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Herzoglicher Hochzeitskorso durch die Residenzlandschaft

Kupferstich; Die Festung Wolfenbüttel und der Okerlauf sowie die Straßen nach Braunschweig bis zum Lechlumer Holz. Am unteren Bildrand: der Herrschaftliche Weg flankiert mit den Hofbeamtengärten und das Sternhaus mit Jagdstern im Lechlumer Holz.
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Im Zeitalter des Barock prägten die Braunschweiger Herzöge nicht nur ihre Residenzstädte. Historiker Sebastian Mönnich zeigt am Beispiel einer Hochzeit, wie der Weg zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig zur regelrechten Feststraße wurde.

Wir schreiben das Jahr 1701. Das ganze Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel wurde von den herzoglichen Brüdern Rudolf August und Anton Ulrich regiert. Der Hof befand sich zu dieser Zeit aber noch in Wolfenbüttel und nicht in Braunschweig.

Unter der Vormundschaft der beiden Herzöge lebte Herzogin Elisabeth Sophie Marie von Schleswig-Holstein-Norburg am Hof in Wolfenbüttel. Sie war eine Nichte von Herzogin Elisabeth Julianes, der Frau von Herzog Anton Ulrich.

Für sie stand in diesem Jahr das ganz große Fest an – eine fürstliche Hochzeit. Als Elisabeth Sophie Marie im Oktober 1701 Herzog Adolf August zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön heiraten sollte, bestand ihre Tante Elisabeth Juliane darauf, die Hochzeit in Wolfenbüttel auszurichten.

Herzogin Elisabeth Sophie Marie. Bernhard Christoph Francke, Öl auf Leinwand, um 1720.

Herzogin Elisabeth Sophie Marie. Bernhard Christoph Francke, Öl auf Leinwand, um 1720. Foto: Richard Borek Stiftung.

Hochzeit unter Herzögen

Die Feierlichkeiten sollten sechs Tage in Anspruch nehmen. Am 8. Oktober wurde die Trauung im Audienzzimmer von Herzogin Elisabeth Juliane vollzogen. Am 9. Oktober wurde das Paar unter Pauken- und Trompetenklang in der Schlosskapelle eingesegnet. Nach der anschließenden Festtafel beendete ein Ball den Tag.

Vom 10. bis 12. Oktober folgten weitere Tafelgesellschaften, Bälle und ein Opernbesuch, bei dem das Brautpaar sogar selbst das Tanzbein schwingen durfte. Am 13. Oktober folgte dann der feierliche Auszug des Brautpaares in das benachbarte Braunschweig.

Braunschweig gehörte seit 1671 wieder den Herzögen und nahm seitdem immer stärker die Züge einer Residenzstadt an. Aber als Fürst von Gottes Gnaden reitet man nicht einfach in die Nachbarstadt oder geht gar zu Fuß. Erst recht nicht zu so einem solch feierlichen Anlass wie einer Hochzeit. Stattdessen gestaltete der Hof einen regelrechten Hochzeitskorso durch die sogenannte Residenzlandschaft.

Ein fürstlicher Weg zwischen zwei Städten

Die Residenzlandschaft entstand zwischen den 1670er und 1760er Jahren zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel. Sie gestaltete sich als ein langer Weg, der sich zwischen den beiden Städten erstreckte und von zahlreichen fürstlichen und adligen Bauten durchzogen war.

Im Jahr der Eheschließung war bereits der „Herrschaftliche Weg“ von Wolfenbüttel aus durch das Lechlumer Holz in Richtung Stöckheim angelegt. Zu seinen Seiten standen bis zum Waldrand zahlreiche Lusthäuser der Wolfenbütteler Hofbeamtenschaft. Im Lechlumer Holz selbst befand sich inmitten eines „Jagdsterns“ (ein durch sternförmig angelegte Alleen erschlossenes Waldstück) das Sternhaus und in Stöckheim ebenfalls mitten auf der Straße das Weghaus. Beide Gebäude dienten den Herzögen als standesgemäße Zwischenstationen. Westlich davon lag das Lustschloss Salzdahlum.

Herrschaft verdichtete sich also baulich zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel in der Architektur der Residenzlandschaft und bot der Hofgesellschaft einen standesgemäßen Transitraum zwischen den beiden Städten. So auch am 13. Oktober 1701.

Goldene Kutschen und donnernde Kanonen

An diesem Tag waren die Straßen in Wolfenbüttel vom Schlossplatz über die Freiheit (heute Krambuden), den Stadt-, Korn- und Holzmarkt bis zum Herzogtor mit Regimentssoldaten gesäumt. Durchfahren wurde dieses stadtweite Spalier von 14 Kutschen, Karosserien und Wagen, von denen vier vergoldet waren. In diesen wurden die fürstliche Familie, die Hofdamen, die Minister und Räte befördert. Zu Pferde wurden sie dabei von den Hofkavalieren, Hofoffizieren und Hofpagen, 50 Gardereitern sowie vier Trompetern und zwei Paukern begleitet.

Um 10 Uhr setzte sich der Hochzeitskorso von mehr als 120 Personen in Bewegung. Dreimalig donnerten die Kanonen von den Wolfenbütteler Bastionen, als der Tross das Herzogtor passierte. Was für ein Spektakel! Trompetenschall und Paukenschläge, das Getrappel der Hufe, Befehlsrufe, das Geklirr der Säbel, der Sporen und des Zaumzeugs, quietschende Radachsen und das Rollen der Kutschenräder erfüllten an diesem Tag die Residenzlandschaft. Neben den Säbeln oder den Metallknöpfen der Uniformen mögen vor allem die vier Goldkutschen im Sonnenlicht gefunkelt haben.

In der aufmerksamkeitserregenden Inszenierung zog der Korso vorbei an den Hofbeamtengärten mit ihren Lusthäusern, dem Sternhaus und dem Stöckheimer Weghaus. In Braunschweig angekommen, passierte der Zug das Ägidientor. Abermals donnerten drei Salutschüsse von Bastionen und alle acht Regimenter der Garnisonstadt nahmen das Brautpaar und den Hof in Empfang. Am Grauen Hof kam der Hochzeitskorso zum Stehen. Anschließend wurden – wie nicht anders zu erwarten – abermals eine fürstliche Tafel und ein Ball abgehalten, womit die Festivitäten ihr Ende fanden.

Das Spektakel zeigt: Herrschaft war über Augen und Ohren erlebbar und musste es nach den Regeln der adeligen Gesellschaft auch sein. Dazu bildete die Residenzlandschaft zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig eine angemessene Bühne.

Erlebte Herrschaft und die Residenzlandschaft heute

Wenn auch heute keine Herzöge mehr zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel pendeln: einige Gebäude der Residenzlandschaft und Teile der Wegeführung haben sich erhalten und können im Braunschweiger Umland noch heute erkundet werden. Es empfiehlt sich also, mit Barockmusik auf den Ohren, das nächste Mal in die Buslinie 420 oder die Tramlinie 1 zu steigen und wie die Herzöge mit Pauken und Trompeten zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel zu pendeln.

Sebastian Mönnich war 2018 bis 2020 wissenschaftlicher Volontär am Museum Wolfenbüttel, anschließend bis 2023 Promotionsstipendiat am Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und arbeitet momentan als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaft der TU Braunschweig.

Mehr zur Geschichte von Wolfenbüttel und Braunschweig als Residenzstädte erfahren Sie in der neuen Sonderausstellung „ResidenzWechsel“, die sowohl im Schlossmuseum Braunschweig als auch im Schlossmuseum Wolfenbüttel zu sehen ist.

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