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Glasperlenfabrik van Selow im Rampenlicht

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Neuer Kunstband über exotische Objekte aus Braunschweig, die im 18. Jahrhundert die Fantasie der Zeitgenossen anregte.

Wenn es die Buchreihe „Braunschweigisches Kunsthandwerk“ nicht geben würde, dann wäre die Braunschweiger Korallenfabrik des Johann Michael van Selow weiterhin nur einem kleinen, erlesenen Expertenkreis bekannt gewesen. So aber wurde die Manufaktur für eine breitere Öffentlichkeit wieder ins Rampenlicht gerückt. In seinen nur zwölf Braunschwereiger Jahren (1755-1767) schuf van Selow rund 400 mit Perlenmosaiken gestaltete Tische, Kommoden, Tablette, Flaschen, Papageien als Tierfiguren und weitere Gegenstände des täglichen Lebens. Der von Kunsthistorikerin Henriette Graf (Potsdam) erarbeitete Kunstband über diese fast vergessene Episode des Braunschweigischen Kunsthandwerks wurde im Städtischen Museum vorgestellt. Beiträge zum Buch steuerten auch Andreas Flöck, Angelika Rauch und Garnet Rösch-Meier bei.

Ovaler Tisch mit Herrenhaus in Parkanlage, Privatsammlung, München. Foto: aus Die Braunschweiger Korallenfabrik des Johann Michael van Selow

Es ist der fünfte Band, den die Richard Borek Stiftung gemeinsam mit der Braunschweigische Stiftung und der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz herausgegeben hat. Zuvor waren bereits „Stobwasser – Lackkunst aus Braunschweig und Berlin“ (2005), „Braunschweigische Münzen und Medaillen – 1000 Jahre Münzkunst und Geschichte in Stadt und Land Braunschweig“ (2010), „Die Porzellanmanufaktur Fürstenberg“ (2016) und „Braunschweiger Möbel des 18. Jahrhunderts“ (2021) erschienen.

Idee vor 25 Jahren entwickelt

Die Buchreihe geht auf eine Initiative der Richard Borek Stiftung zurück. Vor 25 Jahren habe die Stiftung mit dem damaligen Direktor des Städtischen Museums Braunschweig, Gerd Spies, ein Museumskonzept entwickelt, das die Bedeutung des Herzogtums Braunschweig als ehemaliger Standort für herausragendes Kunsthandwerk aller Materialien auch in Braunschweig selbst bekannt machen sollte. Die Vereinbarung sei bedauerlicherweise nicht zustande gekommen, aber es sei gelungen die beiden anderen großen Braunschweigischen Stiftungen für die Herausgabe der Kunstbände zu gewinnen.

„In den Bänden werden wichtige Artefakte regionaler kultureller Identität bewahrt und die Kulturgeschichte zur Diskussion gestellt, auch hinsichtlich ihrer Relevanz für die Zukunft. Dabei begleitet uns der Anspruch, informative und dauerhafte Nachschlagewerke zu entwickeln, die Standardpublikation sind beziehungsweise im Laufe der Jahre werden“, sagte Richard Borek im Rahmen der Präsentation des neuen Bandes.

Papageienskulptur, Johann Michael van Selow. Foto: Herzog Anton Ulrich-Museum

Die Objekte von Selows ordneten sich schon im 18. Jahrhundert in eine zunehmende Ästhetisierung und Individualisierung des Lebens ein, die sich bis heute fortsetze, so Richard Borek. Henriette Graf schreibt dazu: „Er [also van Selow] stellte museale Gegenstände her, die alltagstauglich waren. Seine exotischen Objekte waren teure Gebrauchsgegenstände, die das Haus schmückten und zur Bewunderung von Besuchern beitrugen.” Van Selows Arbeiten zeichnen sich durch einen hohen Wiedererkennungswert aus und besitzen ein wohl weltweites Alleinstellungsmerkmal. Dennoch litt van Selow unter chronischer Geldnot und musste schließlich aufgeben, obwohl Herzog Carl I. ihn mehrfach unterstützt hatte.

Nur zwölf Jahre in Braunschweig

Im Jahr 1755 hatte sich van Selow in Braunschweig als „Künstler“ und „Muschelarbeiter“ niedergelassen und die Manufaktur für Glasperlenmosaiken sowie mit Glasperlen, Muscheln, Schnecken und diversen anderen Materialien in Kitt eingelegten Skulpturen gegründet. lm Sommer 1767 verließ er Braunschweig wieder, und seine Spur verlor sich. Weder sein Name noch der seines Sohnes tauchten jemals in den Akten wieder auf. Die Manufaktur war an den Tischler Thiele Heinrich Eggeling verkauft worden, aber sie war nicht mehr zu retten. Die Nachfrage nach den Erzeugnissen war nicht mehr vorhanden. Die letzte Nachricht über die Korallenfabrik war ein Inserat im Braunschweiger Anzeiger vom 10. August 1771. Darin hieß es: 14 Stück sehr sauber gemachte Korallen-Tischblätter, wie auch ein sehr schöner mit Korallen ausgelegter Quadrille-Tisch zum billigen Preis zu verkaufen.

Van Selow verkaufte seine Erzeugnisse nach den Erkenntnissen von Henriette Graf wohl ausschließlich in Braunschweig und auf den hiesigen Messen. Aus seiner regen Korrespondenz mit Herzog Carl I. ließen sich trotz anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten ein unbeschädigtes Selbstbewusstsein und ein für seine Zeit gutes Deutsch ablesen. Auch wenn er in Amsterdam als Geschäftsmann aufgetreten sei, so habe er sich doch mehr als Künstler oder Kunsthandwerker verstand.

Einband „Die Braunschweiger Korallenfabrik des Johann Michael van Selow“. Foto: Verlag

„Van Selow vereinte mithilfe von Glasperlen die Kunstfertigkeit der Darstellung von Naturalia und Exotika. Er konnte damit die Neugier des Rokokos auf Fremdes und Exotisches befriedigen. Die Papageien, Muscheln, Schnecken und Korallen auf seinen Mosaiken regten die Fantasie der Zeitgenossen an und gaben ihnen das Gefühl, mehr zu kennen und zu wissen als andere“, erläutert Henriette Graf.

Die Korallen genannten Glasperlen waren in erster Linie Rocailleperlen, die in unterschiedlichen Größen und Farben alle Tischplatten bedecken. Rocailleperlen sind nicht kugelförmig sondern abgeflacht, im Querschnitt rund und mit einem Loch zum Auffädeln versehen. Die Frage nach der Herkunft der Glasperlen, die verwendet wurden, ließe sich, so die Autorin, nicht eindeutig klären. Eine Analyse der Inhaltsstoffe ergab eine denkbare Provenienz aus den Niederlanden, Frankreich oder Venedig.

Noch bis zum 3. Oktober gibt es die Möglichkeit, in der Sonderausstellung des Schlossmuseums Wolfenbüttel Museums van-Selow-Werke privater Sammlerinnen und Sammler sowie verschiedener Museen zu begutachten.

Infos:
„Die Braunschweiger Korallenfabrik des Johann Michael van Selow“
Henriette Graf
Reihe Braunschweigisches Kunsthandwerk Band 5. Herausgegeben von der Richard Borek Stiftung, Stiftung Braunschweigischerer Kulturbesitz und die Braunschweigische Stiftung
Hardcover, geb., mit Schutzumschlag, Fadenheftung, 306 S., 252 z.T. farbige Abb.
ISBN 978-3-9823115-1-7
75,00 Euro

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