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Der Weg in die Moderne

Herzog Wilhelm leitete wesentliche Reformen ein. Repro IBR
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275 Jahre Technische Universität Carolo-Wilhelmina, Folge 5: Nach 1814 kamen neben den Adligen immer mehr Kinder aus dem aufstrebenden Bürgertum zum Studieren.

Entscheidend verändert haben sich nach dem Ende der Franzosenzeit die sozialen Grundlagen der Studenten des Collegium Carolinum in Braunschweig. Nun war bei der Herkunft vieler Caroliner festzustellen, dass sie weniger aus dem adligen und eher aus dem unteren bürgerlichen Milieu abstammten. Kinder von Handwerkern, Kaufleuten oder Gastwirten erhofften sich zukünftig einen sozialen Aufstieg über die Bildung: „Das Collegium Carolinum ist nach 1814 nicht mehr eine Einrichtung, die neue Kreise in die Welt des Adel, der Höfe einführt, sondern eine Institution, welche den Übergang in die Welt der Akademiker, in die Welt des aufstrebende Bildungsbürgertums vorbereitet. Bei dem bemerkenswerten hohen Anteil der sozial tiefergestellten Kreise hat sicherlich das Stipendienwesen eine große Rolle gespielt.“

Vorbereitung für die Universität

Eine Übersicht über gewählte Fachrichtungen und deren Entwicklung lässt erkennen, dass das Collegium Carolinum überwiegend als Vorbereitung für die Universität genutzt wurde, nicht aber zur qualifizierten Ausbildung für Positionen im Staatsdienst, wie es noch im ersten Vorlesungsverzeichnis bestimmt war: „Das Collegium erhält durch die Güte des Durchlauchtigsten Herzogs einen weiteren Wirkungskreis als zuvor. Es ist zu einer vollständigen Vorbereitung für die Universitäts-Studien, noch mehr aber zu einer vielumfassenden Bildungsanstalt für diejenigen Jünglinge bestimmt, die, ohne die Universität zu besuchen, sich dem Dienste des Staats im Militairstande und in einigen wichtigen Fächern der Civil-Verwaltung, dem Handel, den Künsten, oder einem durch Cultur veredelten Privatleben widmen wollen.“

Es war diese Mittelstellung des Collegiums, also die Möglichkeit der Vorbereitung auf ein Universitätsstudium und auf einen praktischen Beruf, die in den 1820er Jahren verschärft eine Diskussion um eine Reform auslöste. Dem stand jedoch zunächst entgegen, dass Herzog Karl II. noch minderjährig war. Die vormundschaftliche Regierung aus England/Hannover konnte kein Interesse an einer Konkurrenz zur eigenen Universität in Göttingen haben. Kritik kam von den beiden Braunschweiger Gymnasien, die ebenfalls ihre Schüler auf ein Universitätsstudium vorbereiteten und deren Verhältnis zum Carolinum bei dessen Wiedererrichtung nicht geregelt worden war.

Praxisbezogene Schulbildung gefordert

Die Streitigkeiten nahmen beträchtlich zu, als die Anforderungen an die höheren gymnasialen Klassen verschärft wurden und die bisherige Unterrichtsbefreiung für Latein und Griechisch entfiel. Teile der Bevölkerung aber wollten weniger klassische Sprachen, sondern forderten vielmehr eine praxisbezogenere Schulbildung. Zugleich machte es den Mangel an einer Ausbildungsstätte deutlich, die den Bedürfnissen künftiger Kaufleute, Baumeister und Techniker entgegenkam.

1825 gründete August Heinrich Brandes, Lehrer am Carolinum für neuere Sprache, daher ein privates „Realinstitut“, unterstützt von Pastor Friedrich Möhle und Heinrich Friedrich Süpke, später Professor für Handelswissenschaften am Collegium Carolinum. Die Gründer orientierten sich an den zur damaligen Zeit modernsten Polytechnischen Schulen in Paris, Prag und Wien. Das neue Institut fand trotz erheblicher Schulgelder lebhaften Zuspruch. Eine Lösung dieser Konkurrenzsituation zeichnete sich jedoch erst nach 1830 ab, als durch die „Revolution“ bedingt Herzog Wilhelm, der Bruder Karls II., die Regierung übernahm und Raum für grundlegende Reformmaßnahmen schuf.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung an der TU Braunschweig.

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