Der i-Punkt auf eine gelungene Sanierung
Die Stuckdecke in der Villa Westermann stellt eine Besonderheit von überregionaler Bedeutung dar.
Die Villa Westermann (Löwenwall 6) ist in den vergangenen fünf Jahren Schritt für Schritt von Grund auf saniert worden. Herausragend war dabei eine aus 45 Kassettenfeldern bestehende Stuckdecke. Sie war viele Jahrzehnte lang hinter einer Unterdecke verborgen. Nach ihrer Entdeckung wurde sie in aufwändiger Kleinarbeit denkmalgerecht restauriert. Die Stuckdecke stellt eine Besonderheit von überregionaler Bedeutung dar. Ihre Sanierung war Bestandteil der Förderungen, die die Stadt gemeinsam mit der Richard Borek Stiftung seit 2002 privaten und kirchlichen Projekten der Denkmalpflege gewährt. Vorgestellt wird sie im aktuellen Bericht „Denkmalförderung 2020/21. Zuschüsse zur Pflege des baulichen Kulturgutes“, der in Kürze online einzusehen sein wird. „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ wird entsprechend berichten. Vorab sprachen wir mit Restauratorin Carla Leupold-Belter und Michael Wischnewski vom Bauherrn Stefan Gmyrek Holding GmbH.
Herr Wischnewski, wie haben Sie die Stuckdecke überhaupt entdeckt?
Es war Zufall. Als wir das erste Obergeschoss in Angriff genommen haben, um es wieder so herzurichten, dass es dem äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes entspricht, haben wir eine Trennwand entfernt. Dabei haben wir gesehen, dass da noch irgendwas hinter der abgehängten Decke verborgen sein muss, und ein kleines Feld geöffnet. Als ein Stück der wunderbaren Stuckdecke sichtbar wurde, war uns klar, dass es sich um einen Schatz handelt, der erhalten werden muss. Deswegen haben wir Frau Leupold-Belter zurate gezogen. Sie hat sich dann Millimeter für Millimeter in mikroskopischer Kleinarbeit vorgearbeitet. Ein erster Versuch, die Decke mit Trockeneis zu säubern, war fehlgeschlagen, weil so die Farbe mit heruntergekommen wäre.
Frau Leupold-Belter, was haben Sie vorgefunden?
Eine stark profilierte Stuckdecke mit Kassetten, die in ihrer Art mindestens in Braunschweig einmalig ist und in Norddeutschland vielleicht noch in Hamburg vorkommt. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf von dem Architekten Constantin Uhde selbst stammt. Die Art der Gestaltung lässt auf die zweite Bauphase des Gebäudes Ende des 19. Jahrhunderts schließen. Uhde hatte die 1868 erbaute Villa 1880 aufgestockt und im Stil italienischer Renaissance-Palazzi überformt. Dabei entstand der Raum mit der Stuckdecke im Obergeschoss. Eine Kassettendecke in der Art wie diese ist beispielsweise im Palazzo Vecchio in Florenz zu sehen.
In welchem Zustand war die Decke?
Der Zustand war erstaunlich gut. Wir haben anfangs nur an einem Teilfeld die Bestandsaufnahme vorgenommen, um zu sehen, wie viele Anstriche sich auf dem Stuck befinden. Es waren drei. Zwei polychrome und ein monochromer. Mit dem Skalpell und drei unterschiedlichen Lösungen bin ich auf die erste Farbfassung gestoßen. Die Fassung ist sehr aufwändig in Grün-, Braun-, Rot- und Blautönen mit schablonierten Friesen und floralen Ornamenten gestaltet. Die zweite Fassung war weiß, mit Vergoldung. Da war die Frage, ob sie nicht auch denkmalpflegerischen Wert hat. Deshalb finde ich die umgesetzte Lösung eine sehr, sehr gute. Es gibt jetzt drei Referenzflächen der ersten Fassung und der Rest ist vereinfacht neu gefasst.
Wie beurteilen Sie das Resultat, Herr Wischnewski?
Es ist der i-Punkt auf eine mehrjährige Arbeit. Das Gebäude wurde 2019 mit dem Ziel erworben, die Villa wieder im Sinne der Denkmalpflege zu sanieren. Vieles von dem, was die Villa ausmacht, war anfangs nicht zu erkennen, wie etwa die Holzfußböden, auf denen meistens Teppichboden lag, oder die Holzvertäfelungen, die wir sandstrahlen mussten, um die untypische hochglänzende Oberfläche abzutragen und eine matte zu erhalten. Die Sanierung der Stuckdecke war auch deswegen so schwierig, weil Setzungsrisse des Gebäudes Schäden daran mitverursacht hatten. Wir sind sehr froh, dass wir sie retten und für die Nachwelt erhalten konnten. Sie ist jetzt wieder ein Schmuckstück und schon für sich ein Denkmal für herausragende Baukunst.
Fakten:
Constantin Uhde (1836–1905) war freier Architekt, Hochschullehrer und Publizist in Braunschweig. Er stand in der Zeit des Historismus für die Verbindung historischen Bauens mit den neuen Bauweisen seiner Zeit. Uhde plante sowohl technische Projekte der Eisenbahn, Fabriken, Brücken als auch öffentliche Bauten und zahlreiche Wohnbauprojekte, einschließlich großzügiger Villen. Bekannteste Werke von ihm sind das Altgebäude der TU, die Okerbrücke Pockelsstraße, die ehemalige Synagoge, das Bankhaus Löbbecke, zahlreiche Villen wie zum Beispiel Rimpau und Löbbecke in Braunschweig und nicht zuletzt die Villa Seeliger in Wolfenbüttel.
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