Ist ein Jubiläum zu feiern?
Von der Schwierigkeit der historischen Datierung des Zisterzensierklosters Riddagshausen.
Frohe Kunde kommt aus Riddagshausen: Man will den 800. Jahrestag der Grundsteinlegung für die Klosterkirche feiern. Vom 17. bis 24. Juni wird ein attraktives Programm geboten („Der Löwe“ berichtete), das hoffentlich sehr viele Besucher anlocken wird. Sehr schön, als Braunschweiger freut man sich über ein solches Ereignis und fängt an, sich mit dem Thema etwas näher zu beschäftigen und geht der Frage nach, wann denn eigentlich dieses Kloster der Zisterziensermönche überhaupt gegründet wurde.
Es war einer der Ministerialen aus dem Gefolge Heinrich des Löwen, der die Gründung eines neuen Klosters vor den Toren der Stadt Braunschweig vorbereitete. Ludolf von Dahlum, Stadtvogt von Braunschweig, stiftete das Kloster und ermöglichte diese Einrichtung auch durch Schenkungen seines Herren, Herzog Heinrich der Löwe. Man bezeichnete diese Stiftung gelegentlich auch als „Strohmann-Stiftung“, denn diese Gründung erfolgte natürlich ganz im Sinne Herzog Heinrichs.
Im Jahre 1146 (nicht: 1145) wurde das Kloster Cella sanctae Mariae östlich von Braunschweig durch Zisterziensermönche aus Amelungsborn gegründet. 1147 stellte Papst Eugen III. das Kloster unter seinen Schutz. Herzog Heinrich der Löwe beschenkte es 1173 mit wertvollen Reliquien, die er von seiner Pilgerreise nach Jerusalem mitgebracht hatte. Von diesem ersten Bau gibt es keine Reste mehr zu sehen.
Mit dem Neubau des Nachfolgebaus unter dem Welfenkaiser Otto IV., einem Sohn Heinrichs des Löwen, wurde dann im Jahre 1206 begonnen, wie in dem Chronicon Riddagshusanum belegt ist: „1206 wird das neue Kloster von den Vätern zu bauen angefangen“. Diese Notiz erfolgte nach einem Eintrag über die Eroberung Goslars am 9. Juni 1206. Professor Bernd Hucker wies darauf in seiner Arbeit „Der imperiale Monumentalstil in Deutschland 1206-1218: Kaiser Otto IV., der Magdeburger Domneubau und die Zisterziensergotik“ bereits im Jahr 2009 hin (vgl. dazu: „Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit.“ Mainz, Verlag Philipp von Zabern, S. 91).
Und plötzlich durchzuckt einen der Gedanke: „Upps – wann war die Grundstein-legung denn nun wirklich?“ 1206 oder 1216?
Kaiser Otto IV. äußerte sich im März des Jahres 1215 über den Neubau: „Da wir eine herzliche Zuneigung zu allen Klöstern dieses Ordens hegen, besonders zu dem von uns sehr geliebten Kloster Riddagshausen, begehren wir, dass unser gutes und heilsames Vorhaben tatkräftig vorankomme, sooft wir bei gegebener Gelegenheit die Mittel haben, es in angemessener Weise zu fördern“. Der Braunschweiger Vogt Balduin von Dahlum wurde um 1216 Zisterziensermönch in Riddagshausen.
Geweiht wurde die neue Klosterkirche im Jahre 1275, und darauf bezieht sich die Nachricht auf der neuen Web-Seite des Klosters, dass man 1975 das 700jährige Jubiläum feierte, nachdem umfangreiche Renovierungen abgeschlossen wurden.
Verwirrt fragt sich der Braunschweig-Freund, wie denn wohl überhaupt so eine Grundsteinlegung im Mittelalter ausgesehen haben mag und wie ein solches Ereignis dokumentiert wurde. Heute ein Festakt mit Honoratioren, so kann man sich für das Mittelalter eher eine andere Zeremonie denken. Dort, wo einst der Hochaltar stehen sollte, errichtete man ein Holzkreuz. Die Bauhütte beginnt mit der Ausführung des Baues. Und irgendwann kann der Bau genutzt werden. Oder?
Wie man sich also eine Grundsteinlegung im Mittelalter vorzustellen hat, könnte man dem Bericht des Abtes Sugar von St. Denis (bei Paris) entnehmen, der über den Baubeginn des neuen Sanktuarium seines Klosters vom 14. Juli 1140 schreibt: „Nur fünf Wochen nach der feierlichen Weihe des neuen Westbaus am 9. Juni 1140 versammelte Abt Suger wiederum Bischöfe und Äbte, und sogar den französischen König Ludwig VII. Alle zogen in feierlicher Prozession mit den wichtigsten Reliquien des Klosters zum Bauplatz.“ Gemeinsam stieg man dann in die ausgehobene Baugrube hinunter, und die Bischöfe bereiteten nach einem umfassenden Gebet mit geweihtem Wasser eigenhändig den Mörtel zu, legten die ersten Steine hinein, sangen Psalme und beteten dazu, u.a. den Psalm 86, „fundamenta eius“. Dann setzte der König auf diese Steine einen weiteren, einige der Anwesenden spendeten Edelsteine, man sang „lapides preciosi amnes muri tui“, die Kirchweih-Antiphon. Es war also insgesamt kein liturgischer Akt, sondern ein feierlicher Baubeginn. Jede der beteiligten Personen bringt einen Stein an die richtige Stelle, alles zusammen bildete die feierliche Grundsteinlegung.
Davon abweichend gibt es aber auch überlieferte Grundsteinlegungen aus dem 12. Jahrhundert, bei denen ein einziger Stein, ein „primus“ oder „primarius lapis“ verlegt wurde (vgl. Untermann, Forma Ordinis. München/Berlin 2001, 193–202.) In seiner Abhandlung „primus lapis in fundamentum deponitur. Kunsthistorische
Überlegungen zur Funktion der Grundsteinlegung im Mittelalter“ weist der Verfasser Matthias Untermann darauf hin, dass es in den alten Überlieferungen „Fundare“ (gründen) und „construere“ (bauen) heißen kann, die als Verben parallel stehen und den Bau allgemein bezeichnen, während man für die Grundsteinlegung wiederum ein anderes Datum festgehalten hat.
Dieser kleine Exkurs zeigt schon, wie schwierig so etwas festzulegen ist bzw. zu übersetzen ist, um schließlich dadurch ein sicheres Datum zu erhalten.
Es bleibt also schwierig, solche Daten genau zuzuordnen. Für Riddagshausen allerdings müssen wir Dank der Chronik festhalten, dass ein historisches Datum 1206 lautet. Geweiht wurde der fertige Bau dann also 1275. Aber wem das alles bis zum nächsten Jubiläum zu lange dauert, der feiert mit vielen anderen fröhlich das „runde“ Jubiläum. Ob 1206 oder 1216 – es wird sicher besonders schön und interessant rund um die Klosterkirche!