Ein bisschen Herztaumel gehört dazu
Interview mit Teamleiterin Christine Schultz zum Klavierfestival Tastentaumel im Braunschweiger Land.
Das Klavierfestival Tastentaumel findet in diesem Frühling vom 20. bis zum 29. März statt. Während des Festivals präsentieren sich Künstler in unterschiedlichen Stilen wie Klassik, Rock, Pop, Chanson, oder Kirchemusik. Die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE bildet gemeinsam mit den Braunschweiger Klavierbaufirmen Grotrian-Steinweg und Schimmel Pianos und der Agentur Peeters Kommunikationskonzepte das finanzielle und organisatorische Dach des Festivals. Christine Schultz, Projektreferentin bei der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und Tastentaumel-Teamleitung, stand im Interview Rede und Antwort.
Im März startet zum 6. Mal das Klavierfestival Tastentaumel. Angenehme Routine? Oder immer noch lampenfiebriger Herztaumel ob alles klappen wird?
Definitiv der „Herztaumel“! Dabei bin ich weniger in Sorge, ob alles klappen wird – vielmehr ist es die Vorfreude, die mich zum Taumeln bringt. Die Festivalvorbereitung dauert ein ganzes Jahr lang – vom Einreichen der ersten Projektideen bis dann ein ausgewogenes, spannendes Programm zusammengestellt ist. Da kann ich es zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr erwarten, dass es endlich losgeht! Natürlich bringt die Erfahrung – ich selber bin zum fünften Mal dabei – eine gewisse Routine mit sich, gerade was das Zeitmanagement in den einzelnen Planungsphasen betrifft.
Welche Innovationen und neue Programmpunkte sind zu erwarten?
Wir sind erstmals mit unserem Festival in Wolfenbüttel im neu eröffneten Lessingtheater zu Gast. Wir eröffnen den Tastentaumel dort am 20. März. Andere interessante, unverbrauchte Veranstaltungsorte locken. So zum Beispiel der Laden „Heimatrausch“ in der Schlosspassage, wo mit der Veranstaltung „Literarische Reisebilder“ die Besucher auf eine kleine Weltreise mitgenommen werden. Die Kantine „Alte Schmiede“ der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt ist ebenfalls Spielstätte für zwei Konzerte. Zum Workshop „Clavier-Musique“ sind Klavierspieler und auch interessierte Klaviermusikfreunde eingeladen, im malerischen Ambiente des Klosters Michaelstein auf historischen Instrumenten wie Cembalo, Hammerflügel oder auch Truhenorgeln zu spielen. Neu beim Tastentaumel ist zudem das „Lunchkonzert – Kunst und Kulinarisches zur Mittagszeit“ in der Stadthalle Braunschweig. Ein ganz besonderer Abend zu werden, verspricht auch die Veranstaltung „Jazz im Spannungsfeld der klassischen Moderne – Gesprächskonzert“ am 28. März in der Dornse zu werden. Die Veranstaltung beleuchtet den regionalen Tastenjazz mit seinen historischen Wurzeln und Querverbindungen – Klassisches Klavier und Jazzpiano. Da gibt es also eine ganze Reihe an Neuem zu entdecken.
Wenn man Ihr Programm anschaut, hat man den Eindruck, dass es mehr Show-Elemente gibt als zuvor. Ist der Eindruck richtig?
Wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass nicht nur das klassische Konzertformat angeboten wird, sondern Klaviermusik in Kombination mit Schauspiel, mit Film, mit Rezitation, mit Kabarett und mit Gesang, dann stimme ich Ihnen zu. Genau dies macht unser Festival aus: die Künstler der Region gehen mit großem Ideenreichtum an die Aufgabe heran, das Thema „Klavier“ zu bespielen.
Auf welchen Programmpunkt sind Sie persönlich besonders gespannt?
Diese Frage zu beantworten fällt mir schwer. Ich wünsche mir bei jedem Festival, mich aufteilen zu können, um auch parallel stattfindende Veranstaltungen mitnehmen zu können. Worauf ich mich sehr freue, ist „Liquid Soul“ am Samstag, 22. März, um 19 Uhr im Städtischen Museum in Braunschweig: eine musikalische Collage von Klavierstücken, eine Installation und ein Schauspieler thematisieren die mystische Liebesgeschichte der Undine, einer Art Wasserfrau. Undine wird durch die Musik, ihr Mann vom Pianisten Juan Peñalver Madrid und ihr Onkel in Gestalt eines Wassergeistes vom Schauspieler Ahmed Mohammedeen dargestellt, dessen semitransparentes Beinkleid auch den Flügel samt Pianisten umfasst!
Diesmal gibt es auch wieder einen Wettbewerb. Warum haben Sie ihn seinerzeit eingeführt?
Der Wettbewerb beim Tastentaumel findet bereits zum dritten Mal statt. Unter dem Motto „An die Tasten, fertig, los!“ waren die Klavierspieler aus der Region zur Teilnahme am Tastentaumel-Wettbewerb aufgerufen. Von vielen anderen Wettbewerben unterscheidet sich der Tastentaumel-Klavierwettbewerb dadurch, dass nicht nur die Allerbesten die Chance bekommen, sich einem Wettbewerb zu stellen. Angesprochen fühlen darf sich jeder, der Klavierspielen kann. Die Vorausscheidung findet am Sonntag, 16. März, in der Buchhandlung Graff und das Finale am Sonntag, 23. März, im LOT-Theater in Braunschweig statt. Viele Anmeldungen sind eingetroffen. Der Wettbewerb ist offen für Publikum.
Wie hat sich über die Jahre das Interesse von Klavierspielern oder Gruppen der Region entwickelt, am Festival teilnehmen zu wollen?
Es macht uns Veranstalter froh, auch ein wenig stolz, aber vor allem bestätigt es uns in dem was wir tun: nämlich zu spüren, dass die Lust am Tastentaumel ungebrochen ist! Das Festival hat sich in der Region etabliert, sowohl bei den Künstlern, als auch beim Publikumher. Wir waren überwältigt von den vielen spannenden Ideen, die uns von Künstlern und Institutionen aus der ganzen Region des alten Braunschweiger Landes erreicht haben. So ist es uns gemeinsam mit über 30 Mitveranstaltern gelungen ein „ausgewogenes Festival“ zusammenzustellen. Ausgewogen was die Musikstile anbelangt, was die Formate betrifft – also nicht nur das klassische Konzertformat, sondern auch Klaviermusik in Kombination mit Schauspiel, mit Film, mit Kabarett, mit Lesung und mit Gesang. Ebenfalls ausgewogen ist die Altersspanne der Künstler. Der jüngste Teilnehmer ist ein fünfjähriger Junge, der beim Wettbewerb mitmacht, die älteste Dame ist ein Chormitglied mit 70plus.
Wir Veranstalter, also die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE, die beiden Klavierhäuser Grotrian-Steinweg und Schimmel-Pianos sowie Peeters Kommunikationskonzepte bilden „nur“ das organisatorische und finanzielle Dach des Klavierfestivals „Tastentaumel im Braunschweiger Land“. Für die Inhalte sind die einzelnen Mitveranstalter zuständig – sie tragen auch Verantwortung für ihre Tastentaumelbeiträge von der Planung und Finanzierung bis zur Bewerbung und Durchführung. Natürlich steuern wir vieles, wir beraten, wir verknüpfen, wir entwickeln gemeinsam weiter.
Was müsste ich als Klavierspielerin tun, um beim Festival dabei sein zu dürfen?
Sie sollten in der Region des alten Braunschweiger Landes leben oder zumindest eine starke Bindung dazu haben. Es reicht definitiv nicht, wenn Ihre Tante mal im Urlaub in Watenbüttel war… Entwickeln Sie eine Idee und kommen Sie möglichst schon in einer frühen Planungsphase auf uns zu. Im besten Fall haben Sie schon Kontakt zu einem möglichen Veranstaltungsort aufgenommen und können die entstehenden Kosten benennen. Auf unseren Internetseiten www.tastentaumel.de findet man in der Rubrik „Downloads“ einen Leitfaden zur Projektentwicklung.
Geben Sie allen Bewerbern auch eine Plattform beim Festival?
Wenn die Projektidee zum Festival passt und das Tastentaumel-Team überzeugt und wenn die Bewerbungsfrist eingehalten wird, grundsätzlich ja. Bei der Planung des diesjährigen Festivals war aber schon früh klar, dass wir nicht alle Vorschläge berücksichtigen würden können. Wir haben das Festival ganz klar auf einen Zeitraum von zehn Tagen begrenzt und außerdem sind auch unsere finanziellen Mittel endlich.
Sie wollen professionellen Festivals keine Konkurrenz machen und das Programm mit Akteuren dieser Region bestreiten, statt Stars herzuholen. Große Namen ziehen aber das Publikum. Wie ist die Publikums-Entwicklung bei Ihrem Festival?
Genau dieser Ansatz – der Tastentaumel ist „das Festival aus der Region für die Region“ – macht unser Festival aus. Die Veranstalter des Festivals sind ja nicht kommerzielle Konzertveranstalter, weshalb der Druck gar nicht auf uns lastet, dass jedes Konzert ausverkauft sein muss. Trotzdem wollen wir natürlich möglichst viele Besucher anlocken. Das gelingt aber durch die intensive Bewerbung der einzelnen Veranstaltungen sehr gut. Im Idealfall wird jedes Konzert von drei Seiten beworben: durch uns, die Veranstalter, durch die Künstler und durch den Betreiber des Veranstaltungsortes. Jeder Partner ist ja gleichermaßen an einem vollen Haus interessiert. Es gibt immer Veranstaltungen, die schon früh komplett ausverkauft sind.
Glauben Sie, dass Ihr Festival die Lust aufs Klavier – es zu hören, aber auch selbst zu spielen – in dieser Region steigern wird, sehen Sie also auch eine Art volkspädagogische Bedeutung des „Tastentaumels“?
Nach wie vor sind uns die Förderung und die Präsentation junger Künstlerinnen und Künstler aus der Region sehr wichtig. Von den insgesamt 43 Veranstaltungen werden vierzehn von Jugendlichen bestritten! Ein anderes Ziel von Tastentaumel ist es, Braunschweig als Klavier(bau)stadt noch bekannter zu machen. Dadurch, dass wir bei jedem Festival neue Künstler und Institutionen dabei haben, erreichen wir auch immer neue Besuchergruppen. Es lässt sich schwer messen, ob jemand nach dem Besuch eines Tastentaumelkonzerts anfängt Klavier zu spielen. Wichtig aus meiner Sicht ist es, dass sich die Zuhörer überhaupt auf Musik einlassen, dass Sie sich begeistern und mitreißen lassen und in die Welt der Klaviermusik eintauchen und sei es nur für die Dauer eines Abends.
Das Festival ist das eine, die Organisation das andere . . .
Die Organisation dieses Festivals macht unglaublich viel Freude, aber auch nicht wenig Arbeit und beschäftigt mein Team und mich während eines ganzen Jahres. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen: Während der zehn Festivaltage finden 43 Veranstaltungen an 33 verschiedenen Orten im gesamten Braunschweiger Land statt. Beteiligt sind fast 600 Akteure – davon 150 Pianisten. 45 Klaviere und Flügel kommen zum Einsatz, 30 000 Flyer und 3000 Plakate wurden gedruckt. Sie können sich sicher vorstellen, dass mir da manches Mal ganz schön taumelig wird! Aber ich bin mit viel Herzblut bei dieser schönen Sache und freue mich, wenn’s dann endlich losgeht!
Welche Beziehung haben Sie eigentlich persönlich zum Klavier?
Musik spielt in meinem Leben seit jeher eine große Rolle. Ich spiele Querflöte und habe früher in verschiedenen Ensembles in Österreich und der Schweiz, da komme ich ursprünglich her, gespielt. Geistliche Chormusik sowohl als Sängerin als auch als Chorleiterin beschäftigt mich in meiner Freizeit immer schon und immer noch. Ich habe schon sehr oft bedauert, dass ich nicht Klavier spielen kann! Und wissen Sie was: Vor wenigen Monaten habe ich nun endlich angefangen, Unterricht zu nehmen! Aber pssst, das braucht keiner zu wissen . . .
Mehr Information unter: www.tastentaumel.de