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Die Rehabilitierung der Märtyrer vom 20. Juli 1944

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Repro: IBR
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Das Städtische Museum Braunschweig zeigt die Sonderausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht“.

Seit dem Jahr 2012 heißt der Platz vor dem Eingang der Braunschweiger Generalstaatsanwaltschaft, südlich des Domplatzes, Fritz-Bauer-Platz. Die Namensgebung würdigt einen großen deutschen Juristen der Nachkriegszeit, der zunächst in Braunschweig einen historisch bedeutenden Prozess gewann, später in seinem Bemühen, Nazis vor ordentlichen Gerichten zur Verantwortung zu ziehen, weltweit für Aufsehen sorgte und sich enormen Respekt erwarb. In Deutschlands Justiz musste er allerdings zunächst gegen viele Widerstände kämpfen, die er aber hartnäckig durchbrach. Ihm widmet das Städtische Museum Braunschweig aktuell die Sonderausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht“.

Paradigmenwechsel eingeleitet

Fritz Bauer schrieb also schon 1952 als Generalstaatsanwalt in Braunschweig mit dem Remer-Prozess ein bedeutendes Kapitel bei der Aufarbeitung des Naziterrors in der frühen Bundesrepublik, als viele nur zu gerne den Mantel des Schweigens über die schreckliche Vergangenheit gelegt hätten. Angeklagt war Otto Ernst Remer (1912 – 1997). Der hatte während einer Wahlkampfveranstaltung der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) im Braunschweiger Schützenhaus die Attentäter vom 20. Juli 1944 als „vom Ausland bezahlte Hoch- und Landesverräter“ beschimpft. Daraufhin hatte der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr (1883-1956) Strafantrag gestellt. Bauer vertrat die Anklage. Und das Gericht verurteilte Remer zu dreimonatiger Haftstrafe. Ob die Strafe zureichend war oder nicht, spielte letztlich eine untergeordnete Rolle. Bedeutsam war die Verurteilung an sich. Remer war in der Zeit des Nazi-Terrors Kommandeur des Berliner Wachbataillons „Großdeutschland“ gewesen.

Der Angeklagte Otto Ernst Remer. Repro: IBR

Der Angeklagte Otto Ernst Remer. Repro: IBR

Fritz Bauer war Jude, kehrte 1949 aus Skandinavien zurück, wo er den Krieg und den Holocaust überlebte. Der Jurist wurde zunächst  Landgerichtsdirektor am Landgericht Braunschweig und war von 1950 bis 1956 Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Braunschweig, ehe er hessischer Generalstaatsanwalt wurde. Bauer trug maßgeblich zur strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen bei und war später Initiator der aufsehenerregenden Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963 – 1965). Zudem gab er dem israelischen Geheimdienst Mossad den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns, der im Reichssicherheitshauptamt die Todestransporte in die Vernichtungslager organisiert hatte. Eichmann wurde in Israel zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Parallel „Die Tänzerin von Auschwitz“

Anhand vieler Originalobjekte sowie Ton- und Filmaufnahmen wird die Lebensgeschichte Fritz Bauers dokumentiert. Parallel dazu zeigt das Städtische Museum die weitere Sonderausstellung „Die Tänzerin von Auschwitz. Die Geschichte einer unbeugsamen Frau“, in der das Leiden der Niederländerin Roosje Glaser dargestellt wird. Sie überlebte, von ihrem eigenen Ehemann verraten, Auschwitz, weil sie SS-Schergen Tanzunterricht gab. Beide Ausstellungen sind bedeutsam, weil sie die Schrecken der nationalsozialistischen Verbrechen wachhalten und damit die kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus fördern. Absolut sehenswert!

Aus Braunschweiger Sicht zählt natürlich der Remer-Prozess, der zur Rehabilitierung der Männer und Frauen des 20. Juli 1944 führte, zu den Höhepunkten der Ausstellung, wenngleich er nicht im Fokus steht. Durch das Urteil wurde erstmals die Rechtmäßigkeit des Widerstandes gegen das NS-Regime anerkannt.  Der Remer-Prozess gelte heute, so führte Gerd Biegel, Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte an der Technischen Universität, in seinem die Ausstellung begleitenden Vortrag aus, als eines der wichtigsten juristischen Verfahren mit politischem Hintergrund in der Geschichte der frühen Bundesrepublik. Es sei zu dem Meilenstein im Kampf um die Würdigung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus geworden. Seinen Vortrag hatte Biegel mit „Rehabilitierung der Märtyrer – Fritz Bauer, der Remer-Prozess in Braunschweig 1952 und der 20. Juli 1944“ überschrieben.

Bauers Lebensaufgabe

Der Prozess habe einen Paradigmenwechsel in der deutschen Erinnerungskultur der jungen Bundesrepublik bedeutet, so Biegel. „Jedermann wäre zur Zeit der Naziherrschaft berechtigt gewesen, bedrohten Juden zu helfen … Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr“, hatte Fritz Bauer in seinem Plädoyer argumentiert. Das Gericht sei ihm in seiner Urteilsbegründung fast wortgleich gefolgt. Das Problem des Widerstands gegen ein Unrechtssystem war Bauer spätestens seit seiner Emigration 1936 aus Nazi-Deutschland zur Lebensaufgabe geworden.

Das Urteil gegen Remer bedeutete zugleich, dass erstmals ein deutsches Gericht den NS-Staat als Unrechtsstaat verurteilte. Damit sei, so zitierte Historiker Gerd Biegel den früheren Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig, Rudolf Wassermann, der Braunschweiger Prozess „der bedeutendste mit politischem Hintergrund seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und vor dem Frankfurter Auschwitz-Prozess“ gewesen.

Kontakt:

Städtisches Museum Braunschweig
Haus am Löwenwall
Steintorwall 14
38100 Braunschweig

Telefon: 0531 470-4521
E-Mail: staedtisches.museum@braunschweig.de
Internet: www.braunschweig.de/museum

Öffnungszeiten: Di., Mi., Do., Fr., Sa., So. 11 bis 17 Uhr

Eintritt:  5 Euro, Ermäßigung 2,50 Euro (für Schüler, Studierende, Auszubildende, Menschen mit Behinderung, Rentner sowie Inhaber des Braunschweig Passes), 2 Euro für Kinder von 6 bis 16 Jahre, freier Eintritt für Kinder bis 6 Jahren und Schulklassen.

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