Künstlerische Körper und Körperlichkeit
Die Galerie Geyso 20 zeigt vom 14. Juni an eine Ausstellung mit Werken aus der Sammlung Demirel. Zu sehen sind rund 120 Werke ganz unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler der Outsider-Art, international renommierte neben bisher wenig bekannten.
Schon mehrere Male waren Werke aus der Sammlung von Turhan Demirel in der Galerie Geyso 20 ausgestellt, nun trat der Sammler an die Galerie heran, um eine eigene Ausstellung zu zeigen. Gemeinsam mit der Kunstpädagogin Nina Roskamp und ihren Kolleginnen und Kollegen traf er eine vielfältige Auswahl an Werken, die für die Ausstellung nach Braunschweig kommen.
Eine internationale Sammlung…
Der Wuppertaler Neurochirurg Turhan Demirel sammelt nicht nach einem Konzept, sondern nach persönlichen Neigungen und Vorlieben. So ist die Sammlung auch nicht auf Vollständigkeit angelegt oder nach einem bestimmten thematischen Schwerpunkt, vielmehr sollen die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen und die Künstlerpersönlichkeiten unterschiedlichster Art möglichst breit erfasst werden. Unter den über 750 Werken der Malerei, Grafik, Zeichnung und bildenden Kunst befinden sich nicht nur Arbeiten bedeutender Künstlerinnen und Künstler der Szene, ein besonderes Anliegen des Sammlers ist es, auch unbekannte Persönlichkeiten zu fördern.
… mit einer Braunschweiger Künstlerin
Rund 120 Werke stellt Demirel nun für die Ausstellung in der Galerie Geyso 20 zur Verfügung. Unter ihnen ist auch eine Zeichnung die Braunschweiger Künstlerin Viola Heidelberg. Sie war seit 1993 Mitglied im Kunstatelier Lebenshilfe. Neben ihren großformatigen Acrylbildern zeichnete sie auch gerne Tiere und Gegenstände, Architekturen mit graphischer Reduktion aber differenziert, in dem sie die Figuren mit Blei- und Buntstift in Variationen auf das Papier brachte. So entstanden harmonische Kompositionen aus Kamel -und Zebraherden, wobei jedes Tier seinen eigenen Charakter zu haben scheint. Viola Heidelberg starb Anfang 2005. Eine ihrer Zeichnungen der Kamele kehrt für die Ausstellung nach Braunschweig zurück.
Outsider-Art in der Galerie Geyso 20
Seit fast 30 Jahren ist die Galerie in der Geysostraße 19/20 auf Outsider-Art spezialisiert. Der Begriff wurde in den 1970er Jahren eingeführt für Kunst, die außerhalb des etablierten Kunstbetriebs, jenseits der Kunstgeschichte– und Tradition sowie unabhängig von Strömungen und Moden der Kunst stattfindet. Die Künstlerinnen und Künstler sind Menschen, die extremen seelischen Belastungen ausgesetzt waren oder ungewöhnliche Erfahrungen in ihrem Leben gemacht haben. Sie sind zum größten Teil von der Gesellschaft ausgeschlossen, ausgegrenzt und an den Rand gedrängt: Psychiatrie-Erfahrene, Menschen mit intellektueller Behinderung, Grenzgänger, gesellschaftlich unangepasste, randständige Menschen in selbst gewählter oder ungewollter Isolation, Sonderlinge, Gefängnisinsassen und Autodidakten mit künstlerischem Potential. Die meisten sind Autodidakten, mit ganz unterschiedlichem persönlichem Hintergrundes und sozialen Herkunft.
Körper im Fokus
Als einen roten Faden der aktuellen Ausstellung bezeichnet Nina Roskamp die Auseinandersetzung mit Körpern ganz unterschiedlicher Art. Dies sei jedoch keine bewusste Gestaltungsidee gewesen, sondern habe sich erst nach der Auswahl der Werke gezeigt. So gibt es die bedrückende Innenansicht eines Kopfes von Robert Tetin oder das ausdruckstarke Porträt von Mutter Aloisia, gezeichnet von August Walla. Das Plakatmotiv stammt von Friedrich Schröder-Sonnenstern. Der 1892 geborene Künstler verbrachte einen Teil eines Lebens in Gefängnissen und Anstalten, bekannt wurde er als „Schrippenfürst von Schöneberg“, als er obdachlose Jugendliche mit Brötchen versorgte. Er schaffte phantastische Zeichnungen mit provozierenden, oft sexuellen Motiven und Fabelwesen, seine Werke wurden wiederholt wegen Obszönität beschlagnahmt. „Das Faszinierende an den Outsider-Künstlerinnen und Künstlern ist, dass sie ganz frei von bekannten Kunststilen arbeiten“, beschreibt Nina Roskamp. Andere Künstler setzen sich mit den unterschiedlichen Stilen auseinander, lassen sich beeinflussen und grenzen sich ab. „Outsider-Künstler arbeiten ganz ohne derartige Überlegungen.“
Eine eigene Sammlung im Aufbau
Für Nina Roskamp ist der Einblick in eine große Sammlung besonders spannend. Im Sommer 2017 gründete die Galerie Geyso 20 eine Stiftung, die zum einen die Geschichte des Ateliers dokumentiert, aber auch Werke anderer Künstler sammelt. „Die Sammlung befindet sich im Aufbau, so ist es für uns wichtig, andere Sammlungen kennenzulernen, Künstler zu entdecken, sich mit den Konzepten der Sammlung auseinanderzusetzen.“ Eine Herausforderung dabei sei, mit einem oder ganz wenigen Werken die „DNA“ des Künstlers zu erfassen, wie sie es nennt, die Werke so auszuwählen, dass sie die Persönlichkeit des Künstlers und sein Schaffen aussagekräftig repräsentieren. Die Sammlung soll nicht nur Ausstellungen gestalten, sondern auch der Wissenschaft zur Verfügung stehen und für die Forschung geöffnet werden.
Informationen
Sammlung Demirel zu Gast bei Geyso 20
14. Juni bis 9. August 2019
Eröffnung am 14. Juni, 19 Uhr
Öffnungszeiten während der Ausstellungen:
Montag bis Freitag 13 bis 17 Uhr
und nach Vereinbarung
GEYSO 20 atelier – galerie – sammlung
Geysostraße 19/20
38106 Braunschweig
Veranstaltungen
7. Juli, 15 Uhr: Öffentliche Führung durch die Ausstellung
23. August, 15 Uhr: Bebilderter Vortrag des Sammlers Turhan Demirel „Outsider-Art gestern – heute – morgen“, im Anschluss lädt der Freundeskreis zu einem Umtrunk ein