Das Erinnern an Fritz Bauer kehrt zurück
Institut Braunschweigische Regionalgeschichte bietet Führungen durch die Ausstellung über den legendären Generalstaatsanwalt, der im Remer-Prozess die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 als Widerstandskämpfer gegen das Hitler-Deutschland legitimierte.
Mit „Der Prozess um den 20. Juli 1944 – Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer und die Befreiung vom Stigma des Landesverrats“ kehrt eine überaus erfolgreiche Wanderausstellung noch einmal an ihren Ursprungsort Braunschweig, ins Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU (IBR) zurück. Das Projekt wird nach den Stationen Hamburg, Karlsruhe, Berlin, Düsseldorf, Stade, Schleswig, Oldenburg und Bremen beendet. Bislang haben 50.000 Besucher die Ausstellung gesehen. Sie läuft noch bis in den Herbst hinein in den Räumen des IBR, Fallersleber-Tor-Wall 23, und wird begleitet von einem Schlussprogramm.
Drei Aspekte stehen im Mittelpunkt der Ausstellung: die Person des Braunschweiger Generalstaatsanwalts Dr. Fritz Bauer (1903 – 1968), das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 und die Legitimierung des Widerstands gegen den NS-Unrechtsstaat im Braunschweiger Prozess 1952. Dargestellt wird das an verschiedenen Stationen unter anderem mit originalen Ton- und Filmaufnahmen. Empfehlenswert sind die Führungen am 9., 16., 23., und 30. August sowie am 6., 13., 20, und 27. September. Das Ausstellungsprojekt wurde von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gefördert.
Bauer wurde in den 1960er Jahren als hessischer Generalstaatsanwalt weltweit durch die Frankfurter Auschwitzprozesse und durch seine Mithilfe bei der Verhaftung Adolf Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst berühmt. Mehrere Filme sind ihm gewidmet worden, zuletzt der Kinoerfolg „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Der Remer-Prozess spielt darin aber trotz seiner bahnbrechenden Bedeutung keine Rolle. Ein Grund mehr, sich für die Bauer-Ausstellung mit Braunschweig-Fokus zu interessieren.
„Die Basis für die von Bauer konstatierte Legitimität des Widerstands bildete die notwendige Qualifizierung des NS-Staates als Unrechtsstaat. Gestützt auf wissenschaftliche Gutachten und Zeugenaussagen hatte Fritz Bauer erfolgreich aus einem einfachen Beleidigungsverfahren eine historisch-politische Lehrstunde gemacht“, erklärte Professor Gerd Biegel, Leiter des IBR, in seinem Bremer Vortrag zur dortigen Ausstellungseröffnung im September 2015 zur dortigen Eröffnung der Ausstellung. „Ein Unrechtsstaat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochverratsfähig“, hatte Bauer in seinem Plädoyer festgestellt.
Anlass des Strafantrags gegen den Alt-Nazi Otto Ernst Remer waren dessen Äußerungen als Chefideologe der rechtsextremistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP). Im niedersächsischen Landtagswahlkampf 1951 hatte er im Braunschweiger Schützenhaus die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 als „Hoch- und Landesverräter“ vor 1000 Zuhörern beleidigt. Remer war als Kommandeur des Berliner Wachbataillons „Großdeutschland“ auf direkte Anweisung Hitlers maßgeblich an der Niederschlagung des Aufstands im Gefolge des Attentatsversuchs beteiligt gewesen.
Den Strafantrag gegen Remer hatte Bundesinnenminister Robert Lehr (1883-1956), aktiver Gegner der Nationalsozialisten, wegen der Verleumdung der Widerstandskämpfer gestellt. Er fühlte sich persönlich beleidigt. Ein Zitat Fritz Bauers dokumentiert die Motivation für den Prozess. „Als ausgerechnet Remer durch die deutschen Lande zog und die Widerstandskämpfer Hoch- und Landesverräter schalt, galt es zuzugreifen, nicht nur um des Andenkens der Männer und Frauen willen, die für die Erhaltung der Menschenrechte in den Tod gegangen waren, sondern vor allem auch um das Widerstandsrecht, das in der deutschen Rechtslehre und Praxis völlig verkümmert und in das Raritätenkabinett der Rechtsgeschichte verbannt war, erneut zu sanktionieren“, sagte Bauer später (1955).
Der in Stuttgart geborene Bauer war während der Nazi-Herrschaft mehrfach in Haft, emigrierte zunächst nach Dänemark, später nach Schweden. Dort gründete er unter anderem gemeinsam mit Willy Brandt die Zeitschrift „Sozialdemokratische Tribüne“. Er nahm nach Kriegsende Kontakt zur SPD auf und suchte zu aktuellen politischen Themen den engen Austausch mit Kurt Schumacher, seinerzeit herausragender Parteivorsitzender der SPD. Erst 1949 kehrte Bauer nach Deutschland zurück. Bereits am 12. April wurde er zum Landgerichtsdirektor in Braunschweig ernannt.
„Der Remer-Prozess gilt heute als eines der wichtigsten juristischen Verfahren mit politischem Hintergrund in der Geschichte der frühen Bundesrepublik. Er wurde zum Meilenstein im Kampf um die Würdigung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“, sagt Professor Gerd Biegel, Leiter des IBR. Der Prozess kennzeichne einen Paradigmenwechsel in der deutschen Erinnerungskultur der jungen Bundesrepublik. Im Schlussprogramm soll auch über die Erfahrungen mit der Ausstellung berichtet werden.
Kontakt:
Telefon: 0531-1219674
Öffnungszeiten:
Mointag – Freitag, 10 – 16 Uhr, Eintritt frei