Eine Entdeckung in Gotha
Serie über die Braunschweiger Manufaktur Stobwasser, Folge 5: Zwei seltene Stehleuchter werden restauriert.
Das monumentale frühbarocke Schloss Friedenstein in Gotha ist mit seinen zahlreich erhaltenen Repräsentationsräumen ein Höhepunkt mitteldeutscher Residenzkultur. Bis heute haben sich Raumfolgen aus der Erbauungszeit, der Zeit des Hochbarocks und Rokokos sowie des Klassizismus erhalten, die im Laufe der Zeit immer wieder ins rechte Licht gesetzt werden sollten. Dafür wurden auch Produkte der Stobwasser-Manufaktur eingesetzt, was erst seit Kurzem wieder bekannt ist. Auf einer historischen Fotografie aus dem Jahr 1908 sind zwei Stehleuchter mit Kugelglasschirmen auf der Fensterseite des sogenannten Fliederzimmers zu sehen.
Exzeptionelle Raumschöpfung
Im Zuge umfangreicher Sanierungsmaßnahmen des Westflügels wurden historische Dokumente, Beschreibungen und Fotografien ausgewertet, um Raumfassungen und die Ausstattung der Räumlichkeiten zu rekonstruieren. Der Bereich wird bestimmt durch das Neue Erbprinzenappartement, ein klassizistisches Raumkunstwerk, welches ab dem späten 18. Jahrhundert für den späteren Herzog Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1822) eingerichtet wurde. Nicht nur der gute Erhaltungszustand der antikisierend und orientalisch anmutenden Räume ist hervorzuheben, sondern auch die zahlreich erhaltene originale Möblierung, die mit den einzelnen Räumen konzeptionell und ästhetisch eine Einheit bildet und somit im Sinne der beauftragten Architekten Carl Gotthard Langhans und Carl August Benjamin Siegel eine exzeptionelle Raumschöpfung von besonderem Wert darstellt.
Dem Audienzgemach des Herzogs kam dabei nach europäischem Hofzeremoniell eine besondere Bedeutung zu. Dem schillernden oder sollte man sagen flatterhaftem Geist und außergewöhnlichem Geschmack Herzog Emil Augusts entsprechend, wurde der Raum gestaltet. Die Wände und Decken schmücken Malereien auf Seidenstoffen mit üppigen Blumengewinden aus Fliederblüten und Rosen zwischen denen Vögel fliegen. Die Tauben zieren auch die Supraporten sowie den Deckenhimmel, der außerdem eine Eule zeigt und im Sinne einer Allegorie auf die Weisheit der Herrschaft über die Untertanen zu deuten sind. Diese üppige Blumenzier führte dann später zur Bezeichnung des Raumes als Fliederzimmer.
Wohl 1817 angeschafft
Die Ausstattung bestand aus extra angefertigten vergoldeten Möbeln, die sich an Kupferstichvorlagen des französischen Künstlers Charles Percier orientierten. Vermutlich wurden während einer ersten Umgestaltung 1809/10 Gemälde von Joseph Grassi integriert, die als Kopien berühmte Werke der italienischen Kunst, wie den Schwebenden Genius und die Heilige Cäcilie nach Annibale Carracci oder eine Darstellung der Salome nach Carlo Dolce, zitieren. Eine weitere Veränderung ist für das Jahr 1817 in den Quellen vermerkt: „Das Audienzzimmer wird wie alle anderen Zimmer frisch vergoldet und ausgeputzt und erhält einen neuen schönen Lustre und neue grün Seidene Vorhänge.“ (Raumbuch STSG, Dok. 445, S. 56 f.) Es kann vermutet werden, dass in dieser Zeit auch die beiden Stobwasser-Stehleuchter angeschafft wurden, um das Licht des neuen Deckenleuchters zusätzlich zu verstärken und besser im Raum zu verteilen.
Im Depot erhalten
Die beiden Agandbrenner haben sich im Depot der Stiftung Schloss Friedenstein erhalten, ohne dass der Zusammenhang mit dem Westflügel Appartement bekannt war, der erst über einen Vergleich mit der historischen Fotografie gelang. Neben den heute verlorenen Kugelglasschirmen sind glücklicherweise nur kleinere Verluste zu verzeichnen, weshalb eine umfangreiche Restaurierung mit Rekonstruktion der Glasschirme beschlossen wurde, mit dem Ziel die zwei Leuchter nach erfolgter Sanierung des Schlossflügels wieder im Audienzgemach zu präsentieren. Firmensignets an den Brennhülsen sowie stilistische Vergleiche mit anderen Produkten lassen eine eindeutige Zuweisung an die Manufaktur Stobwasser (vermutlich Berlin) und eine Datierung um 1815/20 zu. Typisch sind zum Beispiel die als Löwentatzen ausbildeten Füße mit aufgesetzter Blattornamentik, die in vergleichbarer Form bei einem Ofenschirm, datiert um 1820, Verwendung finden.
Die Restaurierung durch Susann Böhm und Bernhard Mai (Erfurt) erfolgt mit Unterstützung der Kulturstiftung Gotha und dem Freundeskreis Kunstsammlungen e.V. Eine erste Expertise führte die Firma Historische Leuchten Jacob in Leipzig durch.
Dr. Timo Trümper ist Direktor Wissenschaft und Sammlungen, Malerei und Plastik, Sammlung Moderne bei der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha.