Mainstream ist bei den anderen
Der Allgemeine Konsumverein versteht sich seit mehr als 20 Jahren vor allem als Lobby für gute alternative Kunst.
Warum heißt der Allgemeine Konsumverein eigentlich so, wie er heißt? Die Erklärung ist relativ einfach: Der Name orientiert sich schlicht an dem Schriftzug, der noch immer in goldenen Lettern auf dem 1907 erbauten Jugendstilhauses prangt. Das Haus war einst die stolze Erweiterung des schon 1890 gegründeten Vereins. Der „erste“ Allgemeine Konsumverein war seinerzeit der erfolgreiche Zusammenschluss von Arbeitern und Angestellten, die gemeinschaftlich Lebensmittel einkauften, um den hohen Preisen zu entgehen. Schon 1910 hatte der Verein sagenhafte 10.000 Mitglieder. An diese Zahlen reicht der neue Allgemeine Konsumverein nicht heran. Kunst und Kultur locken die Massen weniger als Zwieback und Muckefuck, aber aus dem Selbstverständnis des Vereins heraus stellt er auch gewissermaßen „Lebensmittel ins Regal“.
Jährlich bis zu 6.000 Besucher
Der heutige Allgemeine Konsumverein hat knapp 50 Fördermitglieder. Und er will gar nicht dem Mainstream hinterherlaufen und Blockbuster präsentieren, obwohl jedes Jahr bis zu 6.000 Besucherinnen und Besucher die Schwelle des Eingangs auf der Hausrückseite Hinter Liebfrauen 2 überqueren. Der Konsumverein positioniert sich ganz bewusst vor allem mit alternativer, junger und jung bleibender Kunst. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine.
Seit Oktober 1999 zeigt der Allgemeine Konsumverein im Erdgeschoss des geschichtsträchtigen Hauses Skulpturen, Installationen, Bilder und Performances. Und es finden Musikabende, Lesungen, Kunst-Gespräche und Filmnächte statt. Ein Archiv auf der Interseite zeigt die bisherigen Aktivitäten auf. Seit den späten 1980er Jahren hatten in dem städtischen Gebäude Braunschweiger Künstler und Künstlerinnen das „Braunschweiger Künstlerhaus“ – damals unter dem Namen Kunstasyl – gegründet und dort ihre Ateliers untergebracht.
Raum für zeitgenössische Kunst
Der Allgemeine Konsumverein will Raum für zeitgenössische Kunst bieten. „Das Verständnis von Kunst soll für jeden Einzelnen befördert werden. Der Kontakt zwischen Rezipienten und Künstlern soll erleichtert werden … Darüber hinaus soll der Kontakt und Erfahrungsaustausch unter Künstlern befördert werden, um einen emanzipatorischen Umgang mit der Kommerzialisierung zu gewährleisten beziehungsweise Letzterem entgegen zu wirken“, heißt es in der Satzung.
„Wir leben von engagierten Künstlerinnen und Künstlern, von einem lebhaften Publikum, von Fördermitgliedern und Sponsoren. Wir brauchen diese Unterstützung auch weiterhin“, sagt die Vorsitzende Anne Mueller von der Haegen gerade angesichts der Auswirkungen auf die Kulturszene durch die Corona-Lockdowns. Die Kunsthistorikerin war bereits bei der Gründung, entstanden aus einer Privatinitiative mehrerer Künstler, dabei und ist bis heute das markante Gesicht des Allgemeinen Konsumvereins. Mit Martina Bothe, Martin Sporrer und Hans Wesker sind drei weitere Gründungsmitglieder aktiv, zu denen damals auch noch Helmut Schmidt, Denis Stuart Rose sowie Michael Kaul gehörten. Heute wird die aktive Gruppe durch Franziska Pester, Thomas Bartels und Annette Zimmer ergänzt.
Vermisst: „Kunst… hier und jetzt“
Regelmäßig gefördert werden Projekte des ehrenamtlich geführten Vereins von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigischen Stiftung sowie dem Land Niedersachsen. Dazu kommt seit 2012 eine Kontinuitätsförderung durch die Stadt. Finanziell ist der Verein nicht auf Rosen gebettet, dennoch gelangen bemerkenswerte Erfolge wie das internationale Festival klangstaetten | stadtklaenge (2009, 2012 und 2017), die heute in der Szene sehr vermissten Kunstfeste der offenen Ateliers „Kunst… hier und jetzt“ (2005, 2007, 2009, 2011, 2013 und 2015) und als Anerkennung für die geleistete Arbeit die Erwähnung in der Broschüre zur Kulturhauptstadtbewerbung 2010 als wichtiger Kunstort oder auch eine Förderung durch die Stiftung Kunstfonds 2017. Der Allgemeine Konsumverein hat bereits mehrfach Anstöße gegeben, die von anderen Institutionen aufgegriffen wurden.
Litscher-Ausstellung zum Jubiläum
Gefeiert werden sollte das 20-jährige Bestehen mit zahlreichen Ausstellungen im vergangenen Jahr. Wegen des Lockdowns gingen die Pläne nicht ganz auf. Wie viele Galerien und Ausstellungsorte rüstet sich der Allgemeine Konsumverein nun für das zweite pandemische Jahr. Gleich die erste Ausstellung „Taxa & Theater of Memory“ von Marlene Bart wurde zwar eröffnet, ist bisher aber aus bekannten Gründen nicht öffentlich und analog zugänglich. Die schon für das Jubiläum 2020 geplante Ausstellung des Schweizers Hans Peter Litscher (Goethes Zebra in Kooperation mit den Theaterformen) soll am 25. März folgen. Die Ausstellung „ERNA WUSCH IM VEREIN KUNOS GELBEN LEIM GAR“ beruht auf monatelangen Recherchen zu Geschichte und Kontext des Allgemeinen Konsumvereins.
„Insbesondere durch die Kontinuitätsförderung der Stadt und die unterstützende Programmförderung der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz haben wir viel erreicht. Experimente und Kooperationen, Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten, stärkere Öffnung zu Studierenden der HBK. Aber, wer will sich auf den Erfolgen auch der Festivals schon ausruhen. Es erscheint notwendig, noch stärker in die Stadt zu wirken, vielleicht noch politischer zu denken, manches Vermittlungsangebot zu verstetigen – wie zum Beispiel Klang | Kunst | Schule und das Klangkunstfestival ein viertes Mal zu starten, den Außenraum erneut zu erobern“; richtet Anne Mueller von der Haegen den Blick trotz Corona-Pandemie hochmotiviert in die Zukunft.
Kontakt:
Allgemeiner Konsumverein e. V.
Hinter Liebfrauen 2
38100 Braunschweig
E-Mail: info@konsumverein.de
Homepage: www.konsumverein.de
Öffnungszeiten:
- Donnerstag 18 bis 22 Uhr
- Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr