„Die Unpopularität nicht gescheut“
Historiker Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler erhält den Lessing-Preis für Kritik 2014.
Die Kooperationspartner Lessing-Akademie Wolfenbüttel e.V. und STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE überreichen im kommenden Jahr dem deutschen Historiker Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler den Lessing-Preis für Kritik 2014. Die Preisverleihung findet am 11. Mai (17 Uhr) traditionell in der Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel statt. Den Förderpreis widmete Wehler dem Berliner Publizisten Albrecht von Lucke.
Warum fiel die Wahl der namhaften, siebenköpfigen Jury auf Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler? Was haben der Mitbegründer der „Bielefelder Schule und der Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) gemeinsam? „Lessing griff in seinen Schriften häufig aktuelle Themen auf und hat sich der öffentlichen Debatte gestellt. Mit seiner großen rhetorischen Begabung vertrat er immer eine sehr dezidierte Position“, charakterisiert Dr. Helmut Berthold, Geschäftsführer der Lessing-Akademie e.V., den bedeutenden Dichter. „Er besaß eine polemische und stets kritische Haltung und hat dabei auch die Unpopularität nicht gescheut, war aber gerecht in der Sache.“
Dies sind durchweg Eigenschaften, die die Jury auch Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler zuschreibt. Wehler ist unbestritten einer der bedeutendsten Historiker der Nachkriegszeit. Der Verfasser des fünfbändigen, die Zeit von 1700 bis zur Wiedervereinigung behandelnden Standardwerkes Deutsche Gesellschaftsgeschichte (1987 bis 2005) forschte und veröffentlichte zu Themen wie der Aufarbeitung des Nationalsozialismus, der Holocaust-Leugnung, dem Nationalismus, der Migrationsproblematik, und in jüngster Zeit verstärkt zur sozialen Ungleichheit in Deutschland, in diesem Zusammenhang sei der 2012 erschienene Buchtitel Die neue Umverteilung genannt. Wehler setzt sich darin kritisch mit Fragen der Vermögensentwicklung, der Verteilungsgerechtigkeit und dem wachsenden Gefälle zwischen Arm und Reich auseinander. Aufmerksamkeit, auch entschiedenen Widerspruch, hat seine Auffassung über den EU-Beitritt der Türkei im Jahr 2002 erregt.
„Hans Ulrich Wehler ist sich nicht zu schade, intensiv Aktenstudium zu betreiben. Er ist nicht wertneutral und scheut sich nicht, die Politik der bundesdeutschen Regierung zu attackieren, wenn ihn gesellschaftliche Entwicklungen beunruhigen“, sagt Helmut Berthold. Wehler habe – wie Lessing auch – immer mit Polemik, Fairness und mit fester Position Stellung genommen: „Wehler ist immer kritisch.“
Seit dem Jahr 2000 vergeben die Lessing-Akademie Wolfenbüttel e.V. und die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE STIFTUNG gemeinsam den Lessing-Preis für Kritik. Die Idee eines solchen Preises stammt bereits aus den 80er Jahren. Er ist kein Literaturpreis, sondern wird für Kritik in einem elementaren und fachübergreifenden, gesellschaftlich wirksamen Sinn verliehen. Dies verdeutlichen die bisherigen Preis- und Förderpreisträger genauso wie die Zusammensetzung der Jury.
Bisherige Preisträger waren Heinz Bohrer und Michael Maar (2000), Alexander Kluge und das St. Petersburger Cello-Duo (2002), Elfriede Jelinek und Antonio Fian (2004), Moshe Zimmermann und Sayed Kashua (2006), Peter Sloterdijk und Dietmar Dath (2008), Kurt Flasch und Fiorella Retucci (2010) sowie Claus Peymann und Nele Winkler (2012). Zur Jury zählen die Publizistin Dr. Franziska Augstein, die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, der Leiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Braunschweig Prof. Dr. Joachim Block, der Hallenser Germanist Prof. Dr. Daniel Fulda, der Göttinger Germanist Prof. Dr. Wilfried Barner, Prof. Dr. Erich Unglaub, Germanist und Vorstandsmitglied der Lessing-Akademie Wolfenbüttel und der Direktor der Herzog August Bibliothek, Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer.
Insgesamt ist der Lessing-Preis für Kritik mit 20.000 (15.000 und 5.000) Euro dotiert. Neben der Preissumme wird ein gegenständlicher Preis verliehen; der nicht als Wanderpreis gedacht ist. Es gehört zu der Besonderheit des alle zwei Jahre vergebenen Preises, dass der Preisträger einen Förderpreisträger eigener Wahl bestimmt.
Biographie des Förderpreisträgers Albrecht von Lucke
Nach seinen Studien der Rechtswissenschaft und Politologie in Berlin und Würzburg, arbeitet der 1967 geborene von Lucke seit 1989 als freier Journalist und Publizist in Berlin. Als Redakteur ist er Mitarbeiter der monatlich erscheinenden Zeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik. Zudem schreibt von Lucke für Zeitungen und Rundfunk, behandelt Themen in politischen Kommentaren und nimmt an öffentlichen Diskussionsrunden teil. Er ist unter anderem für Bayern 2, WDR 5, NDR 5 und die tageszeitung tätig. Dabei beschäftigt er sich mit der 68er-Bewegung ebenso wie mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb der deutschen Republik nach dem Zweiten Weltkrieg sowie den Auswirkungen der Wirtschaftskrise ab 2007 und den darauffolgenden Jahren und deren Folgen auf die staatliche Machtausübung.