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Der verschwundene Tempel

Blick vom Rundtempel über den Spielmannsteich hinweg auf das Schloss Richmond. Archivfoto: Peter Sierigk
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Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 32.: Der Richmond-Park und seine Sichtachse zur Oker.

Der Rundtempel am Spielmannsteich in der Sichtachse vom Schloss Richmond, so möchte man meinen, steht schon eine Ewigkeit an dieser Stelle. Doch das ist weit gefehlt. Denn er wurde an dieser Stelle erst im Jahr 2000 aufgebaut. Wie es dazu kam, erzählen wir  in unserer 31. Folge unserer Serie Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten.

Ursprung dieser Geschichte ist die Hochzeit von Antoinette Amalie mit Herzog Ferdinand Albrecht II. von Braunschweig-Bevern am 15. Oktober 1712 in Braunschweig. Dadurch wurde sie Herzogin von Braunschweig-Lüneburg sowie Fürstin von Braunschweig-Wolfenbüttel. Ihre Ehe verlief glücklich. Das Paar hatte acht Söhne und sechs Töchter. Nach dem Tod ihres Mannes lebte die Herzogin in Schloss Antoinettenruh bei Wolfenbüttel, das von ihrem Vater als Sommersitz errichtet worden war. Das Schloss befand sich am südwestlichen Rand des Lechlumer Holzes, diente auch noch Philippine Charlotte als Witwensitz und wurde schließlich 1832 abgerissen.

Im Park des Sommerschlosses stand aber ein kleiner Tempel, der eigentlich als Grabtempel für Herzogin Philippine Charlotte dienen sollte. Doch entgegen ihrem Wunsch wurde die Herzogin 1801 nicht im Schlosspark, sondern im Dom beigesetzt. Der Rundtempel wurde 1842 dann vom Lechlumer Holz zum Zuckerberg versetzt.

Dieser erste Tempel war von den Architekten von Gebhardi und Langwagen entworfen worden. Er wurde auf Wunsch von Herzog Wilhelm auf die höchste Stelle des Zuckerberges versetzt, nämlich auf die Charlottenhöhe, die damals Teil des seinerzeit viel größeren Richmond-Parks war. Der Pavillon war ein achtsäuliger Monopteros nach römisch-dorischem Vorbild.

Der Richmond-Park war bereits 1768 von der englischen Prinzessin und späteren Braunschweiger Herzogin Augusta Friederike Louise (1737 – 1813), einer Schwester des englischen Königs Georg III., nach Plänen von Lancelot Capability Brown, dem damals und auch heute noch bekanntesten Gartenarchitekten Englands, angelegt worden. Mit dem zeitgleich entstandenen Wörlitzer Park bei Dessau zählt der Richmond-Park zu den frühesten Landschaftsgärten in Norddeutschland. Augusta war die Ehefrau von Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, der Schloss Richmond eigens für sie hatte bauen lassen.

Das Gelände um die Charlottenhöhe ging jedoch wieder in Privatbesitz über, so dass  Herzog Wilhelm den Rundtempel 1875 im Richmond-Park am Westufer des Spielmannsteichs raufstellen ließ. Möglicherweise gab es an dem neuen Standplatz bereits einen Vorgängerbau, der ersetzt werden musste. Der Blick hinüber zur Oker und dem Tempel ergibt noch heute die Sichtachse durch den Gartensaal über den grünen Hügel, den „pleasure ground“. Die Verlängerung der Achse ist jener Blick, der schon beim Durchschreiten des schönen Tores mit den Buchstaben „A“ für Prinzessin Augusta hat, und den man beim Vorfahren mit einer Kutsche in dem Augenblick genießen konnte, in dem die Kutsche vor der Steintreppe hielt und der Schlag geöffnet wurde.

Doch dieser Tempel hatte ein seltsames Schicksal. Im Jahre 1937 wurde vieles rund um das Schloss Richmond verändert, es entstand der Bau der „Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend“, in dem heute das Braunschweig-Kolleg untergebracht ist. Im Zuge der Gartenumgestaltung wurde auch der Tempel abgetragen, seine Reste sind verschwunden und kamen möglicherweise damals in Privathand. Es gab Gerüchte, dass der Tempel irgendwo in der Heide aufgestellt wurde, andere behaupteten, dass man die Steine vergraben hatte – wie später die vom Abriss des Residenzschlosses am Bohlweg.

Im Jahr 2000 kam jedoch ein „neuer“ Rundtempel an den Platz des Vorgängerbaus. Aus dem Park des ebenfalls abgerissenen Salzdahlumer Schlosses gelangte der dortige Rundtempel in die Gegend von Gifhorn. Von dort aus erhielt er seinen neuen Platz dank einer Spende aus dem Landkreis und der Unterstützung Braunschweiger Handwerker im Richmond-Park als Abschluss der alten Sichtachse.

Der Richmond-Park war 1987 mit Unterstützung der Richard Borek Stiftung restauriert worden. Dabei wurden viele der alten Sichtachsen wieder erkennbar gemacht. Die Gartenfläche vermittelt wieder einen Eindruck des von Parks  aus dem 18. Jahrhundert.

Fotos

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