Die Hirsche kämpfen seit 1935
Berliner Bildhauer Darsow schuf die Riddagshäuser Skulptur zur Einweihung des Jägerhofs in der Buchhorst.
Die überraschende Anfrage kam aus Luxemburg und landete bei der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK). Was hat es mit der Skulptur der beiden kämpfenden Hirsche in Riddagshausen am Eingang des Arboretums auf sich? Seit wann stehen sie da, wer hat sie in Auftrag gegeben? Fragen über Fragen, und so einfach lassen sie sich nicht beantworten. Da muss schon ein echter Experte ran. Und wer weiß schon mehr über Riddagshausen als Stadtteilheimatpfleger Reinhard Wetterau?
„Es ist davon auszugehen“, sagt er, „dass der Auftrag für den Guss der Riddagshäuser Plastik von der Braunschweiger Landesregierung kam, die dem damaligen Reichsjägerhof in der Buchhorst ein besonderes Gepräge geben wollte. Die Skulptur wurde zur Einweihung des Jägerhofs im Mai 1935 aufgestellt. Der Berliner Bildhauer Johannes Darsow hatte die Plastik modelliert. Der Guss war schließlich in der Berliner Gießerei von Martin & Piltzing erfolgt. Diese Gießerei existiert noch heute“, berichtet Reinhard Wetterau.
Für die Gunst der Nazis
Der Jägerhof in Riddagshausen war der erste von dreien, den die Nationalsozialisten errichten ließen. Er trug den Namen „Hermann Göring“. Göring war einer der führenden Nazis und unter anderem auch Reichsjägermeister. Mit dem Bau wollte sich der NSDAP-Ministerpräsident des Freistaates Braunschweig, Dietrich Klagges, die Gunst der Berliner Machthaber weiterhin sichern, erläutert Reinhard Wetterau in seinem Beitrag „Riddagshausen im Dritten Reich“ in der von der Braunschweigischen Landschaft herausgegebenen Broschüre „Das Braunschweigische Land im Nationalsozialismus“. Weitere Nazi-Jägerhöfe gab es noch in der Rominter Heide in Ostpreußen und in Grillenburg/Sachsen. Ein geplanter vierter in Wilhelmsthal bei Eisenach in Thüringen wurde kriegsbedingt nicht vollendet.
Das denkmalgeschützte Fachwerkgebäude in Riddagshausen, das künftig von der Evangelischen Stiftung Neuerkerode als Jugendhilfeeinrichtung genutzt wird, und die Skulptur der kämpfenden Hirsche befinden sich seit dem Jahr 2014 im Besitz der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz.
Die Hirsche haben gefallen
Die beiden von Darsow dargestellten Hirsch haben, so erzählt Reinhard Wetterau einen historischen Hintergrund: „Einer der Hirsche war von Kaiser Wilhelm II. in der Rominter Heide geschossen worden. Der der andere wurde von Hermann Göring auf der Schorfheide nördlich von Berlin erlegt.“ Offenbar hatten die Nazis Gefallen an der Skulptur gefunden. Denn für die Internationale Jagdausstellung 1937 in Berlin entwarf Darsow eine weitere Hirsch-Skulptur. Dieses Standbild stellt den Hirsch „Raufbold“ dar, den Hermann Göring 1936 in der Rominter Heide geschossen hatte. Die Bronzeplastik steht heute im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. Ein Nachguss aus 1938 befindet sich seit 2013 auf dem Kurplatz im Kurort Hartha (Stadt Tharandt, Sachsen).
In den Nazi-Jägerhöfen sollten vor allem Staatsjagden ausgerichtet werden. In Riddagshausen gab es lediglich zwei davon. Eine 1936 und dann noch einmal zwei Jahre später 1938. „Die Gebäude dienten in erster Linie für Tagungen der Gaujägermeister sowie als Verwaltungstrakt des Jagdgaues Braunschweig“, führt Reinhard Wetterau in seinem Beitrag „Riddagshausen im Dritten Reich“ weiter aus.
Internationale Gäste
Die erste Staatsjagd in Riddagshausen fand am 3. November 1936 statt. Mit dabei waren unter anderem Gäste aus Frankreich, Polen, Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Schweden, Dänemark, Peru und Ägypten. Im Stadtblatt der Braunschweigischen Landeszeitung wurde ausführlich über das Ereignis berichtet.
„An einer Treibjagd, die am Montagnachmittag in der Riddagshäuser Feldmark und im angrenzenden Teichgebiet abgehalten wurde, nahm auch der Reichsjägermeister Hermann Göring mit seinen Gästen teil. Mancher Hase und mancher Fasan wurde dabei aufgestöbert. Natürlich fehlten die nötigen Zaungäste nicht, und besonders die Riddagshäuser Jungen waren – wie man so sagt – völlig im Bilde“, schreibt die Zeitung und berichtet von einer besonderen Episode.
Fünf Mark für 17 Jungen
Demnach hatte sich ein waidwunder Hase zunächst ins Gebüsch gerettet. Doch die beobachtenden Jungen spürten ihn auf, schlugen ihn tot und brachten ihn Göring. Der belohnte die Tat mit fünf Mark, die sich die 17 Jungen gerecht teilen sollten. „Fünf Mark an siebzehn, ja das ging ja gar nicht! Die Vorschläge überstürzten sich nur so, und es war schwer, den richtigen dabei herauszufinden. Doch die Lösung war bald gefunden. Die Kolonne setzte sich in Bewegung. Onkel ‘Theo‘ wurde angesteuert; er hatte auch richtiges Verständnis und gab siebzehn Tafeln zu je dreißig Pfennig heraus. Jetzt ging die Rechnung auf“, heißt es in dem Bericht, der bei Reinhard Wetterau im Archiv bestens aufgehoben ist.