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Instrumentenretter gesucht!

Blick in das Depot der Klaviersammlung. Screenshot: Knut Bussian (aus Video des Städtischen Museums)
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Das Städtische Museum will seine Sammlung von 30 notdürftig gesicherten Klavieren auf Vordermann bringen.

Es sind Bilder des Jammers. Rund 30 restauratorisch nur notgesicherte Klaviere, teilweise aus dem 18. Jahrhundert stammend, fristen im Außendepot des Städtischen Museums Braunschweig ein erbärmliches Dasein, obwohl sie doch kulturhistorisch von großem Wert sind. Dr. Cecilie Hollberg, die Direktorin des Städtischen Museums, würde sie nur allzu gerne wieder auf Vordermann bringen und den Besuchern als ganz besondere Schätze präsentieren, aber es fehlt das Geld für die Restaurierung. Um zu retten, was zu retten ist, hat Dr. Cecilie Hollberg jetzt die Initiative „Instrumentenretter gesucht“ ins Leben gerufen. Benötigt werden rund zwei Millionen Euro, um die wertvollen Exemplare aus Braunschweiger Produktion, aber auch aus Wien, München, Paris oder New York dauerhaft der Nachwelt zu erhalten.

Gegenwärtig werden Förderanträge formuliert, Spendenaufrufe geschrieben und Gespräche geführt. Geplant ist, ein Forschungsprojekt anzuschließen. „Die Musikinstrumentensammlung ist ja noch weitgehend unerforscht“, bedauert Dr. Cecilie Hollberg, seit 2010 im Amt, und hofft auf wissenschaftliche Betreuung von Fachexperten. Eine vorgesehene Publikation im Rahmen der Reihe Braunschweigisches Kunsthandwerk, die von der Richard Borek Stiftung, der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz herausgegeben wird, musste abgesagt werden, weil der Zustand der Klavier-sammlung einfach keine fotogestützte Veröffentlichung zugelassen hätte.

Traurig, denn die Musikinstrumentensammlung des Städtischen Museums Braunschweig gilt – neben Berlin und Hamburg – grundsätzlich als eine der bedeutendsten ihrer Art in Norddeutschland. Einen Großteil dieser Sammlung schenkte die Familie Grotrian-Steinweg der Stadt Braunschweig. Wertvolle Instrumente, wie das Clavichord von Barthold Fritze erbaut 1756 und der Grotrian-Steinweg Flügel, den die bedeutende Pianistin Clara Schumann die letzten Jahre in ihrer Wohnung in Frankfurt spielte, gehören dazu und sind im Städtischen Museum Braunschweig dauerhaft ausgestellt. Mit weiteren restaurierten Klavieren würde die Bedeutung der Ausstellung und damit die des Museums noch erheblich gewinnen. Schließlich ist die Musikinstrumentensammlung ein besonderer Schwerpunkt des Hauses und der Braunschweiger Museumslandschaft.

Doch bis beispielsweise das Tafelklavier Rautmann (um 1780) oder der Flügel aus der Werkstatt Gräbner (um 1795), eines von nur noch vier Exemplaren weltweit, tatsächlich gezeigt werden können, wird noch sehr viel Wasser die Oker herunterfließen. „Die Sammlung ist heute bis auf wenige Ausnahmen in einem desaströsem Zustand. Die zeitgleiche Restaurierung sämtlicher Klaviere ist unrealistisch. Wir haben deswegen zunächst eine Notsicherung der Sammlung vorgenommen, uns dabei einen Überblick über den Zustand jedes einzelnen Objekts verschafft und eine Prioritätenliste für künftige Restaurierungen vorbereitet. Ein restauratorisches Gesamtkonzept ist natürlich abhängig von den zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Restaurierung aller Klaviere wird viele Jahre dauern“, weiß Dr. Cecilie Hollberg.

Wie konnte es soweit kommen mit der Sammlung, die 1985 als Schenkung an das Museum kam? Seinerzeit hieß es in der Präambel der Vereinbarung zwischen Grotrian-Steinweg und der Stadt: „Der Heimatstadt Braunschweig, die über nahezu eineinhalb Jahrhunderte mehr als nur der örtliche Rahmen für das Wirken und Schaffen bot, fühlt sich das Unternehmen besonders verbunden. Als Zeichen dieser Wertschätzung und Verbundenheit schenkt die Familie Grotrian-Steinweg der Stadt Braunschweig ihre wohl einzigartige Instrumentensammlung.“ Museumsdirektorin Dr. Cecilie Hollberg hat sich nun der Herausforderung angenommen. Mit sehr viel Engagement will sie der wertvollen Sammlung die verdiente Pflege und unabdingbar Erhaltungsmaßnahmen zukommen lassen.Als Folge der schwierigen Lagerverhältnisse auf Tankstellen oder in Lagerhäusern im Ersten und Zweiten Weltkrieg waren die Klaviere bereits bei der Übernahme in einem sehr schlechten Zustand. Doch die Lagersituation blieb bis heute, erst im ehemaligen Wasserwerk in Rüningen und seit den 1990er Jahren im Außendepot des Museums, unsachgemäß und ungenügend für den Erhalt der Instrumente. Die mit der Notsicherung beauftragten Fremdrestauratoren verweisen darauf, dass die Sammlung dringend und zwingend in geeignete Räume umgelagert werden muss. Das Projekt könnte also ein Fall für die junge Initiative „Kunst auf Lager. Bündnis zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots“ werden. Bei „Kunst auf Lager“ haben sich mehrere bedeutende deutsche Stiftungen, darunter die Richard Borek Stiftung aus Braunschweig, zusammengeschlossen.

Unter Leitung des Restaurators Roland Hentzschel (Händelhaus Halle) wurden die Klaviere bereits gereinigt und von Schimmelpilz befreit. Lose Furniere wurden gesichert, Einzelteile zugeordnet und verpackt. Weitere Schäden, etwa durch Wasser oder Rost wurden gelistet. Der Bestand wurde zunächst in Tyvekfolien gepackt. Das gesamte Projekt wird derzeit von einer fremden Fachaufsicht betreut, da das Städtische Museum seit Jahrzehnten kein Fachpersonal für die Musikinstrumentensammlung hat.

Jetzt sollen zunächst einige herausragende Sammlungsstücke exemplarisch restauriert werden. An Nummer eins steht der um 1830 erbaute Mahagoni Kielflügel Opus 2706 aus der Werkstatt des Conrad Graf in Wien. Sein Zustand wird so beschrieben: sehr schlecht, der Korpus ist verzogen, vier Rostbrüche im Holz, Schäden an der Politur; Notenpult, Beine, Lyra sind in Einzelteilen gesondert verwahrt. Das Klavier ließe sich durch restauratorische und konservatorische Maßnahmen wieder spielbar machen. Es wird eine Arbeitszeit von einem Jahr gerechnet. Kosten: ca. 100.000 Euro.

Mehr Informationen im Internet unter: http://www.braunschweig.de/kultur/museen/staedtisches_museum/index.html

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