In der Gewinnzone für das Gemeinwesen
Interview mit Axel Richter, Vorstandsmitglied der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE, zum Jahresbericht 2013.
Die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE zieht im gerade erschienen Jahresbericht 2013 eine erfreuliche Bilanz nach ihrem 19. Jahr des Bestehens: Die Summe der aus dem Kapital erwirtschafteten Erträge hat die Höhe des anfänglichen Stiftungskapitals überschritten, heißt es in der Broschüre, die über die Internet-Seite www.stiftung-nordlb-oeffentliche.de abrufbar ist. Axel Richter, Geschäftsführender Vorstand, schreibt darin, dass die Stiftung dauerhaft in der Gewinnzone für das Gemeinwesen angekommen sei. „Der Löwe – das Portal der Braunschweigischen Stiftungen“ sprach mit ihm über die Erfolgsgeschichte.
Herr Richter, im Jahresbericht schreiben Sie, dass die Stiftung den Break-even erreicht hat. Was ist genau damit gemeint?
Das Thema Break-even soll zeigen, dass es sich auszahlt, Vermögen dauerhaft einer Stiftung zu widmen. Bei der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE ist das der Fall. Aus dem ursprünglichen Stiftungskapital von 45 Millionen D-Mark wurde mittlerweile die gleiche Summe erwirtschaftet. Das hat etwa 20 Jahre gedauert, von 1994 bis 2014, bis dieser so genannte Break-even erreicht wurde. Das heißt, von jetzt an sind wir bezogen auf die Dauerhaftigkeit der Förderkraft in der absoluten Gewinnzone. Jeder Euro, der von nun an als Ertrag erwirtschaftet wird, wäre bei einem sofortigen Einsatz der 45 Millionen nicht möglich gewesen, weil das Geld mittlerweile verbraucht wäre. Das ist aber nur ein Weg, sich finanziell gesellschaftlich zu engagieren, aber es ist ein guter Weg. Voraussetzung ist natürlich, dass derjenige, der das Geld gibt, von sich sagt: Ich will das so! Ich will, dass meine Mittel dauerhaft wirken. Bei der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE, glaube ich, können wir von einer Erfolgsstory reden.
Offensichtlich sehen sehr viele vermögende Institutionen und Personen das so wie Sie. Wie erklären Sie sich den so genannten Stiftungsboom?
Das hängt schlicht und ergreifend damit zusammen, das über einen längeren Zeitraum – vornehmlich in der Nachkriegszeit – erwirtschaftete Vermögen in die nächsten Generationen gehen. Es hat mit der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft zu tun. Viele Vermögende sind sich der Tatsache bewusst, dass sie Mitverantwortung tragen, um Lebensstandards sichern zu helfen. Es gibt Menschen, die gerne bereit sind, einen Teil ihres Vermögens gemeinnützig umzuwidmen und in die Form einer Stiftung gießen.
Es gibt dennoch Kritik, dass bei Stiftungen Kapital langfristig gebunden ist, statt sofort und unmittelbar damit helfen zu können. Was erwidern Sie darauf?
Selbstverständlich ist das Geben von Sponsoring-Mitteln, auch die Erwartung einer Gegenleistung, oder die Gabe von Spenden oder der Einsatz eines größeren Vermögens ad hoc für ein bestimmtes Projekt genauso wertig wie die Einrichtung einer Stiftung. Ganz allgemein ist in den Köpfen der Bevölkerung aber zunehmend ein Gefühl entstanden, dass Stiftungen an sich was Gutes sind, ohne jetzt ganz genau zu wissen, was Stiftung tatsächlich bedeutet. Wir reden hier nicht von nebulösen Stiftungen in Lichtenstein, Luxemburg oder Österreich. Wir reden von Stiftungen, die in der Regel rechtsfähige, gemeinnützig tätige Körperschaften sind, deren Vermögen dauerhaft bewahrt werden muss, um bestimmte gesellschaftlich bedeutende, mildtätige, kirchliche, gemeinnützige Zwecke zu erfüllen. Da gibt es noch viel Aufklärungsbedarf.
In den vergangenen fast 20 Jahren ist nicht nur breit und vielschichtig gefördert worden, sondern hat sich ja auch das Kapital der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE auf mittlerweile über 38 Millionen Euro erhöht. Haben Sie sich eine derartige rasante Entwicklung als Mann der ersten Stunde träumen lassen?
Nein, das konnte niemand ahnen. Als wir 1994 angefangen haben, war diese Stiftungslandschaft vielleicht bei wenigen Insidern etwas Transparentes und Vorstellbares. Wir haben mit der Errichtung der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE ziemlich genau den Beginn des Stiftungsbooms getroffen. Nicht aus der Erkenntnis heraus, dass wir genau 1994 anfangen müssen, um das so zu erleben. Das hatte andere Gründe. Es ging damals um die Regelung der Trägerkapitalverhältnisse der Öffentlichen Versicherung Braunschweig. Aus dem Kontext heraus ist die Stiftung entstanden. Es gab erste Ahnungen, dass man Vermögen aus der Generation der Vererbenden langfristig widmen könnte. Was wir damals richtig gemacht haben, war eine sehr konsequente Rücklagepolitik. Nur die Rücklagepolitik im Rahmen dessen, was steuerlich möglich war, hat uns heute in die glückliche Situation versetzt, dass wir über 38 Millionen Euro Stiftungskapital haben.
Eine große Summe, die einer ausgeklügelten Anlagestrategie bedarf. Wird angesichts des Zinstiefs, die Ertragssituation trotz des gestiegenen Kapitals nicht immer schwieriger?
Wir schaffen es dank eines gar nicht so komplizierten, aber schon ausgefeilten Vermögensverwaltungsmodels auch heute noch, auf einen Ausschüttungssatz von drei Prozent auf das Kapital zu kommen. Das kommt der Region zugute. Wir legen nicht hoch risikoreich an, aber für den theoretischen Fall, dass wir mal Verluste hätten, könnten wir über Rücklagen ausgleichen. Junge Stiftungen, die heute errichtet werden und dieses Polster nicht haben können, haben es ungleich schwerer bei der Wahl ihrer Vermögensanlage, weil ja das Kapital nicht angegriffen werden darf.
Parallel zu Ihrer Stiftung blühte die Stiftungslandschaft in Braunschweig und im Braunschweigischen allgemein auf. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Braunschweig hat eine lange Tradition des Bürgertums und damit des Stiftens. Heute nennen wir das Bürgerengagement. Die braunschweigische Stiftungsgeschichte reicht bis weit ins Mittelalter zurück. Es gibt ein Bewusstsein für Bürgertum in Braunschweig. Die wirklich vorbildlich arbeitende Bürgerstiftung ist Beleg dafür. Zudem gab es eine erfreuliche Entwicklung bei den Neugründungen. Das glaube ich hätte sowieso funktioniert. Die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE im Schulterschluss mit der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz und der Bürgerstiftung haben dann das Haus der Braunschweigischen Stiftungen ins Leben gerufen. Daraus entsteht ein Mehrwert für Stadt und Region. Das Haus der Stiftungen macht ein Angebot an regionale Stiftungen und darüber hinaus auch an allgemein Interessierte, u.a. mit den Themen Engagement, Sponsoring, Gemeinnützigkeit. Es ist gewissermaßen ein Kompetenzzentrum.
Jetzt sind Sie 20 Jahre im Geschäft. Können Sie sich noch an das erste Projekt erinnern?
Ja, sehr genau sogar, weil es die Stiftung noch gar nicht gab, als diese erste Anfrage eintraf. Das Projekt trägt bei uns die Registriernummer 1994-0001. Es war der Antrag der Stadt Bad Gandersheim auf die Finanzierung eines neuen Tribünengestühls. Wir hatten für 1994/1995 ein Ausschüttungsvolumen von rund vier Millionen D-Mark und Anfragen für zwölf Millionen. Das bedeutet, dass auch vor 20 Jahren der Förderdruck hoch war. Aufgrund der Niedrigzinsphase guckt man heute etwas präziser auf das, was man fördert, was vernünftig und notwendig ist.
Damals war das Verhältnis der Höhe der Anträge zur tatsächlichen Fördersumme 1:3. Ist das Verhältnis noch aktuell?
Das kann man so nicht sagen. Wir haben seinerzeit im wahrsten Sinne des Wortes auf Anfragen reagiert. Das ist schon lange nicht mehr so. Wir haben ja unsere irdische Ewigkeit als Stiftung aus Vernunftgründen in Fünf-Jahres-Rhythmen eingeteilt. Wir gucken alle fünf Jahre ins Kielwasser, ob wir noch in der Spur sind. Ich kann Ihnen sagen, dass wir im vergangenen Jahr rund 60 Projekte gefördert haben, und die Anzahl der Anfragen liegt in der Regel so um die 200. Das hält sich relativ konstant.
Haben Sie in den vergangenen 19 Jahren ein Lieblingsprojekt gehabt?
Also, die Frage kann ich nicht beantworten. Es hat eine ganze Reihe von Projekten gegeben, von denen ich sagen würde, die haben besonderen Spaß gemacht, die haben eine besondere Bedeutung für die Stiftung gehabt. Ich bin ja von Haus aus Historiker und da fällt mir natürlich das Buchprojekt Braunschweigische Landesgeschichte ein, das wir ja sehr frühzeitig angetragen bekommen haben. Das hat der Stiftung gut getan, weil sie mit dem Projekt das komplette Tätigkeitsgebiet erfassen konnte. Ich könnte Ihnen jetzt noch eine Stunde lang Projekte aufzählen, bei denen ich sagen würde: ja, die haben sich eingeprägt. Die Bandbreite der Förderung ist so groß. Das geht bei einigen hundert Euro für Materialbeschaffung los und endet bei der Anschubfinanzierung für das Forschungszentrum für Verkehr in Braunschweig – heute ITS am Forschungsflughafen. Das ist eine Erfolgsgeschichte – super, klasse. Wir haben aber auch Projekte gehabt, bei denen wir Erfahrung gesammelt haben. So etwas muss auch sein. Dadurch sind wir auch gereift.
Zum Jahresbericht:
http://www.stiftung-nordlb-oeffentliche.de/fileadmin/user_upload/nooeff/Stiftungs-Bilder/Downloads/Jahresbericht_2013.pdf