Eine ganze Kirche wird verfrachtet
Arbeiten haben begonnen: Die verfallende Stabkirche Stiege wird im Wald demontiert und sieben Kilometer entfernt im Ort saniert und restauriert wieder aufgebaut.
Während die Stabkirche im Goslarer Stadtteil Hahnenklee seit Jahrzehnten zu den großen Attraktionen für Touristen im Westharz zählt, fristete ihr kleineres Pendant unweit des Ortes Stiege (Sachsen-Anhalt) im Ostharz bislang eine kaum beachtetes Schicksal und war viele Jahre lang dem Verfall gewidmet. Das ändert sich jetzt, weil engagierte Bürger um Vorstandsmitglied Regina Bierwisch sich seit 2014 für die Rettung der Kapelle einsetzen und jetzt mit ihren Bemühungen auf die Zielgerade eingebogen sind: Die im Wald vermodernde Kirche wird im Wald abgebaut, saniert, restauriert und mitten im Ort wieder neu errichtet.
Gelegen an der Pilgerroute Via Romea
Zwischen dem alten und dem neuen Standort liegen rund sieben Kilometer. Schon vom Sommer 2021 an sollen dort Hochzeiten, Lesungen oder Konzerte stattfinden und vor allem Touristen Stiege neu beleben. Der neue Standort liegt an der europäischen Pilgerroute Via Romea und wird ein Pilgerruhepunkt.
Den Weg für den seit Jahren geplanten Umzug der denkmalgeschützten Stabkirche machten Förderer und Sponsoren frei. Darunter befindet sich die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz. Stiege gehört zum ehemaligen Braunschweiger Land. Zur Einweihung der Holzkirche am 20. Mai 1905 war auch der braunschweigische Prinzregent, Albrecht Prinz von Preußen, gekommen. Acht Jahre zuvor war die nach ihm benannte ehemalige Albrechtshaus-Heilstätte für Lungenkranke in unmittelbarer Nähe eröffnet worden. Heute sind deren Gebäude aber nur noch Ruinen. Zuletzt war dort eine Reha-Klinik beheimatet. Pläne, in der Folge ein Hotel anzusiedeln, zerschlugen sich.
Es gibt gegenwärtig keine neuen Pläne zur Nutzung des Geländes, zu dem auch die Kapelle gehört. Der Eigentümer hat die Kirche dem Verein übertragen. Die Kapelle war zuletzt zwischen 1990 und 1993 renoviert worden. Seither lag sie mit Ausnahme von einigen privaten Feiern verwaist im Abseits.
Neuer Standort am Bahnhof
Eine Million Euro sind für das ungewöhnliche Projekt des Kirchenumzugs vonnöten. Das Geld ist beisammen, meldete der Förderverein zur Umsetzung und Instandsetzung der Stieger Stabkirche, kurz Verein Stabkirche Stiege, im November. Postwendend haben die Arbeiten begonnen. Der neue Standort nahe des Bahnhofs für die Harzer Schmalspurbahn wird vorbereitet, der erste Spatenstich fand wegen der Corona-Pandemie bereits still und leise statt, erste Demontagen an der Kirche haben begonnen und die ersten Aufträge für Restaurierungen sind erteilt.
„Die Stabkirche Stiege ist ein echtes Unikat und ein wahrer Schatz für unsere Region. Sie gehört zum Kulturgut unseres Landes, sie muss geschützt und erhalten werden“, schildert Regina Bierwisch ihre Motivation und die ihrer längst zahlreichen Mitstreiter, die vieles auch in Eigenleistung erledigen wollen. Die Kapelle befindet sich noch im Originalzustand. Neben der Stabkirche in Hahnenklee gibt es in Deutschland nur noch zwei weitere Nachbauten von Stabkirchen nach norwegischem Vorbild – die in Stiege und die in Stahnsdorf (alle zwischen 1905 und 1911 erbaut).
Opfer von Vandalismus
In der Abgeschiedenheit des Waldes war die Stieger Stabkirche oft Opfer von Vandalismus geworden. Dabei waren bereits historisch, einzigartige und wertvolle Details zerstört worden. Deswegen war die Kapelle mit Metallplatten vor Fenstern und Türen verbarrikadiert worden und für die Öffentlichkeit seit nunmehr fast zehn Jahren nicht mehr zugänglich. Der Prozess des schleichenden Verfalls ging dennoch weiter. Damit die Kirche nicht länger zu einem Lost Place in der Harzregion verfällt, war zügiges Handeln notwendig. Zum Glück hat es geklappt.
Kontakt:
Stabkirche Stiege e. V.
Lange Str. 48
38899 Stiege
E-Mail: info@stabkirche-stiege.de
Internetseite: https://www.stabkirche-stiege.de/stabkirche.html
Telefon: 039459 / 72 425