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Kultur-Infusion für verödete Braunschweiger Kaufhäuser

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Das Kunstfest „Justamente“ will vom 9. bis 11. September zentrale Leerstände in der City bespielen – Mit Kunst, Performance, Konzerten und mehr.

Es ist ja nicht so, dass es keinerlei Ausstellungsmöglichkeiten in Braunschweig gäbe. Da bieten sich so einige an, von der Städtischen Kunsthalle 267 an der Hamburger Straße bis zum Torhaus des Bundes Bildender Künstler. Aber den vielen Kreativen in der Kunsthochschulstadt und der Region sind es doch notorisch zu wenige. Und schon gar nicht sind sie so zentral gelegen wie das elegante Flebbe-Haus am Bohlweg/Ecke Damm.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 02.09.2022 (Bezahl-Artikel)

Auch deshalb strahlen die Chef-Organisatorinnen Franziska Pester und Anne Mueller von der Haegen, als sie das Kunstfest „Justamente“ ankündigen, das am nächsten Wochenende die Stadt kreativ beleben soll. Es bespielt Leerstände. Das ist nicht ganz neu, solche Kooperationen zwischen Geschäfts-/Immobilienwelt und KünstlerInnen gibt es öfter. Aber eben nicht in solchen 1a-Lagen. Und auch nicht so groß aufgezogen, wie das nun Urstand feiern soll.

„New Yorker“-Chef Friedrich Knapp gibt Flebbe-Haus mietfrei

„Die Künste müssen die Stadt mitdenken, gerade in Zeiten der Umbrüche“, sagt Projektleiterin Franziska Pester. Sie könnten „Möglichkeitsräume“ schaffen, die Gegenwart reflektieren, Neues ausprobieren. Eine kräftige Kunstinfusion gegen die Tristesse von Leerständen. Es sei toll, wenn Stadt und Immobilienbesitzer dieses Potenzial erkennen und mitspielen – wie etwa im Flebbe-Haus.

Das gehört „New-Yorker“-Chef Friedrich Knapp. Der Fast-Fashion-Boss sei „kunstaffin“, wie seine Sponsoring-Fachfrau Lisa Horstmann versichert (und wie er es mit der Förderung der Musischen Akademie Braunschweig bis vor kurzem auch demonstriert hat). Der 70-Jährige stellt die seit zwei Jahren leerstehenden unteren Etagen des Flebbe-Hauses kostenlos zur Verfügung, so dass „Justamente“ zentral am Bohlweg steigen kann. Aber nicht nur dort.

Großformate für die Kaufhof-Fassade

Gegenüber beispielsweise wird der frühere Galeria-Kaufhof bespielt – äußerlich zumindest. Die Künstlerin Anna.laclaque hat bereits begonnen, die Fassade mit großformatigen Gemälden zu bereichern. Wirklich großformatig: 6,80 mal zwei Meter. Sie prangen in dem vertikalen gläsernen Durchbruch der gewaltigen Kachelwand. Es sei ganz schön anstrengend gewesen, darin zu arbeiten in der Hitze der vergangenen Tage, erzählt Laclaque. „Ich hatte nur 80 Zentimeter Platz“. Entstanden ist ein Triptychon expressiver Menschenbilder, eine starke, schnell hingeworfene Serie mit einem schreienden Männerkopf in einem schwarzroten Inferno im Mittelpunkt.

Bespielt werden auch Räume am Waisenhausdamm, in der Bohlweg-Unterführung, der Aegidien-Passage und andernorts in der City. 31 KünstlerInnen sind dabei.

Spontane Kunst mit Ortsbezug

Zu ihnen gehört Performerin Elizabeth Wurst. Sie verkörpert eine Diva, ein wenig im Stil der 50er Jahre, schön cool hinter der großen Sonnenbrille, und singt mit kräftiger Stimme über das, was ihr gerade so ins Sichtfeld kommt – ja, du zum Beispiel mit der Zeitung!

„Genau darum geht es bei ,Justamente’, dass die Künstlerinnen und Künstler gesehen werden, dass es spontane Begegnungen gibt“, sagt Anne Mueller von der Haegen, Leiterin des Allgemeinen Konsumvereins, der Hinter Liebfrauen 2 auch mitspielt. Fast alle Teilnehmer steuerten neue Arbeiten bei, für die sie einer Jury Konzepte vorlegen mussten, und gingen oft direkt auf die ungewöhnliche Ausstellungssituation mitten in der City ein.

Spontane Live-Malerei in Schaufenstern am Waisenhausdamm

Viktoriia Bachmann etwa will in einem Schaufenster am Waisenhausdamm „Live-Paintings“ schaffen, aus der Situation heraus. Die 23-jährige Malerin lebt seit zwei Jahren in Braunschweig und stammt aus Cherson im Süden der Ukraine, einer Großstadt, die nun unter russischer Besatzung darbt. Familie und Freunde leben noch dort, gefährdet und bedrückt, erzählt Bachmann. Sie übersetzt das Bangen um ihre alte Heimat in düster-expressive Bilder, die derzeit bereits im Schloss-Carree zu sehen sind. Seonah Chae wiederum bemalt im Flebbe-Haus Möbelstücke, die Menschen in der Corona-Pandemie aussortiert haben.

Die Braunschweigische Stiftung, Munte-Immobilien, das Kulturinstitut und der Bund Bildender Künstler haben ihren Teil zur Unterstützung von „Justamente“ beigetragen. Kommenden Freitag, 18 Uhr, geht es los.

Das Programm

Das Kunstfest „Justamente“ wird am Freitag, 9. September, um 18 Uhr im Allgemeinen Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2, eröffnet.

Bis Sonntagabend, 11. September, werden Leerstände in der City mit Kunst, aber auch Performances und Konzerten bespielt.

Geführte Touren starten vom Allgemeinen Konsumverein aus: Freitag um 19, Sonnabend um 15 und 18, Sonntag um 11 und 15 Uhr.

Das komplette Programm gibt es hier.

Im Allgemeinen Konsumverein eröffnet bereits am Donnerstag, 8. September, 18 Uhr, eine weitere Ausstellung: Die Glaskünstlerin Simone Fezer (Stuttgart/Hamburg) entwirft aus recycelten Materialien und unterschiedlichen Medien eine große dystopische Installation. Sie ist auch während „Justamente“ zu besichtigen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 02.09.2022 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article236325171/Kultur-Infusion-fuer-veroedete-Braunschweiger-Kaufhaeuser.html (Bezahl-Artikel)

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