Startseite Highlight Die Savoy-Story von Bärbel Mäk...

Die Savoy-Story von Bärbel Mäkeler

von

Die frühere Geschäftsführerin bringt in ihrer Dokumentation über ihr einstiges Varieté in der Braunschweiger Leopoldstraße 7 das Lebensgefühl der 1980er Jahre zurück.

Willkommen, bien venue, welcome… diese ersten Worte in Joel Greys Lied aus dem Musical „Cabaret“ und auch das dort propagierte Ambiente hielten 1986 Einzug in das damals so piefig-spießige Braunschweig. In der alten Lagerhalle Leopoldstraße 7 war das Savoy entstanden. Nicht zu glauben, ein echtes Varieté. So wie es sein muss: rauchgeschwängerte Luft, schummriges Licht, Jazz, Kabarett, bisweilen auch leicht frivole Travestie-Shows. Mit dem Buch „1.000 Tage Savoy“ hat die ehemalige Geschäftsführerin und heutige Lektorin Bärbel Mäkeler eine profunde Dokumentation über das bis 1989 existierende Lokal vorgelegt und ein gutes Stück Braunschweiger Zeitgeschichte aufgeschrieben. Angeregt dazu hatte sie ihre Tochter, die sich für die verwegenen Geschichten von damals brennend interessierte.

Am Tag der Eröffnung 1986: Bärbel Mäkeler mit Peter Lindemann. Foto: Screenshot aus 1.000 Tage Savoy/David Taylor

Am 16. Juli 1986 wurde also die „Savoy Varieté GmbH“ gegründet. Die letzte Show lief nur drei Jahre später am 3. Juni 1989. Es war eine von Christian Eitner organisierte Benefizveranstaltung, die half, den aufgebauten Schuldenberg ein wenig zu minimieren. Das Ende, so schreibt Bärbel Mäkeler, die das Savoy mit erstaunlichem Enthusiasmus betrieben hat, sei wirklich schmerzhaft gewesen, aber unter dem Strich stünden neben den bitteren Momenten viele schöne Erinnerungen und vor allem nicht endende Freundschaften. In Teilen liest sich die Geschichte des Savoy spannend wie ein Krimi. Besondere Erwähnung finden auch die verstorbenen Thomas Ammerpohl als Haus- und Hof-Fotograf und Rezensent Hans-Jürgen „Charles“ Bennecke, deren Arbeiten vielfältig Niederschlag in der Dokumentation finden.

Paris, London oder New York?

„War das wirklich Braunschweig? Oder doch eher Paris, London oder New York? Was für ein Ambiente, da mitten im Friedrich-Wilhelm-Kiez. Gerne erinnere ich mich an Champagnercremesuppe im Schimmer der Tischlämpchen nachts um 3 Uhr, wunderbare Konzerte und geile Partys mit einer arschcoolen Thekencrew“, erinnert sich Christian Eitner, Chef der Jazzkantine, in seinem Gastbeitrag „Ein Juwel mit Strahlkraft“. Bärbel Mäkeler hatte gemeinsamen mit Peter Lindemann und Finanzier Anselm Dupuis mit dem „Savoy“ einen wahren Paradiesvogel in der Braunschweiger Kneipen- und Kulturszene zum Leben erweckt, aber es war eben auch ein großes Wagnis. Später führte sie das „Savoy“ alleine weiter.

Der „kulturelle Bauchladen“ kam an beim Publikum, jedenfalls meistens, aber am Ende eben nicht oft genug. Der Auftakt jedenfalls gelang glänzend. Schon die Eröffnung mit dem damals schwer angesagten Clown, Pantomimen und Akrobaten Eisi Gulp geriet zum rauschenden Fest über zwei Tage. Es folgten 496 öffentliche Veranstaltungen mit insgesamt 1900 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Größen wie Musiker Bill Ramsey, Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, Schauspielerin Lisa Fitz oder die Band Element of Crime, und auch local heroes wie die Booze Band, Clever oder G-Point.

1900 Künstlerinnen und Künstler

Insgesamt gab es in den 1000 Tagen Savoy 496 öffentliche Veranstaltungen. Dabei standen insgesamt 1900 Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne. Darunter waren auch Tanztee, Motto-Partys und Modenschauen. Dominant war aber die Musik mit 310 Konzerten, gefolgt von 45 Kabarettauftritten und 45 Shows. Die Künstlerinnen und Künstler kamen aus aller Welt, aus den USA, aus Australien, aus Japan, aus Brasilien und sogar aus der DDR, die damals noch hinter dem Eisernen Vorhang existierte. Bärbel Mäkeler lässt in ihrem Buch viele Auftritte Revue passieren, mit eigenen Erinnerungen, mit jenen von Zeitgenossen und Weggefährten, mittels Zeitungsausrissen und auch mit neu geführten Interviews.

Blick in das Savoy. Foto: Screenshot aus 1.000 Tage Savoy/Thomas Ammerpohl

Beim Schmökern im Buch fühlen sich all jene, die in den 1980er Jahren in Braunschweigs Szene unterwegs waren, an die vermeintlich guten, alten Zeiten erinnert. Da hilft die Liste der seinerzeit angesagten Kneipen und Diskotheken wie Bullerbü und Expertise, Jolly Joker und Knuff, Leukoplast und Panoptikum oder Rizz und Viertel Nach schon sehr. „Meine große Begeisterung galt dem Funk und Soul. Level 42, Shaka Khan, die Neville Brothers oder James Brown brachten mich in Wallung“, erinnert sich die Autorin.

Nicht nur rosige Zeiten

Aber es waren eben nicht nur rosige Zeiten. Zwar „hing der Himmel voller Geigen“, wenn sich Hanns Dieter Hüsch für drei Tage ansagte, im Alltag liefen aber die Fixkosten für Miete, Personal und mehr unverdrossen weiter. Das Unkalkulierbare blieben die Gäste, ihr Durst und ihre Lust auf Toretllini und Co. Schon Ende 1986 hatten sich die Kosten von geschätzten 200.000 D-Mark auf sehr reale 350.000 D-Mark angehäuft. Am Ende blieben davon „nur“ 175.000 D-Mark übrig, auch weil sich Geldgeber Anselm Dupuis „vorbildlich verhielt. Großes Kino!“. Vom früheren Savoy-Partner Peter Lindemann fehlt Bärbel Mäkeler, die das Savoy von 1988 an im Alleingang weiterführte, jede Spur.

In ihrem Buch verdeutlicht Bärbel Mäkeler die am Ende verhängnisvolle Crux weniger erfolgreicher Abende: „Eine relativ unbekannte Band, Annette Cimiotti und Combo Cobana, hatte 1.200 D-Mark Gage ausgehandelt. Bei einem Eintritt von 11 D-Mark hätten sich rund 110 Gäste durch die Tür drängen müssen, damit sich das Konzert rechnete. Dem war nicht so: Es kamen rund 30 Gäste, dann lagen 330 D-Mark DM in der Veranstaltungskasse.“ Und Löhne für Küchen- und Servicepersonal, Techniker und weitere Kosten kamen noch oben drauf. „Die Fehlkalkulation war hausgemacht: Man hätte wissen können, dass never ever 100 Leute zu diesem Event kommen würden“, blickt die frühere Savoy-Geschäftsführerin selbstkritisch zurück.

Bilboard 2 (994x118 px)