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Ein neues altes Stück fürs Musikzimmer

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Objekt des Monats, Folge 8: Die Wandkonsole aus dem Schlossmuseum.

Im Musikzimmer des Braunschweiger Schlossmuseums steht ein neuer Konsoltisch. Der Tisch ist 93 x 88 cm groß, sehr elegant und seine Herkunft birgt eine äußerst spannende Geschichte. Das polierte Mahagonifurnier auf einem üblichen Nadelholzkorpus, die zweifach geschwungene Bodenplatte, feine vergoldete Messingstäbe und Rosetten zur Betonung des architektonischen Gefüges von Beinen, Querbalken und Sockeln sowie der zierliche achtteilige Stern auf der Innenseite: all das verrät die hohe Möbelkunst aus der Zeit des Spätempire um 1820 aus russischer Herkunft. Ein ursprünglich aufgesetzter Spiegel ist heute nicht mehr vorhanden.

Konsole im Schlossmuseum, um 1820. Foto: Bernd Wedemeyer

Wechselvoller Werdegang

Die Konsole aus dem Musikzimmer und 16 weitere Stücke – ein Schreibtisch, ein Bett, Kommoden, Schränke, Tische und Sitzmöbel – gehörten einst zum Fundus der Braunschweigischen Residenz. Nach 1820 liegt ihr Verbleib für lange Jahre im Dunkeln. Erst 1885 wurde das Ensemble mit Sicherheit im Schloss am Bohlweg greifbar. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Stücke registriert und erhielten den HRSCHL-Stempel (Herzogliches Residenzschloss), der den Kronbesitz vom privaten Besitz des 1884 verstorbenen Herzog Wilhelms trennte.

Konsole, Rückseite mit dem Stempel HSB 3162. Foto: Bernd Wedemeyer

Die Möbel standen vielleicht schon seit 1868 in einem Wohnzimmer für Hofgäste mit Blick auf den Schlossplatz in der zweiten Etage des Schlosses. 1885 bezieht Prinz Friedrich Heinrich, Sohn von Herzogsregent Albrecht von Preußen, diesen Raum, 1911 wohnt hier die Oberhofmeisterin unter Herzogsregent Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin und von 1913 bis 1918, bei ihren Besuchen in Braunschweig, Kaiserin Auguste Victoria, Mutter der letzten Herzogin Victoria Luise. 1911 erfolgte dort im Zimmer auch die Stempelung mit HSB (Herzogliches Schloss Braunschweig) und einer vierstelligen Zahl zur Auffindung im Möbelinventar.

Auflösung des Ensembles

Die Geschichte des geradlinigen ‚Aufstiegs‘ des Ensembles geriet von nun an zur Achterbahn. Um 1921 wurden die Konsole, ein Kleiderschrank und eine Vitrine vorab an das vormalige Herzogspaar Ernst August und Victoria Luise in die Weinbergvilla in Gmunden im Salzkammergut abgegeben. Die übrigen dreizehn Stücke gelangten ins museale Ministerzimmer des Braunschweiger Schlossmuseums, gingen aber 1925 bei der großen Abgabe aller Museumsgemälde und Möbel von vor 1835 auch an das bis 1918 regierende Herzogshaus. Das wiedervereinte Ensemble verfrachtete man 1928 ins Schloss Blankenburg und 1945 (vor dem Einmarsch der russischen Truppen nach dem Ende des Weltkriegs) auf die Marienburg bei Nordstemmen.

Dort blieb es jedoch nicht lange. Aufgrund finanzieller Nöte wurde es im April 1950 in Braunschweig im Herzog Anton Ulrich-Museum durch das Auktionshaus „Eduard Hünerberg“ für 4000 D-Mark zum Kauf angeboten. Unter dem beschriebenen Konvolut findet sich auch die Konsole im Schlossmuseum. Das Ensemble wurde einzeln an Händler verkauft, einiges gelangte an eine Industriellenfamilie in Kassel.

Auktion 1950 – Schreibtisch aus dem Ensemble. Foto: Archiv Wedemeyer

Es dauerte bis 2009, bis der Richard Borek Stiftung acht Stücke aus dem Ensemble zum Kauf angeboten wurden, wenn auch erfolglos. 2012 geht es lediglich um zwei überteuerte, abgewiesene Armlehnstühle, und 2023 kommt die Konsole auf den Markt. Sie kann durch die Richard Borek Stiftung für das Schlossmuseum – den Ursprungsort – zurückgewonnen werden. Die anderen Stücke des Ensembles sind noch im Umlauf.

Dr. Bernd Wedemeyer ist Bau- und Kunsthistoriker sowie Autor mehrerer Bücher über das Braunschweiger Residenzschloss.

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