Fast wie eine normale Familie
Hof Martin des Pädagogisch-Psychologischen Therapie-Zentrum bietet Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen ein neues Zuhause.
Das alte Fachwerkhaus mit dem großen Garten am Ende einer ruhigen Straße im Örtchen Lobmachtersen strahlt ländliche Idylle aus. Dort liegt der Hof Martin und dort haben drei Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen ein neues Zuhause gefunden, für ein weiteres Kind ist noch ein Zimmer frei. Der Hof Martin ist ein Angebot des Pädagogisch-Psychologischen Therapie-Zentrums Braunschweig (PPTZ) und gleichzeitig die Verwirklichung einer Idee von Martin Schwartmann, der als Betreuer gemeinsam mit Lebensgefährtin Maren Hillegeist auf dem Hof lebt.
Unterstützt wird die Einrichtung von der Kroschke Kinderstiftung. Sie hat auf dem Hof Martin die Anschaffung von Spielsachen und Werkzeug gefördert. Darüber hinaus hat die gemeinnützige Kinderstiftung weitere Projekte des PPTZ unterstützt.
Ort der Geborgenheit
„Wir wollen etwas Gutes für die Kinder tun und ihnen die Chance geben, möglichst lange bei uns zu bleiben“, sagt Schwartmann. Das können gut zehn Jahre sein. Dann beginnt für Schwartmann der Ruhestand und Lukas (7), Mia (8) und Jonas (12)* sind volljährig. „Den Kindern gibt dieser lange Zeitraum Sicherheit“, sagt Karsten Schubert, pädagogischer Leiter des Jugendhilfevereins.
Eine Sicherheit, die viele der insgesamt rund 80 Kinder, die das PPTZ in Wohngruppen und Erziehungsstellen betreut, in ihren Herkunftsfamilien nie kennengelernt haben. „Diese Familien sind oft nicht fähig ein Kind großzuziehen“, sagt Schubert, „die Eltern sind vielfach überfordert.“ Gründe können Alkohol- oder Drogensucht sein. Manche leiden unter der Trennung von ihrem Partner, andere sind psychisch krank. Die Folgen machen den Kindern lange zu schaffen, die eine nässt ein, der andere stottert, der nächste ist hyperaktiv. Dennoch ist es dem Pädagogen wichtig, dass die Mädchen und Jungen möglichst den Kontakt zu ihren Eltern halten: „Sie sollen wissen, wo sie herkommen.“ Auch eine Rückkehr in die Herkunftsfamilien ist nicht ausgeschlossen.
Mit Gute-Nacht-Geschichten
Auf dem Hof Martin erleben Lukas, Mia und Jonas wie Familie sein kann: mit einem geregelten Tagesablauf, gemeinsamen Mahlzeiten, Abenden mit Spielen oder Fernsehschauen und einer Gute-Nacht-Geschichte. In dem mehr als 200 Quadratmeter großen Haus hat jedes Kind sein eigenes Zimmer, im Eingangsbereich können sie an einem großen Tisch die Hausaufgaben machen, Martin Schwartmann und Maren Hillegeist steht eine kleine abgeschlossene Wohnung zur Verfügung.
Hof und Garten bieten viele Möglichkeiten zum Toben und Spielen. Es gibt ein großes Trampolin, ein Tipi bietet Schutz vor Regen, auf einer Feuerstelle lässt sich ein Lagerfeuer machen. „Hier können die drei einfach mal Kind sein, frei leben, über Grenzen gehen, laut sein“, schwärmt Schwartmann. In einer Werkstatt finden sich gut geordnet Hammer, Zangen, Sägen, Schutzbrillen, Schnitzmesser und viele andere Werkzeuge, denn die Vermittlung handwerklicher Fertigkeiten spielt eine große Rolle. Und Jonas hat in einer Ecke des Gartens ein kleines Gemüsebeet angelegt und zeigt stolz auf seine zarten Pflänzchen, auf Kräuter, Tomaten und Paprika.
Psychologin unterstützt
Unterstützung bekommen der Betreuer und seine Lebensgefährtin von einer Psychologin, drei Erzieherinnen und einer Sozialpädagogin. Da die Kinder unter Bindungsstörungen leiden, ist es wichtig, dass sie Kontakt zu den immer gleichen Personen haben, aber genauso wichtig ist es, dass die Gesichter mal wechseln. „Das führt zu Entspannung“, weiß Martin Schwartmann.
Auch die Kontakte nach außen, zu Nachbarn und Gleichaltrigen dürfen nicht fehlen. Mittlerweile sind die Kinder vom Hof Martin im Dorf gut bekannt. Die jüngeren besuchen die Grundschule im Nachbarort und der kleine Lukas hat bereits feste Freunde gefunden. Und wie es auch in anderen Familien üblich ist, dürfen die drei ihre Freunde nach Hause einladen.
Glücksfall für das PPTZ
Für das PPTZ ist der Hof Martin ein Glücksfall. Denn eigentlich hatte der Vermieter in dem alten Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert mit dem 3000 Quadratmeter großen Garten ein Mehrgenerationenhaus geplant. Diese Pläne sind jetzt vom Tisch und der Mietvertrag mit dem PPTZ wurde für insgesamt zehn Jahre abgeschlossen. Obwohl eine familiennahe Unterbringung positiv für die Entwicklung der Kinder ist und einen Aufenthalt in Heimen vermeidet, ist es für den Jugendhilfeverein leider das einzige Modell dieser Art. „Der Bedarf an derartigen Plätzen ist aber sehr groß“, sagt Schubert. „Es ist schwer jemanden zu finden, der eine derartige Arbeit machen will.“ Für Schwartmann und seine Lebensgefährtin passt es hingegen. „Auf dieses Lebensmodell muss man sich einlassen“, schmunzelt der Martin Schwartmann.
*Alle Namen der Kinder sind geändert.