.
Der Schrank aus der Sammlung der Richard Borek Stiftung kann bis zum 31. August 2025 in der Sonderausstellung „ResidenzWechsel“ im Weißen Saal des Schlossmuseums Braunschweig betrachtet werden.
Die aktuelle Sonderausstellung „People and Pianos“ im Städtischen Museum Braunschweig, kuratiert durch Frau Dr. Antje Becker, zeigt noch bis Ende April 2025 die Geschichte der beiden berühmten Klavierbaufirmen Steinway & Sons und Grotrian-Steinweg. Doch schon vor diesen beiden bekannten Firmen waren Braunschweiger Klaviere in aller Welt zu finden. Peter Karsten, Experte für historische Musikinstrumente aus dem Braunschweigischen, erzählt in seinem Beitrag ihre weitgehend unbekannte Geschichte.
Klavierbauer siedelten sich schon früh in der Region des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel und dem späterem Herzogtum Braunschweig an.
Von ihnen gingen wegweisende Innovationen aus. Im 18. Jahrhundert wurden in Braunschweig hergestellte Klaviere bis nach Finnland, Russland und Indonesien exportiert – über einhundert Jahre, bevor Steinway & Sons mit herausragendem Qualitätsverständnis als Ikone im Olymp der Klavierbauer in Amerika bekannt wurde.
Mit Blick auf möglichst große Kundennähe – in der Regel die Höfe und vermögenden Schichten der Zeit – siedelten sich die Klavierbauer stets in den regionalen Zentren an. Ein Beispiel dafür ist der Autodidakt Barthold Fritze.
Fritze, 1697 als Sohn eines Müllers in Holle geboren, erhielt 1720 in Braunschweig das Bürgerrecht. Zunächst bezeichnete er sich selbst als „Mechanikus“. Sein erster Kunde für ein von ihm neu gebautes kleines Clavichord war 1721 Organist Hurlebusch, welcher 1722 als Hofkapellmeister an den königlichen Hof von Stockholm, dann Bayreuth, Braunschweig und Hamburg ging und schließlich als Organist in Amsterdam wirkte.
Fritze hat bis 1765 allein etwa 460 Instrumente gebaut, davon etwa 70% die kostengünstigeren gebundenen Clavichorde (bei denen sich benachbarte Töne eine Saite teilen) und etwa 30% ungebundene Clavichorde. Etwa 20% davon verkaufte er an adelige Kunden und 80% an Berufsmusiker, gehobenes Bürgertum wie auch die Professoren der neu gegründeten Collegio Carolinum.
Seine Instrumente waren sehr begehrt – er führte eine Bestellliste und Kunden mussten sich bis zu einem Jahr Lieferzeit gedulden. In seiner Referenzliste finden sich berühmte Kunden, zum Beispiel der Komponist Carl Heinrich Graun, der zu dieser Zeit als Kapellmeister in Berlin am Hof Friedrichs des Großen wirkte. Etwa 10% seiner Instrumente nahmen Händler wie Kaufmann Gräfe aus Hamburg in Kommission und lieferten bis London, Gibraltar, Norwegen und Archangelsk (Russland).
1755 brachte Fritze bei Breitkopf und Härtel in Leipzig eine Stimmanleitung heraus, in deren Vorwort er stolz betont, dass Carl Phillip Emanuel Bach bei einem Besuch in Braunschweig seine Stimmmethode persönlich für gut befunden habe. Auch stimmte er die Instrumente des Braunschweiger Herzogs. Seit 1755 bezeichnet er sich nun auch als „Clavier-Instrumentenmacher“. Da er keine Nachkommen hatte, verfügte er sein Haus am Marstall 12 für wohltätige Zwecke – das „Fritzesche Vermächtnis“. Vier Clavichorde sind von ihm bis heute in Museen erhalten, u.a. ein prachtvolles Exemplar im Städtischen Museum in Braunschweig.
Ein weiterer bedeutender Klavierbauer der Zeit war Georg Wilhelm Lemme. Eigentlich war er Organist an der Fürstlichen Schlosskirche und der Magnikirche. Er fertigte darüber hinaus aber auch Clavichorde an und bildete seinen 1746 in Braunschweig geborenen Sohn Carl Lemme sowohl im Orgelspiel als auch im Instrumentenbau aus. Beide bauten bis 1815 etwa 800 Instrumente, darunter Clavichorde, Tafelklaviere und Hammerflügel nach dem Vorbild von Johann Andreas Stein aus Augsburg.
Die Instrumente wurden bis Indonesien und Russland exportiert. Darüber hinaus reparierten, handelten und vermieteten sie auch Instrumente anderer Erbauer, vornehmlich englischer Herkunft, welche auf Grund der Verflechtung der welfischen Königshäuser mit England in der Region einen bedeutenden Marktanteil hatten.
Werkstatt und Verkaufsraum befanden sich am Bohlweg, direkt gegenüber dem Schloss. Vater und Sohn Lemme haben sich darüber hinaus mit eigenen Erfindungen einen Namen gemacht, darunter einer geraden Tastenführung und ovalrunden Korpussen bei Clavichorden, welche für eine leichtere Spielbarkeit und einen schönen und starken Ton gelobt wurden, sowie den gepressten Resonanzboden, bei dem zwei Böden winkelversetzt so miteinander verleimt wurden, dass eine Rissbildung beim Transport und späterer Nutzung unter starker klimatischer Beanspruchung verhindert werden konnte.
Auch Lemme lieferte an den Braunschweiger Hof. Um Nachahmer und Fälscher abzuschrecken, kennzeichnete er seine Instrumente mit Genehmigung seines Herzogs ab 1786 mit dem Braunschweiger Wappen.
Sein Sohn, auch Carl Lemme benannt, wanderte 1799 nach Paris aus und baute dort bis 1832 als Charles Lemme weiterhin Tafelklaviere.
1814 beendete Carl Lemme seine Tätigkeit in Braunschweig und verkaufte die in seiner Werkstatt lagernden Holzvorräte, z.B. Resonanzbodenholz aus Böhmen.
Von Carl Lemme sind drei Clavichorde und zwei Hammerflügel erhalten. Ein bis heute spielbarer Hammerflügel befindet sich in Braunschweig.
Neben Barthold Fritze und Georg Wilhelm Lemme gab es zahlreiche weitere Klavierbauer, die in der erweiterten Region um Braunschweig aktiv waren. Mit Rücksicht auf die Begrenzung des Umfangs dieses Beitrages muss ich mich auf deren Nennung, Wirkungszeit und Adresse beschränken:
1721 – 1765: Barthold Fritze (Marstall 12)
1741 – 1809: Johann Bernhard Katterfeld (Friesenstraße)
1750 – 1766: Georg Wilhelm Lemme
1765 – 1815: Carl Lemme (Bohlweg assec. 2038)
1770 – 1826: Krämer / Gebrüder Krämer (Göttingen)
1795 – heute: Rithmüller und Söhne (Göttingen) bis heute aktiv, jedoch nur Weiterverwendung des Markennamens
1799 – 1832: Charles Lemme (Rue d Orleans 7 in Paris)
1835 – heute: Theodor Steinweg (Seesen – Wolfenbüttel – Braumschweig – Steinway & Sons. New York und Hamburg) die Linie kann insofern als durchgehend angesehen werden, da die Nummerierung der Instrumente fortlaufend erfolgte
1837 – 1962: Zeitter & Winkelmann (ab 1963 zu Seiler in Kitzingen gehörig)
1848 – 1890: Wilhelm Wehage (Breite Str. 9)
1855 – ?: H. Beese & H. Bremer (Wilhelmstr. ass.1511)
1857 – 1893: Günther Wechsung (Fallersleber Str. 40)
1865 – heute: Th. Steinweg Nachf. / Grotrian, Helfferich, Schulz, Th. Steinweg Nachf. / Grotrian-Steinweg (Bohlweg 48 und weitere) mit gemeinsamen Wurzeln aus 1835 Theodor Steinweg (siehe oben) – (2015 zu Parsons Music Group, Fortführung aktuell unsicher)
1882 – 1893: Klusmann & Wenzel (Schöppenstedter Str. 40)
1885 – heute: Schimmel in Leipzig gegründet, ab 1929 in Braumnschweig (2016 zu Pearl River Piano Group)
1888 – 1891: Carl Dünkel (Friedrich-Wilhelm-Str. 27)
1896 – 1912: Max Noack (Brabantstr. 7)
1902 – 1940: Fritz Ohm (Wilhelmstr. 88)
1904 – 1948: Gustav Lutze (Bohlweg 6-7)
1929 – heute: Schimmel aktuell als einzige aktiv produzierende Klaviermarke in Braunschweig
Für alle, die die historischen Musikinstrumente gerne in Aktion hören möchten, finden im Laufe des März 2025 verschiedene Konzerte statt:
16.3.25: Eröffnungskonzert der Reihe „300 Jahre Hammerflügel“ im Prinzenpalais Wolfenbüttel (Kulturinitiative TonArt), Konzert auf originalem Hammerflügel von Carl Lemme, Braunschweig 1796.
30.3.25: Konzert „Zwischentöne“ im Schlossmuseum Braunschweig auf einem originalen Clavichord aus ca. 1750.
23.8.25: Konzert „Hör mal“ in der Orangerie der Herrenhäuser Gärten in Hannover auf einem originalen Spinett von Johannes Player London 1690, dem Hammerflügel von Carl Lemme, Braunschweig 1796 und einem modernen Konzertflügel – eine „Zeitreise“.
Peter Karsten sammelt, restauriert und beforscht historische Musikinstrumente vorzugsweise regionaler Herkunft hinsichtlich ihrer Provenienzen und technischen Entwicklungen und versucht dabei stets auch eine Einordnung in den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext.
Mit der erneuten Verleihung des Gütesiegels des Museumsverbands Niedersachsen und Bremen e.V. nach 2017 wird die Weiterentwicklung des Konzepts gewürdigt.
Die Messlatte war nochmals höher gelegt worden für das Gütesiegel des Museumsverbands Niedersachsen und Bremen e.V. Den schwierig zu erfüllenden Anforderungen hat das Schlossmuseum Braunschweig erneut entsprochen. Museumsleiterin Helga Berendsen nahm die Auszeichnung am Montag, 10. März, in der Aula Academica der TU Clausthal aus den Händen von Professor Joachim Schachtner, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Dr. Johannes Janssen, Stiftungsdirektor der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, und Professor Rolf Wiese, Vorsitzender des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen, entgegen.
Das Museumsgütesiegel zeichnet besonders qualitätsvolle Museumsarbeit aus. Zertifizierte Museen erfüllen die festgeschriebenen Standards in vorbildlicher Weise. Das einjährige Zertifizierungsverfahren ermöglicht hauptamtlich und ehrenamtlich geführten Museen jeder Größe und Sparte, die Stärken und Schwächen ihrer Arbeit mithilfe eines Selbstchecks zu analysieren und sich durch Qualifizierung zu verbessern. Nach Ablauf von sieben Jahren Gültigkeit können sich Museen, wie es das Schlossmuseum jetzt erfolgreich getan hat, erneut bewerben und rezertifizieren lassen.
„Ich freue mich sehr über die Auszeichnung. Die Teilnahme war für uns alle sehr motivierend. Unser Team ist seit der ersten Verleihung im Jahr 2017 komplett neu zusammengesetzt. Deswegen war die Bewerbung eine große Herausforderung und auch ein sehr sinnvolles Verfahren für die Qualitätssicherung und um uns neu zu verorten. Wir haben unser eigenes Profil geschärft“, sagt Helga Berendsen. Neben den Hauptthemen Leitbild und Museumskonzept mit den Unterkategorien Bildung, Vermittlung, Marketing, Sammlung und Sammlungspflege war diesmal auch ein Vertiefungsthema gefragt. Das Schlossmuseum Braunschweig entschied sich für „Partizipation“. Ein thematischer Schwerpunkt während der Rezertifizierung soll, so der Verband, die individuelle Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit der Museen stärken.
Sichtlich stolz: Helga Berendsen präsentiert das neue Museumsgütesiegel zusammen mit Maria-Rosa Berghahn (SBK) und Prof. Dr. Anja Hesse (Stadt Braunschweig). Foto: Der Löwe
Das Konzept der Partizipation hat Helga Berendsen seit ihrem Antritt 2021 bereits konsequent verfolgt. Es beinhaltet kleinere Konzerte, Lesungen und Vorträge, geht über spezielle Führungen für Kinder und junge Familien bis hin zu Kooperationen mit Schulen und anderen Museen. „Durch unsere niederschwelligen Angebote haben wir vielen die Schwellenängste genommen. Das Schlossmuseum hat seinen Platz in Braunschweigs großartiger Museumslandschaft gefunden. Das Interesse an unseren Veranstaltungsformaten ist groß“, sieht sich die Museumsleiterin in ihrem Handeln bestätigt.
Das Schlossmuseum verleiht dem wieder aufgebauten Residenzschloss mit seiner eindrucksvollen und historisch hergerichteten Raumflucht seit 2011 Authentizität. In der Dauerausstellung entführen idealtypisch gestaltete Arbeits- und Wohnräume in die Zeit der Regentschaft von Herzog Wilhelm (1831–1884). Die Enfilade im Nordflügel besteht aus Spiel- und Musikzimmer, Arbeitszimmer, Audienzzimmer und Thronsaal. Die Räume sind nach dem Konzept eines Raumkunstmuseums mit originalen Möbeln, Gemälden und Kunstgegenständen gestaltet.
Neben der Dauerausstellung besticht das Museum durch seine wechselnden Sonderausstellungen. Aktuell ist „ResidenzWechsel“ zu sehen. Behandelt wird darin die Residenzverlegung der Braunschweigischen Herzöge aus Wolfenbüttel zurück in die größte Stadt des Fürstentums. Zuvor waren beispielsweise „Victoria Luise – ein Leben, zwei Welten“, „Revolution. Abdankung. Schloss.“ oder „Wer ist Carl I.? Auf den Spuren des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel“ sehr erfolgreich. Die nächste Sonderausstellung ist bereits in Vorbereitung.
Die Beurteilung der Gesamtqualität eines Hauses erfolgt bei der Vergabe des Museumsgütesiegels durch eine unabhängige Fachjury. Mit dem Schlossmuseum Braunschweig wurden das Focke-Museum Bremen, das Niedersächsische Kleinbahn-Museum Bruchhausen-Vilsen, das Historische Museum Hellental, das Heimatmuseum Leer, das Museum Nienburg / Weser, das Museum am Schölerberg, Osnabrück, das Deutsche Pferdemuseum Verden, das Museum im Marstall Winsen (Luhe), das Küstenmuseum Wilhelmshaven und das Rundlingsmuseum Wendland Lübeln ausgezeichnet.
Mehr unter: www.schlossmuseum-braunschweig.de
Schlossmuseum Braunschweig, Schlossplatz 1, 38100 Braunschweig
Telefon: 0531-470 4876
E-Mail: schlossmuseum@residenzschloss-braunschweig.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr (Montag geschlossen)
Eintritt: 5 Euro (ermäßigt 2 Euro)
Im Städtischen Museum Braunschweig ist eines der letzten Überbleibsel der ursprünglichen Braunschweiger Quadriga zu entdecken. Doch wie landete Brunonias Kopf im Museum? Die Spur führt in die Vergangenheit.
Man wird beobachtet, wenn man als Museumsbesucher durch den Lichthof des Städtischen Museums läuft.
Denn während wir unten die spannenden Sonderausstellungen bestaunen, aktuell gerade „People and Pianos: Steinway & Sons | Grotrian-Steinweg“, blickt von oben fast unbemerkt ein bekanntes Braunschweiger Gesicht auf uns herab: Die Brunonia – oder vielmehr das, was davon übrig ist: ihr Kopf.
Die neue Quadriga mit ihrer Stadtpatronin steht seit dem Jahr 2008 wieder auf dem Braunschweiger Schloss. Wie kommt also ihr Kopf ins Städtische Museum? Um es vorwegzunehmen: Durch eine fürchterliche Tragödie.
Dabei beginnt die Geschichte der Figurengruppe hoffnungsvoll. 1855 stifteten die Braunschweiger Landstände die Statuen Herzog Wilhelm, um sein neues Residenzschloss zu krönen. Der Schöpfer der Quadriga, der bedeutende Bildhauer Ernst Rietschel, schuf die Brunonia als Stadtpatronin nach dem Vorbild antiker Göttinnen, vor allem der Athene. Sinnbildlich sollte sie für eine weise und gerechte Regentschaft des Herzogs stehen.
1863 war es so weit. Nach acht Jahren Arbeit vom ersten Entwurf bis zur Fertigung wurden die Figuren zwischen dem 1. September und dem 14. Oktober auf dem Portikus des Schlosses aufgebaut.
Die Freude darüber währte nur kurz. In der Nacht des 23. Februars 1865, also gerade einmal 15 Monate nach ihrer Aufstellung, brach ein Feuer im neuen Residenzschloss aus. Zwei Drittel des Baus fielen dem Unglück zum Opfer. Die Flammen fraßen sich bis durch das Dach, das zusammenbrach – und die Quadriga 25 Meter mit sich in die Tiefe riss.
Wenige Tage nach dem Unglück malte der Braunschweiger Historienmaler Andreas Christian Ludwig Tacke die abgestürzte Quadriga, vermutlich auf eigene Initiative, und schenkte das Bild dem Städtischen Museum, das erst wenige Jahre zuvor 1861 gegründet worden war. Das Gemälde hängt heute im Städtischen Museum, oben auf der Galerie, nur wenige Meter vom Kopf der Brunonia entfernt.
Die abgestürzte Quadriga nach dem Schlossbrand 1865, Gemälde von Andreas Christian Ludwig Tacke,1865. Foto: Der Löwe
Wie der knapp ein Meter hohe und 63 Zentimeter breite Kopf schließlich aus dem Trümmerhaufen ins Museum kam, weiß Kurator Dr. Andreas Büttner. „Nach dem Brand gab es natürlich die große Frage, was man mit den Resten der Quadriga macht. Der Kopf war das besterhaltene Objekt.“ Die Unterlagen des Museums verraten, dass er zunächst an den Braunschweiger Bildhauer Georg Ferdinand Howaldt übergeben wurde, vermutlich, um kleinere Schäden auszubessern. Howaldt hatte die Figuren als ausführender Bildhauer ursprünglich angefertigt. „Dann gelangte er wieder in den Besitz von Herzog Wilhelm“, erklärt Andreas Büttner. „Er wiederum hat sie dann kurz danach, 1865 bereits, dem Städtischen Museum geschenkt.“
Aber warum steht der Kopf so weit oben und blickt über den Lichthof? Auch dafür gibt es eine Erklärung, die mit dem Neubau des Museumsgebäudes am Löwenwall zu tun hat. Zuvor war die Sammlung im Neustadtrathaus untergebracht. „Als das Museum 1906 gebaut wurde, stand Brunonias Kopf schon hier oben, weil der heutige Lichthof des Museums als ein Ehrenraum der Braunschweiger Geschichte konzipiert wurde, mit Wandmalereien, die die verschiedenen Braunschweiger Stadtteile zeigten.“ erläutert Büttner. Auch die Original-Gipsfiguren wichtiger Braunschweiger Denkmäler standen dort, wie beispielweise der beiden Reiterstandbilder, die heute wieder auf dem Schlossplatz stehen. „Und da gehört natürlich die Stadtpatronin als Hüterin Braunschweigs dazu“, sagt Büttner. So steht sie noch heute im Städtischen Museum und behält die Geschichte ihrer Stadt im Blick.
Im Braunschweig des Jahres 1865 ließ man das Unglück übrigens nicht auf sich sitzen und beauftragte schnell die Anfertigung einer zweiten Quadriga, die Ende 1868 aufgestellt wurde. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stand sie auf dem Schloss, wo sie kaum beschädigt wurde. Erst in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde sie durch Buntmetalldiebe zerstört. Im Zuge der Schlossrekonstruktion entstand dann die heutige, dritte Quadriga.
Wer Lust bekommen hat, die Figurengruppe aus der Nähe zu sehen, kann heute die Plattform besuchen – und dabei, genau wie die Brunonia selbst, einen wunderbaren Ausblick über die Stadt genießen.
Objekt des Monats, Folge 12: Ein begehrter Lauensteiner Glaspokal aus dem 18. Jahrhundert.
Der erste Blick fällt auf die üppige Verzierung auf der Vorderseite des 16 cm kleinen Glaspokals. Dekorelemente im Stil des Rokokos schmücken die Wandung des Kelches, der in seiner Form an eine Tulpe erinnert: In einem mit verschiedenen Blättern und Blüten verzierten Rahmenornament, einer sogenannten Kartusche, ist das nach links springende Welfenross innerhalb einer Wiesenlandschaft eingraviert. Daneben stehen jeweils rechts und links die Worte „freyheit“ und „mit furcht“. Hergestellt wurde der Pokal in der ersten welfischen Glashütte im niedersächsischen Osterwald.
Das Welfenross, auch Sachsenross genannt, zierte als einzelnes Wappensymbol nicht nur Gläser, sondern ist auch auf Keramiken, Siegeln oder Talern zu finden. Kristallgläser dieser Art waren ein unverzichtbarer Bestandteil höfischen Lebens. Sie verfeinerten den Genuss des Weines, indem sie mehrere Sinne gleichzeitig ansprachen: Ein wohlgeformter Schaft appellierte an den Tastsinn, die Farbigkeit des Weines, ob hell oder dunkel, umschmeichelte das Auge, der Gläserklang beim Anstoßen das Ohr. Darstellungen auf der Wandung des Kelches, der sogenannten Kuppa, sorgten häufig für Gesprächsstoff und geistige Anregungen. Neben Wappenmotiven waren unter anderem auch mythologische oder biblische Themen sowie Alltagsszenen gern genutzte Dekorationen. Häufig wurden diese durch eingravierte Inschriften ergänzt, die als Träger von Botschaften und Segenswünschen dienten.
Glas gehört zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit. Seine Grundbestandteile sind – kurzgefasst – Kieselerde in Form von Sand oder Quarz, Soda oder Pottasche und Kalk als Stabilisator. Ausgehend von Italien wurden seit dem Mittelalter in nahezu ganz Europa Glashütten gegründet, in denen die unterschiedlichsten Erzeugnisse produziert wurden. Im Laufe der Zeit entwickelten die meisten Hütten ihre eigenen Schwerpunkte in der Glasherstellung, wodurch einige Glasmacher und -schneider große Berühmtheit erlangten. Hierzu gehörte u.a. auch Johann Heinrich Balthasar Sang, der ab 1747 als Hofglasschneider für den Braunschweiger Herzog Carl I. tätig war.
Eine der bekanntesten Glashütten des 18. Jahrhunderts war die im Jahr 1701 gegründete Osterwalder Glashütte im Weserbergland nahe Hameln, im ehemaligen Amt Lauenstein. Hier wurden neben diversen Trinkgläsern Karaffen, Gelee- und Konfektschalen, Öl- und Essiggläser sowie Leuchter in teils vergoldeter Ausführung produziert. Überregionale Bedeutung erlangte die Hütte durch die Produktion einer exklusiven Glasmasse für besonders feines und klares Kristallglas, weshalb sie in den historischen Quellen auch als „Weiße Feinglashütte“ bezeichnet wird.
Die wichtigste Aufgabe der Lauensteiner Glashütte bestand seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Herstellung von Rokoko-Pokalen, vornehmlich für den englisch-hannoverschen Hof und das Kurfürstentum Hannover. Ein hervorstechendes Merkmal der Pokale sind neben dem hohen, glockenförmigen Fuß die in den Schaft oder in den massiven Kuppaboden eingeschlossenen Luftblasen, die wie durchsichtige Perlen wirken.
Die zwischen 1768 und 1827 in Lauenstein hergestellten Gläser haben unter dem Standfuß eine gravierte Löwenmarke und, wenn sie aus Kristallglas sind, zusätzlich ein „C“. In dieser Zeit war die Hütte im kurfürstlich-hannoverschen Besitz. Da der Pokal keine Marke aufweist, ist davon auszugehen, dass das Glas vor 1768 hergestellt wurde.
Ab 1827 existierte die Hütte unter verschiedenen Unternehmen weiter bis 1887. Im Jahr 1837 wurde die Fabrikation von farblosem Glas aufgegeben und die Produktion auf Flaschen beschränkt. Bis heute zählen Lauensteiner Gläser zu den beliebtesten Glashüttenerzeugnissen des 18. Jahrhunderts und sind in vielen bedeutenden Glassammlungen in ganz Europa vertreten.
Der Pokal aus der Sammlung der Richard Borek Stiftung kann bis zum 31. August 2025 in der Sonderausstellung „ResidenzWechsel“ im Weißen Saal des Schlossmuseums Braunschweig betrachtet werden.
Arbeiten der Gewinner des Foto-Wettbewerbs „KulturLandschaften – Wasser“ werden im Museum für Photographie präsentiert.
Mit der Vernissage der Ausstellung „KulturLandschaften – Wasser“ am 21. Februar im Museum für Photographie Braunschweig endet der von der Braunschweigischen Landschaft im vergangenen Jahr anlässlich des Themenjahres „Wasser“ ausgeschriebene Foto-Wettbewerb. Die Arbeiten der Finalteilnehmer Jette Held (Tanne/Harz), Oscar Lebeck (Leipzig), Kai Löffelbein (Hannover) und Yana Wernicke (Hochheim am Main) werden bis zum 20. April ausgestellt und in die bisherige Sammlung „Kulturlandschaften“ der Braunschweigischen Landschaft aufgenommen. Insgesamt hatten sich mehr als 100 Fotografinnen und Fotografen mit ihren Vorhaben für den Wettbewerb beworben. Der erste Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird im Rahmen der Vernissage vergeben.
Fotos der existierenden Sammlung, die mit dem Thema „Wasser“ in Verbindung stehen, sowie die neuen Bilder der vier Finalteilnehmer des Wettbewerbs „KulturLandschaften – Wasser“ sind für die Wanderausstellung von Ulrike Lahmann, der ehemaligen Leiterin des Museums für Photographie, zusammengestellt worden. Geplant sind weitere Stationen in Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel und Wolfsburg. Nach der Eröffnung wird ein Katalog mit einer Auswahl der vorhandenen Sammlungsbilder und den Neuzugängen veröffentlicht. Die Sammlung ist Eigentum der Braunschweigischen Landschaft und wird im Stadtarchiv der Stadt Braunschweig aufbewahrt.
Mit „KulturLandschaften – Wasser“ knüpft das Museum sowohl an die Präsentation der ersten Ausstellung „KulturLandschaften“ in den 1990er Jahren an als auch an spätere Museumprojekte wie „Das regionale Gedächtnis“ und Ausstellungen, die im Kontext einer fotografischen Dokumentation der braunschweigischen und niedersächsischen Landschaft zu sehen sind. Nach der Eröffnung wird ein Katalog mit einer Auswahl der vorhandenen Sammlungsbilder und den Neuzugängen veröffentlicht. Die Sammlung ist Eigentum der Braunschweigischen Landschaft und wird im Stadtarchiv der Stadt Braunschweig aufbewahrt.
Der Aufbau der Sammlung „KulturLandschaften“ begann Anfang der 1990er Jahre. Auf Anregung der Braunschweigischen Landschaft waren Fotografen eingeladen, Bilder einzureichen, die die Region in ihrer typischen Charakteristik darstellen. Der Schwerpunkt sollte auf außerstädtischen Kulturlandschaften liegen. Den Ausbau der Sammlung übernahmen die Mitarbeiter des Museums für Photographie Braunschweig, in dessen Räumen sie 1991 erstmals gezeigt wurde. Die Arbeiten wichtiger Fotografen aus der Region wie zum Beispiel Uwe Brodmann, Andreas Greiner-Napp, Heinrich Heidersberger, Heinrich Riebesehl, Klaus Wefringhaus und Christa Zeißig zeigen mit ihren dokumentarischen und künstlerischen Fotografien Typisches aus dem Braunschweiger Land.
Zur Jury gehören Natalie Czech (Professur Fotografie, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig), Benjamin Füglister (Künstler und Direktor, „CAP-Preis für zeitgenössische Afrikanische Fotografie“), Barbara Hofmann-Johnson (Museum für Photographie Braunschweig), Bernd Rodrian (Institut Heidersberger Wolfsburg) und Stefanie Sembill (Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund).
Für Oscar Lebeck (*1993) sind Erinnern und Gedenken in Deutschland wesentliche Fundamente des demokratischen Selbstverständnisses. Der Künstler zeigt in seinen Fotografien die spezifischen Möglichkeiten der Kunst auf, historische Ereignisse präsent zu machen. Das Bild des Helmstedter Braunkohlereviers war geprägt von Tagebaugruben, Abraumhalden und Industrieanlagen. Mit dem Aufkommen der Energiewende begann sich die Landschaft im Braunkohlerevier zu verändern. Sie wird zunehmend zum Naherholungsgebiet mit Seen umgestaltet. In seiner Arbeit spielt Lebeck mit Hilfe von Spiegeln mit dem Wasser der Seen und der angrenzenden Umgebung und führt beides neu zusammen.
Jette Held (*1982) interessiert die Chemie der Dinge. Sie hinterlassen Spuren, die zum Bild führen. Diesen Bildern eingeschrieben ist der fotochemische Prozess in Form von Zeit und Reaktion. Ausgehend von ihrem künstlerischen Ansatz hat sie eine Porträtserie der Oker hergestellt. Sie besteht aus Fotogrammen, die sie direkt nachts im Wasser der Oker belichtet hat. Sofort im Anschluss wurden die Fotografien unmittelbar vor Ort im analogen Handabzugsverfahren von ihr entwickelt.
Kai Löffelbeins (*1981) Arbeit spiegelt sein Interesse an der Art und Weise wider, wie politische und wirtschaftliche Strukturen die moderne Gesellschaft prägen. Er arbeitete in verschiedenen Ländern Asiens und Afrikas. Für dieses Projekt hat er eine Erkundung der Uferlandschaften unternommen, um die dynamischen Wechselwirkungen zwischen dem Fluss und seiner Umgebung zu erfassen. Die fotografische Dokumentation umfasst verschiedene Naturszenarien wie Flussauen, Wiesen und bewaldete Ufer. Jedes dieser Elemente bietet einen visuellen Kontext für das Verständnis der ökologischen und kulturellen Aspekte, die den Fluss prägen.
Yana Wernicke (*1990) beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der fotografischen Darstellung von Tieren und der Beziehung zwischen Menschen und Natur und anderen Lebewesen. Für dieses Projekt hat sie sich mit dem Jurameer beschäftigt. Ein Meer, das einmal war und das in der Braunschweigischen Landschaft bis heute markante Spuren hinterlassen hat. An der Grabungsstätte Schandelah gilt ihr besonderes Interesse den Menschen vor Ort, ihren Forschungen und ihrer paläontologischen Arbeit.
2. März (15 Uhr): Waterstories x 2. Führung in den Ausstellungen „Wirklichkeiten des Wassers“ im Herzog Anton Ulrich-Museum und „KulturLandschaften – Wasser“ im Museum für Photographie Braunschweig mit Prof. Dr. Thomas Döring (HAUM) und Ulrike Lahman (Kuratorin der Ausstellung „KulturLandschaften – Wasser“).
6. März (18.30 Uhr): „Alles im Fluss – Fließgewässer und Feststofftransport“. Vortrag mit Prof. Dr. Jochen Aberle (Abteilung Wasserbau und Gewässermorphologie, Leichtweiß-Institut für Wasserbau, Technische Universität Braunschweig) im Herzog Anton Ulrich-Museum.
22. März (11-17 Uhr): Fotoentwicklung ganz natürlich. Workshop mit Patrick Hofmann im Museum für Photographie Braunschweig.
Braunschweigische Landschaft e.V.
Ulrike Lahmann
Kuratorin und Projektleitung (für die Braunschweigische Landschaft e.V.)
Telefon: 0531-240 99 20
E-Mail: info@braunschweigischelandschaft.de
Internetseite: www.braunschweigischelandschaft.de
„Es genügt, ein Mensch zu heißen“ – mit einem Podiumsgespräch wurde die Ausstellung „Der Weiße Faden“ in der Klosterkirche Riddagshausen feierlich eröffnet.
20 Fotografien von 20 Frauen unterschiedlichen Glaubens laden dazu ein, unser Bild vom eigenen Glauben und dem Glauben anderer kritisch zu hinterfragen. Die Ausstellung läuft bis zum 3. April 2025. Im Gespräch mit Prof. Dr. Cord Friedrich Berghahn von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Michael Grisko von der Richard Borek Stiftung verriet Elena Kaufmann, wie es zu dieser Ausstellung kam – und auch, was Lessings „Nathan der Weise“ damit zu tun hat.
Nach einer Begrüßung durch Uta Dieterich von der Kirchengemeinde Riddagshausen, Christopher Kumitz-Brennecke von der Landeskirche Braunschweig sowie Maria-Rosa Berghahn von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gab die Künstlerin einen Einblick darin, wie das Fotoprojekt entstand.
Prägend war für sie die Erfahrung der Fremdheit, als sie 2012 von Sankt Petersburg nach Erfurt zog: sowohl kulturell als auch sprachlich. „Erfurt war nicht Berlin. Ich sprach nur Englisch, aber mit mir wollte kaum jemand Englisch sprechen.“ Als junge Fotografin gelang Elena Kaufmann aber der Kontakt zur jüdischen Gemeinde Erfurt über ihr Fotoprojekt „Ein Jahr mit dem Stern“, bei dem sie das Alltagsleben in der Gemeinde begleitete. Ihre Erfahrung, trotz eines anderen Glaubens mit offenen Armen empfangen worden zu sein, wurde zur Initialzündung für das Projekt „Der Weiße Faden“: Die Frage nach der verbindenden, menschlichen Ebene trotz religiöser und kultureller Unterschiede.
Dabei bildete die Beschäftigung mit Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ ebenfalls eine Quelle der Inspiration. In dem 1779 geschriebenen und 1783 uraufgeführten Stück geht es um Toleranz und einen interreligiösen Dialog anstelle des Beharrens auf der Alleingültigkeit einer Religion. Die enthaltene „Ringparabel“ gehört zu den Schlüsseltexten der europäischen Aufklärung. Wie der Lessing-Experte Prof. Dr. Cord Berghahn betonte, ist die Frage nach dem Verhältnis Mensch-Religion ein zentraler Teil: „Wenn es um die Religion geht, geht es um den Kern des Ganzen: Aus der Religion selbst heraus zu zeigen, dass man ein Mensch sein kann.“
Zwei Jahre lang suchte Elena Kaufmann für ihr Projekt Frauen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse, um sie für ihr Projekt zu gewinnen. Das war nicht immer einfach – nicht nur wegen der Corona-Pandemie. „Manchmal bin ich hinter den Menschen geradezu hergerannt“, erinnert sie sich lachend. Verschlungene und teils ganz zufällige Wege führten sie in einen hinduistischen Tempel in Hannover oder in eine einfache Wohnung im Leipzig. Oft wusste sie nicht, was sie hinter den Türen erwartete. Doch immer gelang es, einen Kommunikationsraum zu eröffnen zwischen den Menschen, in dem gegenseitiger Respekt und die Gemeinsamkeit eine zwischenmenschliche Ebene schaffen. Dieses Anliegen spiegelt sich in ihrer Ausstellung nun auch in der Klosterkirche Riddagshausen wider, die mit den hohen Decken ihrer Seitenschiffe und dem gedämpften Licht einen faszinierenden Rahmen für diese Ausstellung bietet. Inmitten dieses ehrwürdigen Ortes sind die Porträts der Frauen und ihre getrennt davon aufgestellten Glaubensbekenntnisse leise, aber kraftvolle Plädoyers für einen interreligiösen Dialog – besonders in Zeiten, in denen die Spaltung unserer Gesellschaft beängstigende Ausmaße anzunehmen scheint.
Am 20.3., 18 Uhr, gibt es eine weitere Gelegenheit die Künstlerin vor Ort zu erleben: Im Gespräch mit der Leiterin des Museums für Photographie Barbara Hofmann-Johnson und Christoph Borek. Dann kann man mehr über das besondere weiße Gewand der Frauen und die über 40 Bilder erfahren, die es braucht, bis das „richtige“ Porträt sitzt.
Die Eröffnung der Ausstellung, gefördert unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Die Braunschweigische Stiftung und der manyFACES Stiftung, markiert den Anfang des Jubiläumsjahres „750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen“. Mit dem Wahlspruch der Zisterzienser – Die Tür steht offen, und so auch das Herz – lädt die Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode im Jahr 2025 zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Neben einem Video-Konzert der Capella della Torre am 29. März und einer Aufführung der Musik Hildegard von Bingens am 16. August gehört der Festgottesdienst am 15. Juni zu den weiteren Höhepunkten. Mehr Informationen zum Jubiläum stellt die Kirchengemeinde auf ihrer Website bereit.
Das Museum für Photographie in Braunschweig zeigt ein außergewöhnliches Fotoalbum. Wie es half, ein Krankenhaus zu unterstützen.
In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat … lebte in Braunschweig eine Frau, die ihrer Zeit ein bisschen voraus war. Käthe Buchler, geboren 1876, war eine talentierte, ambitionierte und experimentierfreudige Amateurfotografin, die der Stadt Bilder hinterließ, die zu wertvollen Zeitzeugnissen wurden: Ihre Bilder aus den Jahren des Ersten Weltkrieges führen eindringlich vor Augen, wie es im Alltag an der „Heimatfront“ zuging. Sie fotografierte verwundete Soldaten im Lazarett, Frauen in Männerberufen und Kinder im Braunschweiger Rettungshaus, einer Erziehungsanstalt für sozial benachteiligte Jungen und Mädchen.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.11.2024
Das Museum für Photographie in Braunschweig präsentiert in seiner aktuellen Jubiläumsausstellung zum 40-jährigen Bestehen aber auch die verspielte, romantische Seite der gebildeten, wohlhabenden Bürgersfrau: Käthe Buchlers Märchenalbum. Die Sammlung poetischer Inszenierungen vor allem von Märchen der Brüder Grimm entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg. Das Fotoalbum ist datiert auf den 19. November 1909 und in der Ausstellung sorgsam hinter Glas geschützt. Familie, Freunde, Bekannte der Fotografin standen damals Pate für das Märchenpersonal der hessischen Brüder.
So sehen wir ein traurig dreinschauendes, blumenbekränztes Schneewittchen mit wallendem Haar im weißen Kleid, umgeben von einem Zwergen-Trio – allerliebst dargestellt von drei Kindern mit angeklebten Rauschebärten. Unter dem Foto ist vermerkt, wer Schneewittchen darstellt: eine gewisse Elisabeth Hartwig. Für die lächelnde Gänseliesel mit ihren dicken Zöpfen hat Käthe Buchler ihre Tochter Ellen gewinnen können, die die fette Gans unter den Arm geklemmt hat. Wir sehen auch die Mutter der sieben Geißlein, die mit dem Finger droht vor dem bösen Wolf, der sich schon herangepirscht hat und seine Pranke auf eines der kleinen Geißenkinder legt. Alle Darsteller tragen Tiermasken; die Ziegenschar hat auch noch üppige weiße Kragen um die Hälse gelegt bekommen. Ob „Aschenbrödel“ im geschnürten Mieder, „Die sieben Raben“ (junge Frauen mit federbesetzten Häubchen) oder „Rotkäppchen“ mit Wein und Kuchen im Körbchen: Die Fotos sind sorgsam arrangiert und die Modelle liebevollst kostümiert und ausgestattet mit allerlei Requisiten.
„Die Bilder dieses einmaligen Märchenbuchs dienten dazu, Geld zu sammeln für wohltätige Zwecke“, berichtet Museumsleiterin Barbara Hofmann-Johnson. Die Fotografin hatte auf der ersten Buchseite vermerkt: „Aufgenommen für den Bazar zum besten eines Krüppelheim‘s in Braunschweig“. Das Museum vermutet, dass die Spende dem Herzogin Elisabeth Hospital galt, das im Juni 1909 auf Betreiben der namensgebenden Herzogin und des damaligen Stadtrates Max Jüdel als Herzogin-Elisabeth-Heim (Landeskrüppel-, Heil- und Pflegeanstalt) gegründet worden war. Fortschritte in der chirurgischen Orthopädie sollten hier für die Behandlung körperlich benachteiligter Kinder genutzt werden.
In Käthe Buchlers Märchenalbum sind 35 Aufnahmen enthalten, die die Fotografin mit 23 Bildern des professionellen Braunschweiger Fotografen Adolph Sternitzky erweiterte. Er besaß ein eigenes Studio; die Märchenbilder von Käthe Buchler waren im Atelier ihres befreundeten Kollegen Wilhelm Müller entstanden. Das Originalbuch war der Museumssammlung 2019 überlassen worden. Bilder des Albums waren dort 2021 zum ersten Mal zu sehen gewesen: als Abzüge von Vintage-Fotografien aus dem Album sowie Neuabzüge (sogenannten Modern Prints) von digitalisierten Glasplattennegativen. Das Märchenbuch war für die Ausstellung „Double Dialoges“ erstmals digitalisiert und 2024 im Braunschweiger Stadtarchiv restauriert worden.
Nachfahren Käthe Buchlers hatten dem Museum im Jahr 2003 rund 1000 beschichtete Glasplatten, Kontaktabzüge und Abzüge überlassen. Noch in diesem Jahr sollen die letzten 300 Platten digitalisiert werden, um ihre Motive für die Nachwelt zu erhalten.
Käthe Buchler entdeckte ihre Leidenschaft für die Fotografie 1901, nachdem sie von ihrem Mann eine in Braunschweig gefertigte doppeläugige Voigtländer-Kamera geschenkt bekommen hatte. Sie versuchte es erst autodidaktisch, nahm ab 1906 jedoch an Fotografiekursen an der Lette-Schule in Berlin teil. „Dort waren Frauen zugelassen, was sonst zu jener Zeit nicht selbstverständlich war“, betont Museumsleiterin Hofmann-Johnson. Später habe Käthe Buchler ihre Bilder unter anderem in Lichtbildervorträgen gezeigt, die häufig aufklärerische und karitative Ziele verfolgt hätten.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.11.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article407588937/kaethe-buchler-eine-maerchenhafte-braunschweigerin.html
„Nachts im Museum“ kennt jeder – aber nachts in der Bibliothek? Am 4. April 2025 lädt die Universitätsbibliothek Braunschweig zur „Langen Nacht der Bibliotheken“ ein. Unter dem bundesweiten Motto „Wissen. Teilen. Entdecken“ öffnet sie von 18 bis 22 Uhr mit einem abwechslungsreichen Programm für alle Interessierten ihre Türen.
Noch bis zum 3. April ist die Fotoausstellung „Der Weiße Faden“ in der Klosterkirche Riddagshausen zu sehen. Am 20. März setzte eine Gesprächsrunde zur Porträtfotografie einen abschließenden Impuls. Barbara Hofmann-Johnson, Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig, schreibt hier über zentrale Aspekte des Abends.
Ein bedeutendes Hochzeitsservice für zuhause: Begleitend zur Ausstellung „Scherben zum Glück“ im Museum Schloss Fürstenberg bietet ein neuer Katalog eine umfassende Betrachtung des Nymphenburger Hochzeitsservices.
Herzogliches Kalenderblatt, Folge 7: Am 13. März 2025 jährte sich zum 309. Male der Geburtstag von Herzogin Philippine Charlotte. Wer war diese Tochter des bekannten „Soldatenkönigs“, und wie kam sie nach Braunschweig?
Objekt des Monats, Folge 13: Der mit Tulpen verzierte Schrank der letzten Äbtissin von Gandersheim.
Lange vor den bekannten Klavierfirmen Steinway & Sons und Grotrian-Steinweg waren Braunschweiger Klaviere in aller Welt zu finden: Vom Bohlweg bis nach Indonesien, Finnland und Russland. Peter Karsten, Experte für historische Musikinstrumente aus dem Braunschweigischen, erzählt in seinem Beitrag ihre weitgehend unbekannte Geschichte.
Seit Jahren ist die Klosterkirche Riddagshausen wegen seiner Orgelkonzerte ein fester Begriff unter Musikliebhabern. Im Rahmen des Jubiläumsjahres 750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen findet nun am 29. März ein besonderes Konzert statt: Mit dem Auftritt des Ensembles Capella de la Torre verwandelt sich die Klosterkirche in einen Ort der musikalischen Zeitreise.
Mit der erneuten Verleihung des Gütesiegels des Museumsverbands Niedersachsen und Bremen e.V. nach 2017 wird die Weiterentwicklung des Konzepts gewürdigt.
Noch bis zum 3. April ist in der Klosterkirche Riddagshausen die Fotoausstellung „Der Weiße Faden“ der Erfurter Künstlerin Elena Kaufmann zu erleben. Am 20. März um 18.00 Uhr kommen jetzt noch einmal Freunde der Fotografie auf ihre Kosten: beim Podiumsgespräch „Ein Porträt, ist ein Porträt, ist ein Porträt? Dimensionen einer fotografischen Praxis“.
„Timejumps“ machen die Veränderungen des Stadtbilds anhand historischer Fotos und Zeitraffer-Überblendungen ins Hier und Jetzt deutlich. In dieser Folge wirft Kameramann Dirk Troue einen Blick auf die bemerkenswerte Transformation des Alten Braunschweiger Bahnhofs - früher das Tor zur ersten Staatseisenbahnstrecke Deutschlands, heute das Direktionsgebäude der Braunschweigischen Landessparkasse.