Jesus 2.0: Bilder Christi in der Moderne
Stiftung Prüsse zeigt vom 25. September bis 22. November Gemälde, Grafiken und Skulpturen von so berühmten Künstlern wie Max Beckmann, Marc Chagall, George Grosz, Günter Grass und den beim Terroranschlag in Paris ermordeten „Charlie Hebdo“-Karikaturisten Tignous.
Die 140 Werke der Ausstellung „Jesus 2.0. Das Christusbild im 20. + 21. Jahrhundert“ haben, außer dass es sich gleichsam um Christus-Darstellungen handelt, nicht viel gemein mit jenen Bildern, die wir gemeinhin aus Kirchen und Museen kennen. Sie sind vielmehr oft verstörend, ja auch verletzend. Sie stehen damit in krassem Gegensatz zu jenen Gemälden aus früheren Jahrhunderten, die eben zumeist von der Kirche selbst in Auftrag gegeben worden waren und deswegen keinen Raum für das Andersdenkende boten. Für Joachim Prüsse, Initiator der Ausstellung, ist dieser Spannungsbogen so faszinierend. Bei „Jesus 2.0“ geht es nicht um die christliche Botschaft, sondern um die zeitgenössische Kunst, die sich mit Jesus auseinandersetzt.
„Schon lange versteht sich Kunst nicht mehr als verlängerter Arm der kirchlichen Verkündigung. Das ist gut so. Eine freie Gesellschaft braucht die Freiheit der Kunst. So sehen wir in dieser Ausstellung auch Darstellungen Christi, die für Gläubige irritierend und provozierend sind. Das mag für manchen anstrengend sein, erinnert aber daran, dass wir Christen niemals ein fertiges Bild von Christus haben können“, kommentiert Dr. Christoph Meyns, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, im Katalog zur Ausstellung.
Unter den 37 Künstlern, die ausgestellt werden, befinden sich auch zehn, die in der Nazizeit als „entartet“ verfemt wurden. „Es sind Bilder darunter, die noch heute Menschen erschüttern und zu Kritik herausfordern. Die beiden Kriege des 20. Jahrhunderts haben die Kunst regelrecht umgestürzt. Für die Künstler der Moderne ist die Figur Christi Ausdruck der Provokation, der Kritik und des Zweifelns“, erläutert Joachim Prüsse, aus dessen eigener Sammlung 40 Darstellungen gezeigt werden. Ausschließlich ihnen ist der auffällige und qualitativ starke Ausstellungskatalog gewidmet, der mit Unterstützung der Richard Borek Stiftung realisiert wurde.
Die Titelseite des Katalogs erinnert in Farbgebung und Schriftzug stark an den weltberühmten Coca Cola-Schriftzug. „Das ist natürlich gewollt“, sagt Joachim Prüsse, schließlich handele es sich bei Jesus gewissermaßen ja auch um eine Weltmarke. Der aus dem Internet bekannte Zusatz 2.0 soll die Weiterentwicklung der zeitgenössischen Kunst im Zusammenhang mit den Christus-Darstellungen symbolisieren, die Abkehr von jahrhundertealten Traditionen.
Der Untertitel der Ausstellung „Kunst – Kommerz – Karikatur“ deutet auf den ganz speziellen Spannungsbogen hin, der sich vom Ausstellungsort Jakob-Kemenate hin zur Kemenate Hagenbrücke ergibt. In der Jakob-Kemenate hängt Max Beckmanns Kreuzabnahme von 1918. Beckmann arbeitete darin seine eigenen Kriegserfahrungen als Sanitäter auf. Melanie Mayer, Autorin des Katalogs, schreibt dazu: „Qual und Leiden am Kreuz sind im 20. Jahrhundert das Element aus der Geschichte Jesu, das am unmittelbarsten mit den Erfahrungen von Krieg und Vernichtung vereinbar scheint.“
In der Kemenate Hagenbrücke ist dagegen die provozierende Jesus-Karikatur des französischen Cartoonisten Bernhard Verlhac, der unter dem Pseudonym Tignous für „Charlie Hebdo“ zeichnete, zu sehen: Jesus liegt da ans Kreuz genagelt am Strand und droht einen Sonnenbrand zu kriegen. Deswegen fragt er die Umliegenden, darunter eine barbusige Frau, ob jemand ihn umdrehen könne. Wegen von „Charlie Hebdo“ veröffentlichter Mohammed-Karikaturen kam es zum fürchterlichen Terroranschlag auf das Pariser Redaktionsbüro. führte. Verlhac zählte zu den vier Karikaturisten, die getötet wurden.
Ausgestellt ist ebenfalls die Grafik „Christus am Kreuz“ von Georges Grosz. Der Maler wurde in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sogar angeklagt, weil er Jesus mit Gasmaske und Soldatenstiefeln dargestellt hatte. Der Prozess ging über fünf Instanzen und zählte zu den größten Gotteslästerer-Prozessen der Weimarer Republik. Grosz übte mit dem Werk Kritik gegen den Ersten Weltkrieg und die Rolle der Kirchen. Ein weiteres ganz besonderes Werk ist Günter Grass` „Rattenkreuzigung“.
Die Stiftung Prüsse zeigt die Ausstellung in Kooperation mit der Stiftung Christliche Kunst Wittenberg. Unter den ausgestellten Künstlern befinden sich auch die Braunschweiger Bildhauer Jürgen Weber und Magnus Kleine Tebbe. Gezeigt werden Webers Bronzeplastiken „Aus dem Leben und Sterben Jesu Christi“ sowie Kleine-Tebbes Bronzeplastik „Christus“ und die Holz-/Bronzearbeit Christus/Johannes der Täufer.
Ulrich Markurth lobt die hohe Qualität und Vielfalt der Ausstellung. „Mit dieser eigens für diese Stadt konzipierte Ausstellung untermauert die Jakob-Kemenate als Veranstalterin zudem, dass sie zu einer festen und impulsgebenden Größe im kulturellen Leben Braunschweigs geworden ist. Und sie bestätigt gleichzeitig: Unsere Stadt ist mit einer Vielzahl hochkarätiger Ausstellungen – ob temporär oder permanent – ein Zentrum der Bildenden Kunst in Niedersachsen, aber auch weit darüber hinaus“, erklärt Markurth im Grußwort des Katalogs.
Ausstellung „Jesus 2.0. Das Christusbild im 20. + 21. Jahrhundert“
Kunst – Kommerz – Karikatur
25. September bis 22. November 2015
Jakob-Kemenate, Braunschweig
weitere Ausstellungsorte: Kemenate Hagenbrücke, Augustinum, Braunschweig, Bankhaus Löbbecke, Stadthalle Braunschweig.
Gefördert durch:
Kulturinstitut der Stadt Braunschweig, Stiftung Sparda Bank Hannover, Richard Borek Stiftung
Fakten
Eintritt: 5 Euro (Jugendliche bis 18 Jahren frei)
Ausstellungsorte und Öffnungszeiten:
jakob-kemenate, Eiermarkt 1a, Braunschweig: Mo bis Sa von 10 bis 18 Uhr, So von 12 bis 18 Uhr, und am 1.10., 22.10., 4.11. und 14.11. von 10 bis 16 Uhr, geschlossen am: 26.9., 27.9., 3.10.,8.10.
kemenate hagenbrücke, An der Hagenbrücke 5, Braunschweig: Mo bis Sa von 10 bis 18 Uhr, So von 12 bis 18 Uhr, am 14.11. nur von 10 bis 16 Uhr
Augustinum, Am Hohen Tore 4, Braunschweig: Mo bis Sa von 10 bis 18 Uhr, So von 12 bis 18 Uhr
Bankhaus Löbbecke, An der Martinikirche 4, Braunschweig: Mo bis Do von 8.30 bis 13 Uhr und 14.30 bis 16 Uhr (Do bis 18 Uhr), Fr von 8.30 bis 14 Uhr
Stadthalle Braunschweig, Leonhardplatz: Bei öffentlichen Veranstaltungen.
Führungen und Begleitprogramm: www.jakob-kemenate.de
Katalog: Der Ausstellungskatalog „Jesus 2.0“ mit 92 Seiten und mehr als 50 Abbildungen kostet 10 Euro.
Mehr zu Stiftung Prüsse: http://www.jakobkemenate.de/