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Die Lage in der Kulturszene sieht düster aus

Im LOT-Theater wurde die Beleuchtung abgehängt und gereinigt. Foto: LOT
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„Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ fragte freie Kulturschaffende, wie es ihnen mitten in der Corona-Krise geht.

Kunst und Kultur fallen aus in Zeiten der Corona-Pandemie. Aufführungen, Ausstellungen oder Aufträge werden reihenweise abgesagt. In besonderem Maße leiden darunter freischaffende Künstler, freie Bühnen und unabhängige, von Stiftungen oder Vereinen getragene Museen. Existenzangst geht in den Kreisen um. „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ hörte sich um in der nervösen Szene

und sammelte die besorgniserregenden Statements. Herausgekommen ist eine facetten- und aufschlussreiche Situationsbeschreibung. Viele treibt auch die Zukunftsangst für die Zeit nach der aktuellen Krise um. Wird es noch Finanzierungen für Kunst und Kultur geben? Wird die Gesellschaft darauf einen Fokus legen? Hier die verschiedenen Stellungnahmen im Wortlaut:

„Bis zum Sommer droht ein Fehlbetrag von 140.000 Euro“

Martin von Hoyningen-Huene, LOT-Theater:
Martin von Hoyningen-Huene, LOT-Theater. Foto: Oliver Schirmer

Martin von Hoyningen-Huene, LOT-Theater. Foto: Oliver Schirmer

„Es ist deprimierend, den Saal leer und unbenutzt zu sehen, aber die Notwendigkeit ist klar und wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Unsere Techniker prüfen sämtliche Geräte, reparieren, ziehen Kabel und haben damit noch eine Zeit lang zu tun. Auch die Büros sind so gut wie leer: Nachdem klar war, dass wir keinen Kundenkontakt mehr haben dürfen, sind wir weitestgehend in Homeoffice und setzen darauf, dass man uns per Mail kontaktiert. Trotzdem sind fast immer ein bis zwei Personen in den Büros, denn auch dort gibt es noch zu tun: Anträge, Abrechnungen, Planungen und natürlich der Versuch einer Überbrückung dieser Krise in finanzieller Hinsicht. Noch gibt es bei uns keine Kurzarbeit, noch können genug Mittel abgerufen werden, da trifft es uns nicht ganz so hart wie die freien Gruppen, die normalerweise bei uns auftreten und deren Existenzgrundlage von jetzt auf gleich nicht mehr existent ist. Dennoch gibt es auch hier finanzielle Einbußen, nicht nur durch fehlenden Eintritt und ausbleibende Gastroumsätze. Wenn Projekte nicht durchgeführt werden können und deshalb Gelder ausbleiben, kann ein Haus wie das unsere, das ohnehin finanziell immer sehr knapp ist, für immer zu machen. Wir haben hohe Grundkosten und waren zudem bemüht, Menschen einzustellen anstatt auf Freelancer zu bauen. Eine Worst-Case-Berechnung bis zum Sommer hat ein Defizit von mehr als 140.000 Euro ergeben. Wir hoffen daher weiterhin auf Verständnis bei den Förderern und versuchen, auch mit den Künstlerinnen solidarisch umzugehen. Denn was wäre Kultur ohne Solidarität? In dieser Krise wird deutlich, dass in der Kulturpolitik umgedacht werden muss. Bereiche, die man über Jahrzehnte im Prekären lässt, brechen in einer solchen Situation natürlich zusammen. Wir bemühen uns, durchzuhalten, ob es für uns ein „danach“ gibt, wissen wir derzeit nicht.“

„Wir präsentieren Inhalte unserer Ausstellung online“

Dr. Jule Hillgärtner, Kunstverein:
Jule Hillgärtner. Foto: Stefan Stark

Jule Hillgärtner. Foto: Stefan Stark

„Aus dem gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein heraus, das die Corona-Pandemie von uns allen verlangt, war auch die Schließung der Villa Salve Hospes keine Frage mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit. Unser bislang umfangreichstes Ausstellungsprojekt THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through and by Anton Wilhelm Amo sollte Ende März eröffnet werden. Weil nun aber zahlreiche Künstlerinnen und Künstler Ideen entwickelt, neue Arbeiten produziert und mithilfe unseres Aufbauteams eine Ausstellung in unseren Räumen realisiert haben und ganz besonders, weil uns das Thema – das Denken Anton Wilhelm Amos – so sehr am Herzen liegt, möchten wir trotz geschlossener Räume versuchen, Inhalte zu unserer Ausstellung online auf unserer Internetseite zu präsentieren. Außerdem steht unser Ausstellungsbooklet zum Download zur Verfügung. In den nächsten Wochen werden wir auf unserer Seite zusätzlich immer wieder neue digitale Inhalte zur Verfügung stellen. Per Newsletter, facebook und Instagram weisen wir auf Neuigkeiten hin und versuchen auf diese Weise (virtuelle) Zugänge zur Kunst zu eröffnen. Auch wenn all das den Ausstellungsbesuch vor Ort nicht ersetzen kann, freuen wir uns, gerade in Zeiten, in denen wir alle kulturelle Angebote vermissen, mit unserem Publikum in Kontakt zu bleiben.“

„Die Situation: Alle Aufträge sind storniert“

Andreas Jäger, Schauspieler:
Andreas Jäger, Schauspieler. Foto: Peter Sierigk

Andreas Jäger, Schauspieler. Foto: Peter Sierigk

„Alle Aufträge sind storniert: Tanzmeister im Schloss Wolfenbüttel, Lesungen im Raabehaus, besondere Events im Schlossmuseum Braunschweig, Casanova-Auftritte auf Familienfeiern, Stadtführungen, Veranstaltungen in der Kemenate und sogar meine Tätigkeit als Kulturredakteur bei Radio38. Alles weg, das heißt, ich mache im Moment gar nichts, außer nachzudenken, was man machen kann, und da bleiben nur Aktionen online per Stream im Internet, die aber kein Geld bringen, sondern nur zeigen „hallo, ich bin noch da !“ Das größte Problem ist also, wo kommt das Geld her, dass ich zum Leben brauche? Und die „unbürokratischen, schnellen“ Hilfen der Regierung scheiterten an völlig überlasteten Servern der N-Bank. Die Zukunft sieht ziemlich finster aus für uns Kulturschaffende … Aber da die Wirtschaft vermutlich erhebliche Einschnitte verkraften muss, ist auf lange Sicht die Frage, wer wird noch Geld für die Kultur überhaupt haben, und bereit sein, es für die Kultur auch aufzuwenden?“

„Viele stehen vor einer realen Existenzbedrohung“

Julia Taut, Geschäftsführerin Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler, Braunschweig:
Julia Taut, Geschäftsführerin Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler, Braunschweig. Foto: Andreas Greiner-Napp

Julia Taut, Geschäftsführerin Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler, Braunschweig. Foto: Andreas Greiner-Napp

„Wenn man die Kulturszene allgemein betrachtet, herrscht natürlich überall große Sorge, wie es weitergehen kann. Nicht in den nächsten zwei Monaten, sondern eher im nächsten Jahr. Bekommen wir weiterhin Fördergelder, wenn die Steuereinnahmen sinken? Wie lange können laufende Kosten gezahlt werden? Durch die massenhaften Corona-bedingten Absagen von kulturellen Veranstaltungen stehen sehr viele Künstlerinnen und Künstler vor einer realen Existenzbedrohung! Die Einkommensverluste sind vielschichtig. Sie reichen über Honorarausfälle für Kurse oder Workshops, über entgangene Verkaufschancen durch abgesagte Ausstellungen und Kunstmessen bis hin zu geringerer Ausschüttung der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst wegen abgesagter Präsentationen. Besondere Belastungen entstehen zum Beispiel durch Rückforderungen von Fördermitteln für nicht durchgeführte Maßnahmen oder zusätzliche Kosten durch verzögerte Abschlüsse von Aufträgen. Die fehlende Liquidität für die Zahlung der Künstlersozialkassen-Beiträge und weiterer fester Kosten (Mieten, Nebenkosten für Arbeitsräume, Ausgaben für Maschinen etc.) lässt die Situation für viele Künstlerinnen und Künstler dramatisch werden. Der BBK Braunschweig hat gezielt seine Mitglieder befragt, um zu erfahren, wie die Situation konkret ist. Die Kreativen dürfen nicht im Stich gelassen werden, der BBK unterstützt deswegen den Aufruf des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen „Keep the arts alive“. Des Weiteren sehen wir in dieser Krise die Chance, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Künstlerinnen und Künstler arbeiten fast immer überdurchschnittlich viel, bei geringstem Einkommen. Sie haben ihr Leben immer selbst gestaltet, machen unsere Welt bunter und haben den Mut, trotz Armut Unternehmerin und Unternehmer zu sein.“

„Es tut weh, vielen Selbstständigen absagen zu müssen“

Dr. Ulrike Sbresny, Schlossmuseum:
Dr. Ulrike Sbresny, Schlossmuseum. Foto: Andreas Greiner-Napp

Dr. Ulrike Sbresny, Schlossmuseum. Foto: Andreas Greiner-Napp

„Mir ist es wichtig, die Schließung des Schlossmuseums im großen Kontext zu betrachten. Es handelt sich ja nicht um eine Ausnahme, sondern um ein Mosaiksteinchen im Gesamtgefüge: Der Stillstand des öffentlichen – auch des öffentlichen kulturellen – Lebens dient dem Schutz von Menschen. Punkt. Dennoch fällt es uns unendlich schwer, nicht täglich die Türen zu öffnen, denn unsere Ausstellungen sind für Besucherinnen und Besucher gemacht. Erfolgreich waren wir zudem in diesem Frühjahr mit einigen neuen Führungs- und Veranstaltungsformaten gestartet und hatten viel vor, auch im Begleitprogramm unserer Sonderausstellung „Gesellschaft der Freunde junger Kunst“. Wir sind ein kleines Museum, das mit vielen Selbständigen zusammenarbeitet und es tut weh zu wissen, dass unsere Absagen zu deren Existenzbedrohung beitragen. Gleichzeitig fehlen auch uns wichtige Einnahmen. Unsere Arbeit an einer neuen Sonderausstellung, Veranstaltungsplanungen, Projekten und in der Verwaltung läuft jedoch weiter – teils im Homeoffice, teils vor Ort, denn Kulturgut will betreut werden. Der Gedanke daran, dass unsere Exponate, die bis zu mehrere Hunderte von Jahren alt sind, schon viele Krisen vor uns überstanden haben, ist tröstlich. Deshalb lassen wir sie auch zu Wort kommen: Über Facebook und Instagram erzählen sie – mit einem Augenzwinkern – über sich selbst.“

„Die angebotenen Soforthilfen ersetzen nicht die Umsatzausfälle“

Miriam Paul, Theater Fadenschein:
Miriam Paul, Theater Fadenschein. Foto: Andreas Greiner-Napp

Miriam Paul, Theater Fadenschein. Foto: Andreas Greiner-Napp

„Zum 1. März hat die Theaterleitung gewechselt, Hanne Scharnhorst und Nöck Gebhard-Seele haben sich in den Ruhestand begeben. Ich wollte eben mit meinem Theater durchstarten, als die Krise begann. Die zahlreichen geplanten Vorstellungen für kleine und große Theaterbesucher fallen aus. Kindergärten und Schulen kommen voraussichtlich bis zum Schuljahresende nicht ins Theater und auch theaterpädagogische Workshops mit Schulen und Kitas finden solange nicht statt. Digitale Medien können diese Art der analogen Bildung und Unterhaltung nicht ersetzen, das ist ein großer kultureller Verlust. Auch die Einnahmen fehlen dem Theater. Die angebotenen Soforthilfen ersetzen nicht die Umsatzausfälle. Für unser Freies Theater geht es auch ums Überleben, wie für die zahlreichen anderen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, die bei uns als Gastspielerinnen und Gastspieler engagiert waren. Ich hoffe bald den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu können und baue auf einen, sich in dieser Zeit der Enthaltsamkeit entwickelnden Hunger nach Kunst und Unterhaltung. So lange renovieren wir, planen ein schönes Programm für den Herbst und arbeiten an einer neuen Produktion – im Bemühen kreativ mit dieser Ausnahmesituation umzugehen. Ganz besonders wünsche ich meinem Publikum gute Gesundheit und dass die Eltern und Großeltern der jüngeren Zuschauer bald wieder in unsere Vorstellungen kommen können, um unbeschwert Zeit mit ihren Kindern und Enkeln bei uns zu verbringen.“

„Null Einkommen und alle Kosten laufen weiter“

Andreas Greiner-Napp, Fotograf:
Andreas Greiner-Napp, Fotograf. Foto: Andreas Greiner Napp

Andreas Greiner-Napp, Fotograf. Foto: Andreas Greiner Napp

„Mein letzter Foto-Auftrag war der Presserundgang zur Medici-Ausstellung im Städtischen Museum. Während Sir Haukohl uns durch die Ausstellung mit atemberaubender florentinischer Kunst führte, welche am darauffolgenden Sonntag eröffnet werden sollte, kam die Meldung vom Ministerium, dass das Museum sofort geschlossen wird. Und seitdem schlummert sie nun, diese Kunst aus der großen Welt im Herzen unserer Stadt. Ein Virus erklärt alles für nichtig. Aber nicht nur die Ausstellung, auch meine Fotoausrüstung schlummert seitdem. Alle Aufträge bis weit in den Sommer hinein sind storniert. Absagen über Absagen. Nichts geht mehr. Der Kalender für die kommenden fünf Monate ist leer. Null Einkommen für diese Zeit und alle Kosten laufen weiter… und da spüre ich die Kehrseite des Freelancerlebens. Die Freiheit kehrt sich in Isolation. Keiner kümmert sich um die „Einzelkämpfer“. Sie haben keine Lobby und bisherige Auftraggeber sind mit ihrer eigenen Existenz beschäftigt. Aber das soll nicht das große Jammern werden, denn ich bin in der Luxus-Situation mit einer Frau verheiratet zu sein, deren Gehalt weitergezahlt wird. Ich denke an alle meine Kollegen, die nur auf sich allein gestellt sind, denen es viel schlechter geht als mir. Deshalb habe ich beschlossen, den Antrag auf die schnelle und angeblich unbürokratische Hilfe erst in ein oder zwei Monaten zu stellen, wenn wirklich alle Reserven aufgebraucht sind.“

„Es fehlen klare Informationen zu bereits bewilligten Förderungen“

Barbara Hofmann-Johnson, Museum für Photographie:

„Wir hätten am 20. März die Ausstellung „Dokumentarfotografie Förderpreise 12“ der Wüstenrot Stiftung mit Arbeiten von Christian Kasners, Jiwon Kim, Jens Klein und Joscha Steffens eröffnet. Das Projekt ist zunächst bis zum 21. April für Publikum nicht zugänglich, obwohl natürlich bereits kostenintensive logistische und organisatorische Abläufe sowie Werbekosten entstanden sind. Zu einem kleinen Teil können wir Öffentlichkeitsarbeit zur Ausstellung wie zum Museum in unseren Social Media-Kanälen und auf unseren Museums-Billboards anbieten. Durch Umstrukturierung unseres Jahresprogramms soll die Ausstellung nun anstatt bis Anfang Mai bis zum 7. Juni andauern. Die Existenz von Künstlerinnen und Künstlern hängt zu einem großen Teil von Ausstellungsmöglichkeiten ab. Auch wenn wir bei dieser Ausstellung großzügig von der Wüstenrot Stiftung unterstützt werden, ist der organisatorische und finanzielle Aufwand für das Museum, dessen Träger ein Verein ist, bereits hoch gewesen, und es fallen wichtige Einnahmen weg. Momentan gibt es noch keine klaren Informationen darüber, inwieweit bewilligte Projekt- und Jahresförderungen, etwa durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen aufrechterhalten werden. Die Förderung durch die Stadt Braunschweig steht momentan nicht infrage, was uns in unserer Personalstruktur, wo diese eingesetzt wird, Sicherheit gibt. Gerade in einer bedrohlichen Lage, wie sie momentan vorherrscht, sollte die Kultur als identitätsstiftendes und seelisch bereicherndes Moment beachtet und unterstützt werden.“

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