Können Braunschweigs alte Okergräben freigelegt werden?
Die Experten der Stadtverwaltung wollen Wasser in der Stadt wieder sichtbarer machen. Doch die historischen Gräben verlaufen vielfach zu tief.
Wenn irgendwann in absehbarer Zeit die Anfang der 1980er Jahre errichtete Burgpassage, die überdachte Einkaufsmeile zwischen Schuhstraße und Hutfiltern, wieder abgerissen wird, wird unter der Passage ein alter Seitenarm der Oker freigelegt, der unterirdisch in Höhe des Friedrich-Wilhelm-Platzes von der Oker abzweigt und erst am Geiershagen endet. Ende des 19. Jahrhunderts verrohrt, durchquert er praktisch die gesamte Innenstadt. Neustadtmühlengraben, Bosselgraben, Wendenmühlengraben – es gibt mehrere unterirdische Wasserläufe in der einstigen Hansestadt Braunschweig. Ihren Verlauf zeigt ein mittelalterliches Stadtmodell im Foyer des Altstadtrathauses.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 03.05.2021 (Bezahl-Artikel)
Braunschweig – Stadt am Wasser. Nun gibt es eine politische Initiative, die sich für ein Freilegen historischer Wasserläufe im Innenstadtgebiet interessiert, sich eine „umfassende bauliche Neuinszenierung“ dieser Läufe in den nächsten Jahren vorstellen könnte. Im Planungs- und Umweltausschuss des Rates erkundigte sich jetzt die Gruppe Partei/Freie: Welche Gründe es gegen eine Freilegung dieser Wasserläufe gebe?
Hohe Böschungen, tiefe Gräben – die Experten sind skeptisch
Das Freilegen vorhandener Gräben, so die Stadtverwaltung in einer Stellungnahme, sei immer wieder ein Thema, sobald es neue Bauvorhaben oder Planungen gibt. Offen geführte Wasserläufe seien stadträumlich attraktiv, sie trügen auch zur Verbesserung des Kleinklimas bei. Bereits vor zehn Jahren habe die Verwaltung verschiedene Vorschläge zum Thema „Wasser in der Stadt“ unterbreitet, vorhandene Wasserflächen sollen besser erlebbar sein, historische Wasserläufe offengelegt werden. Sie seien teilweise in den Wallring-Bebauungsplänen planungsrechtlich enthalten.
Ein Problem nur: die vielerorts tiefe Lage der verrohrten Wasserläufe. Freigelegt, wären die Böschungen hoch, so die Experten der Stadtverwaltung, und das sei dann gestalterisch nicht eben ansprechend. Zudem seien die verrohrten Gräben Bestandteil der Kanalisation. Aus dem Mischwasserkanalnetz würden sie bei starken Regenfällen das überschüssige Mischwasser übernehmen, das mit Fäkalien verschmutzt ist. Trennsysteme oder alternativ Pumpwerke mit mechanischen Reinigungen seien hier eine Lösung.
„Hinter Ägidien ließen sich die Pläne nicht verwirklichen“
Einer der Braunschweigs Kanalnetz wie kaum ein anderer kennt ist der Buchautor Wolfgang Ernst („Braunschweigs Unterwelt“). Auch er ist skeptisch, was das Freilegen der Okergräben betrifft. Das, sagt er, sei teilweise sogar unmöglich. „Vor Jahren gab es Überlegungen, den Graben hinter Ägidien wieder freizulegen. Es stellte sich aber heraus, dass er sehr tief liegt. Deshalb hat man die Pläne wieder verworfen.“ An anderen Stellen sei es ähnlich.
Ein Beispiel, wie der Verlauf eines alten Okerarms ins Stadtbild integriert werden kann, zeigt das Teilstück des Burgmühlengrabens hinter der Burg Dankwarderode . Der Verlauf des tiefer verlaufenden Kanals wurde hier, nahe dem ursprünglichen Verlauf, als historisches Zitat hergestellt und gibt dem heutigen Betrachter eine Vorstellung des früheren Stadtbildes. Der eigentliche Kanal liegt auch hier jedoch ein ganzes Stück tiefer.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 03.05.2021 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article232196373/Koennen-Braunschweigs-alte-Okergraeben-freigelegt-werden.html (Bezahl-Artikel)