Startseite Heimat & Identität Hier erholte sich Heinrich der...

Hier erholte sich Heinrich der Löwe von seinem Reitunfall

von

Die herausragenden Kirchen im Braunschweiger Land, Teil 6: Die Klosteranlage Walkenried und ihre berühmte Ruine.

Die ehemalige Klosterkirche in Walkenried ist fraglos die berühmteste Ruine im Braunschweigischen Land. Das gesamte Klosterensemble hat sich dank erheblicher Anstrengungen in den jüngsten Jahrzehnten zu einem frequentierten Anziehungspunkt für Touristen entwickelt und findet nun die Beachtung, die ihm historisch gebührt.

Das Angebot ist groß: Die Klostermauern beherbergen das Zisterzienser-Museum, das zu den schönsten und innovativsten Klostermuseen Europas zählt. In unmittelbarer Nähe befindet sich das erste von drei Infozentren zum UNESCO-Welterbe „Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft“. Im wunderschönen, doppelschiffigen Kreuzgang des Klosters finden die Walkenrieder Kreuzgangkonzerte statt. Und regelmäßig im Spätsommer steht der Internationale Klostermarkt Walkenried an.

Die Ruine der 1570 aufgegebenen gotischen Kirche. Foto: SBK/Andreas Greiner Napp

Fast 900-jährige Geschichte

Das Kloster Walkenried blickt auf eine nahezu 900-jährige Geschichte zurück. Im Jahr 1127 stiftete Adelheid von Walkenried das dritte Zisterzienserkloster auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Beim Gründungskonvent waren zwölf Mönche anwesend. Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg (1075-1137), Großvater Heinrichs des Löwen (1129-1195), unterstützte die Entwicklung des Klosters maßgeblich. Nach einem Reitunfall hielt sich sein Enkel 1193/94 zur Genesung in Walkenried auf. Die ursprüngliche romanische Kirche des Klosters, die Heinrich der Löwe während seines Aufenthalts besuchte, wurde allerdings nur rund 70 Jahre lang genutzt und dann bereits durch einen noch größeren, 90 Meter langen gotischen Neubau ersetzt. Die romanische Basilika war „nur“ 50 Meter lang und war bereits 1137 fertiggestellt worden. Die 1290 geweihte neue Kirche wurde von Kaiser Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen, mitfinanziert. Sie galt als eine der größten in Norddeutschland.

Während der Blütezeit lebten 80 Mönche und bis zu 180 Laienbrüder im Kloster. Im 13. Jahrhundert gehörten dem Kloster zahlreiche Ländereien und Forsten in der Umgebung, Bergwerks- und Hüttenbetriebe im Harz, aber auch Weinberge bei Würzburg sowie Anteile an der Saline in Lüneburg. Das Kloster entwickelte sich zu einem mittelalterlichen „Konzern“. Anfang des 16. Jahrhunderts schrumpften Einfluss und wirtschaftliche Macht des Klosters allerdings erheblich. Walkenried hatte sich von allen unrentablen Bergbau-Liegenschaften getrennt. Insgesamt bedeutete das eine dramatische Verkleinerung des klösterlichen Besitzes.

Das hölzerne Prunk-Epitaph zeigt den letzten Honsteiner Grafen Ernst VII. . Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Durch Aufständische zerstört

Während des Bauernaufstands 1525 besetzten rund 800 Bauern das Kloster. Der Abriss des Kirchendachreiters durch die Aufständischen leitete den Verfall der Kirche ein. Die Mönche flüchten mehrheitlich aus Walkenried. Die wenigen verbliebenen Mönche traten 1546 zur Lehre Luthers über. Walkenried hatte seinen zisterziensischen Charakter verloren.

Die Kirche wurde 1570 aufgegeben. Seither dient der Kapitelsaal, der einstige Versammlungsort der Mönche, als evangelische Kirche. Die Ausstattung des Kapitelsaals stammt größtenteils aus nachmönchischer Zeit. Die Steine der Ruine wurden mehr als 150 Jahre lang zu großen Teilen abgetragen und anderweitig verwendet. Der Bischof von Halberstadt übergab schließlich 1593 das Klostergebäude und die verbliebenen Ländereien an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.

Grundlage des heutigen Zustands der Klosteranlage war eine umfangreiche Sanierung, die von 1977 bis 1994 von der Braunschweig-Stiftung, heute ein Teilvermögen der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, ermöglicht wurden. Dazu gehörten der Teilausbau der Südklausur als Haupteingang und der Wiederaufbau von zwei Fensterbögen des Hohen Chores zur Sicherung der Kirchenruine. Besonders erwähnenswert sind die Arbeiten am zweischiffigen Kreuzgang. Der Kapitelsaal erhielt die ursprüngliche farbige Fassung der Gewölberippen in den 1980er Jahren zurück. Weitere umfangreiche Sanierungen erfolgten von 1999 an und machten weite Teile der Klosteranlage für die Öffentlichkeit zugänglich. Das Zisterzienser-Museum existiert seit 2006.

Der zweischiffige Kreuzgang des Klosters Walkenried. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Archäologische Ausgrabungen

Mehrere Forschungsprojekte Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) beschäftigten sich mit der Klosteranlage Walkenried. Dabei entpuppte sich die Erde rund um das Kloster als wahre Schatztruhe für Funde aus der Romanik, Gotik und Neuzeit. Gefunden wurde unter anderem ein Handwerkerareal. Es belegt, dass die Mönche an Ort und Stelle Bronze verarbeiteten. Unterirdische Holzleitungen zeigten, dass sich die Mönche schon fließendes Wasser zunutze gemacht hatten. Sie wurden zum Teil auf das Jahr 1183 datiert. Ein sehr gut erhaltener Gipsbrennofen gilt als archäologisches Highlight. Wahrscheinlich wurde in ihm der Gips gebrannt, den man dann als Mörtel zum Bau des gotischen Klostergebäudes verwendet hat.

Während der jüngsten archäologischen Grabungen wurden Baustrukturen des Gründungsklosters entdeckt. Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass die Arkadenpfeiler des späteren gotischen Langhauses auf Streifenfundamenten ruhten, die wenigstens teilweise aus Baumaterial der romanischen Vorgängeranlage stammten. Offenbar wurde bei der Errichtung der gotischen Kirche zunächst der romanische Vorgängerbau vollständig abgerissen. Das Projekt wurde durch Förderung der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ermöglicht.

Der als evangelische Kirche genutzte Kapitelsaal mit der barocken Holzkanzel. Foto: SBK/Andreas Greiner-Napp

Informative Rundgänge

Wer sich auf eigene Faust vor Ort in Walkenried informieren will, hat zwei detailliert ausgearbeitete Möglichkeiten: Der Kloster-Erkenntnisweg verfügt über 13 Stationen, die mit bebilderten Informationstafeln zu einer Entdeckungsreise innerhalb des mittelalterlichen Klosterbezirks und in die unmittelbare Umgebung einladen. Außerdem hat die Kirchengemeinde Walkenried einen spirituellen Klosterrundgang entwickelt, auf dem sich die Kraftquellen der Mönche erkunden lassen. An insgesamt acht Stationen an ausgewählten Orten im und am Kloster können sich Besucherinnen und Besucher inspirieren lassen.

Bilboard 2 (994x118 px)