Kein Tannenbaum auf dem Weihnachtsmarkt!
Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 23: Verbot von Weihnachtsbäumen
Der Braunschweiger Weihnachtsmarkt besitzt Anziehungskraft weit über die Stadtgrenzen hinaus. Und natürlich tragen anheimelnde, beleuchtete Tannenbäume zu der ganz besonderen Atmosphäre bei. Kaum vorstellbar, aber es gab Zeiten da galt ein Verbot von Tannen auf Braunschweiger Weihnachtsmärkten. Zum Glück waren sie nur kurz.
Denn die in Braunschweig geborene und aufgewachsene Schriftstellerin Ricarda Huch schwärmte 1927 in ihrem Buch „Im Alten Reich. Lebensbilder deutscher Städte“ schon wieder über die Weihnachtsmärkte in unserer schönen Stadt: „Am wundervollsten fand ich Martini und Katharinen, wenn abends der Weihnachtsmarkt mit blinzelnden Lichtern und Buden voll absonderlicher, steifer Puppen und Lämmer sich um sie herum abspielte, aromatische Waldtannen sich an ihren Fuß lehnten, und ihr gigantischer Umriß sich in Dunst und Kälte verlor.“
Weihnachtsmärkte hatten es ihr augenscheinlich angetan. Deswegen hier noch einmal Ricarda Huch mit ihren Eindrücken: „Reizvoll wie die Messe war, erreichte sie doch nicht den unvergleichlichen Zauber des Christmarktes. Die Zwetschenkerle, die Lämmchen mit den steifen Holzbeinen, die durch die Abenddämmerung und über den bleichen Schnee hin schimmernden kleinen Lichter, die alten, verhüllten Riesentürme an Sankt Martini, das vereinigte sich zu einem märchenhafte Bilde. Von den vielen Tannen, die an die Kirchenmauern angelehnt waren, ging ein würziger ahnungsvoller Geruch aus.“
Wovon Ricarda Huch schwelgte, war kaum einhundert Jahre zuvor ein Brauch, der verboten war. Wer einen Weihnachtsbaum aufgestellt hatte, wurde bestraft, Denunzianten aber belohnt. Was war Ursache für eine derartig drastische Maßnahme?
Für die Verwendung von Fichtenästen und Tannbäumen zu Weihnachten wurde am 7. Dezember 1810, erneuert 1812, verfügt: „Nach einer … Anzeige sind durch die bisherige Gewohnheit, die Weihnachtsgeschenke für die Kinder mit Fichtenästen auszuzieren, seit einigen Jahren beträchtliche Beschädigungen junger Fichtenörter… veranlaßt worden,… Bei dem bevorstehenden Weihnachts-Markte, wird das von hiesiger Präfektur …erlassene Verbot des Verkaufs junger Tannen oder sogenannte Weihnachtsbäume hierdurch in Erinnerung gebracht und den Herren Maires (Bürgermeistern) und sonstigen Polizei-Behörden des Departements anempfohlen, über die Aufrechterhaltung dieses Verbots zu wachen.“ 1826 erfolgte eine weitere Verfügung, die den Verkauf von Tannenkronen zu Weihnachtsbäumen unter strenge Strafe stellte und sogar den ‚Denuncianten‘, die das anzeigten, ein Drittel des Strafgeldes zusprachen.
Doch lange konnte das Verbot nicht durchgehalten werden. Marie Huch, Tochter des Schriftstellers Friedrich Gerstäcker, schrieb dazu in ihren Erinnerungen zum Ende des 19. Jahrhunderts: „In einen grünen, duftenden Tannenwald verwandelte die Vorweihnachtszeit den Hagenmarkt. Um den Brunnen Heinrichs des Löwen, um die Kirche herum, ja über den ganzen großen Markt hinweg zogen sich Tannenstraßen, verengten den Platz und gaben ihm ein heimliches und festliches Gepräge zugleich. – Die Ladenfenster des Konditor Wagner an der Ecke prangten in märchenhaften Christbaumschätzen. Täglich hatten die Kinder das alles vor Augen, sahen, wie es Leute gab, die da kauften – in gottgesegneter Gläubigkeit aber kam es ihnen nie in den Sinn, dass dergleichen auch in unserem Haus vorkommen könnte, von dessen Fenstern das Christkindchen die Weihnachtsbriefe mit eigener Hand abholte!“
Die Geschichte des Braunschweiger Weihnachtsmarkts:
Die genauen Ursprünge des Weihnachtsmarktes liegen im Dunkeln. Vielleicht ging er im ausgehenden Mittelalter aus einer der zahlreichen Handelsmessen oder einem der Jahrmärkte der Stadt hervor, eventuell aus der sogenannten „Wintermesse“. Diese Messen fanden ursprünglich vor allem auf dem Altstadtmarkt und dem Kohlmarkt statt.
Die frühesten, belegbaren Märkte in Braunschweig, sind die durch Herzog Heinrich d.Ä. seit 1498 genehmigten zwei freien Jahrmärkte, ergänzt durch die Jahrmarktprivilegien von König Maximilian I (1505) und Kaiser Karl V. (1521). Nach Ende der Stadtfreiheit 1671 wurden von Herzog Rudolf August 1681 zwei Warenmessen eingerichtet, die erst 1910 aufgehoben wurden.
Die Entwicklung des Weihnachtsmarktes in Braunschweig:
Ein tatsächlich als „Weihnachtsmarkt“ bezeichneter Markt scheint im 14. Jahrhundert zunächst auf dem Altstadtmarkt entweder zu Weihnachten oder kurz danach abgehalten worden zu sein. 1385 fand der Markt am 1. und 2. Januar statt, wurde später (evtl. um 1505) aber offenbar auf die Zeit vor die Festtage verlegt. Nachdem die Stadt 1671 ihre Unabhängigkeit verloren hatte, begann der Markt „am Sonntag vor Weihnachten“.
Der erste Weihnachtsmarkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand 1946 auf dem Platz vor dem Braunschweiger Schloss statt. In den darauf folgenden Jahren wurde er auf dem Hagenmarkt aufgebaut.
1956 wurde der Weihnachtsmarkt erstmals auf dem Burgplatz ausgerichtet. Die Marktfläche wuchs im Laufe der nächsten Jahrzehnte um das Teilstück der Münzstraße neben dem Rathaus, eine Teilfläche des Ruhfäutchenplatzes, fast den gesamten Domplatz mit dem Rondell der Heinrichslinde und um den Platz der Deutschen Einheit.
2006 wurde der Weihnachtsmarkt von der Braunschweig Stadtmarketing GmbH übernommen.
Seit dem Jahr 2009 ist auch der historische Burggraben der Burg Dankwarderode in das Marktgeschehen einbezogen: durch den mit illuminiertem Glassplitt nachgezeichneten ursprünglichen Verlauf eines Okerarmes im Graben und darauf „verankerte“ Holzflöße.
Der Burgplatz als Markt
Der Burgplatz hatte bis 1954 als Wochenmarkt gedient, bereits vor 1889 und dann wieder ab 1973 auch als Topfmarkt mit dem Angebot von Porzellan, Steingut und Haushaltsgeschirr. Nachdem der Topfmarkt bis in die 1990er Jahre hinein zum Frühjahrsanfang und im späten Sommer zweimal jährlich stattgefunden hatte, wurde er danach in die Adventszeit verlegt, nur noch einmal jährlich durchgeführt – bis er schließlich in den Weihnachtsmarkt integriert wurde.
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