Der Wollmarkt zählt wieder zu den beeindruckendsten Stadträumen
Braunschweigs Plätze, Folge 16: Entscheidend für die heutige Wertigkeit des Platzes war die originalgetreue Rekonstruktion der Alten Waage im Jahr 1994.
Spätestens seit der Rekonstruktion der Alten Waage 1994 und der ein Jahr später erfolgten Umgestaltung des Platzes vor der St. Andreaskirche zählt der Wollmarkt mit seinem Umfeld wieder zu einem der besonders schönen Orte in Braunschweig. Die Neustadt mit ihrem Zentrum war in der Nacht vom 14. auf 15. Oktober völlig zerstört worden, auch die Alte Waage. „Die Trümmerwüste um St. Andreas gehörte zu den traurigsten Szenerien in der Stadt“, schreibt Bauhistoriker und Stadtteilheimatpfleger Elmar Arnhold in seinem Buch „Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“, das die Basis für diese Löwen-Serie bildet. Aber das ist Geschichte.
Ursprünge im 12. Jahrhundert
Der Wollmarkt hat eine Gesamtlänge von rund 280 Metern und fungierte früher als mittelalterlicher Straßenmarkt. Er besitzt demzufolge einen gänzlich anderen Charakter als Braunschweigs sonstige Plätze. Die Neustadt entstand als drittes Weichbild der Stadt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es wurden bereits erste Steinhäuser und Kemenaten gebaut. Der Großteil der Bebauung war jedoch wie für eine der bedeutendsten Fachwerkstädte Deutschlands nicht anders zu erwarten so typisch und prägend aus Fachwerk. Archäologische Fundamente weisen auf einen Vorgängerbau der Andreaskirche aus dem 12. Jahrhundert hin.
Spannungsvolles Verhältnis
„Wollmarkt und Alte Waage gehören auch nach dem Wiederaufbau zu den beeindruckendsten Stadträumen Braunschweigs. St. Andreas und Alte Waage teilen die unterschiedlich großen Plätze in ein spannungsvolles Verhältnis“, urteilt Elmar Arnhold. Die einheitliche Pflasterung und der künstliche Wasserlauf als verbindendes Element der gesamten Platzanlage (1995) tragen dazu wesentlich bei.
Bereits 1946/47 hatte die Stadt einen Architekturwettbewerb für den zertrümmerten Wollmarkt ausgeschrieben. Es gewann der spätere TU-Professor und Begründer der „Braunschweiger Schule“, Friedrich Wilhelm Kraemer, mit einer „gemäßigt modernen Formensprache“. Die Platzfolge wurde in den 1950er und 1960er Jahren wieder hergestellt. Maßstab und Formen der Vorgängerbebauung wurden teilweise erhalten.
Dank Friedrich Theodor Kohl
Entscheidend für die heutige Wertigkeit des Platzes war zweifellos die originalgetreue Rekonstruktion der Alten Waage unter Leitung der Architekten Justus Herrenberger und Jörn Miehe im Jahr 1994. Für den Wiederaufbau hatte sich vor allem Ehrenbürger Friedrich Theodor Kohl (1922-2014) mit Nachdruck eingesetzt. 1991 wurde nach den originalen Bauplänen mit der Rekonstruktion begonnen. Zum Teil wurden originale Gebäudebestandteile, die katalogisiert und eingelagert waren, verwendet. Für eine möglichst große Authentizität wurden beim Fachwerk wie einst ausschließlich Holzverbindungen, aber keinerlei Nägel oder Schrauben verwendet.
1534 wurde Braunschweigs größter Fachwerkbau mit einer Höhe von 21 Metern als Waag- und Speicherhaus errichtet. Von 1854 bis 1862 wurde das seinerzeit baufällige Gebäude vom Herzoglichen Hofbaurat Friedrich Maria Krahe, einem Sohn des Architekten Peter Joseph Krahe, umfangreich restauriert. Während der Nazi-Diktatur hatte die Hitlerjugend dort ihre Heimstätte. Heute gehört die Alte Waage der Stadt Braunschweig, ist Verwaltungssitz der Braunschweiger Volkshochschule und dient als Veranstaltungsort für Vorträge, Konferenzen sowie Seminare.
Höchste Gebäude der Stadt
Besondere Beachtung verdient natürlich auch die um 1225/30 errichtete St. Andreaskirche. Der erst 1532 vollendete Südturm maß einst eine Höhe von 122 Metern und galt als einer der höchsten Kirchtürme Mitteleuropas. Nach einem Blitzschlag im Jahr 1551 musste eine niedrige Spitze her. Der 1955 rekonstruierte Barockhelm entstand im Ursprung 1742. Heute ist der Südturm mit 93 Metern immer noch das höchste Gebäude der Stadt. Er wurde 1999 innen neu aufgebaut und ist über 389 Stufen zu besteigen.
Fakten:
Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
(z.Zt. vergriffen, Neuauflage geplant)
128 Seiten
Herausgeber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestaltung: Elmar Arnhold
Herstellung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978-3-9823115-0-0
Preis: 12.90 Euro