Marienkirche mal gerüstfrei besichtigen
Zwerchgiebel an der Südseite der ehemaligen Residenzkirche der Braunschweigischen Herzöge in Wolfenbüttel sind restauriert, 2018 folgt aber schon die Sanierung des Turms.
Mit der Sanierung der Zwerchgiebel auf der Südseite der Hauptkirche Beate Mariae Virginis in Wolfenbüttel ist der jüngste Teil der nie enden wollenden Sanierung abgeschlossen. Zeiten ohne Bautätigkeit sind rar für dieses außen wie innen außergewöhnlich prächtige Gotteshaus. Wer es gerüstfrei bewundern will, sollte sich sputen. Für das nächste Jahr steht bereits die Renovierung des Kirchturms der ehemaligen Residenzkirche der Braunschweigischen Herzöge an. Der Holzwurm treibt sein Unwesen.
Seit der Grundsteinlegung 1608 und dem Baubeginn unter Herzog Heinrich Julius muss quasi unaufhörlich an irgendeiner Stelle dieses ältesten protestantischen Neubaus in Deutschland Hand angelegt werden. „Diese Kirche ist eine Diva. Sie ist wunderschön, aber sie bedarf regelmäßiger Pflege“, erklärt Propst Dieter Schultz-Seitz das nimmermüde Bemühen.
Die Kirche glänzt vor allem durch ihre prunkvolle Ausstattung. Besonders der mit viel Gold versehene Hochaltar beeindruckt auf Anhieb beim Eintritt in die Kirche über das Hauptportal. Er war ursprünglich für die Prager Dreifaltigkeitskirche vorgesehen, konnte dort aber aufgrund politischer Wirren nicht aufgestellt werden. Bildschnitzer Ditterich bot sein Werk nach dem Tod von Heinrich Julius stattdessen in Wolfenbüttel an, und die Herzoginwitwe Elisabeth übernahm als Stifterin die Kosten. Auch der Altar wurde 1983 kräftig überholt, um die Veränderungen aus dem 19. Jahrhundert zurückzubauen.
Die Kirche passt insgesamt nicht zur norddeutschen Nüchternheit protestantischer Kirchenbauten, denn sie hatte vor allem auch Repräsentationszwecke für den Herzog zu erfüllen. Die Hauptkirche zählt so zu den besonderen Profilkirchen der Landeskirche und damit zu den kulturhistorisch bedeutendsten Kirchen im Braunschweiger Land. Dazu gehören weiter der Braunschweiger Dom, die Klosterkirche Riddagshausen, der Kaiserdom in Königslutter, die Marktkirche in Goslar, das Kloster Walkenried und die Stiftskirche in Bad Gandersheim.
Aktuell ist das bauhistorische Juwel in Wolfenbüttel dank diverser Förderungen durch Stiftungen in einem ausgezeichneten Zustand. Zur Finanzierung der Sanierung der Zwerchgiebel und vieler Einzelobjekte trug die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK) bei. Die Giebel waren großflächig brüchig. Die Schäden entpuppten sich nach sachgerechter Reinigung als noch größer als angenommen. Es traten erhebliche Absprengungen, Risse im Mauerwerk und Abtragungen des Natursteins zu Tage getreten, so dass die Arbeiten deutlich länger als vorgesehen dauerten.
Im Wesentlichen gab es neben diversen Teil-Restaurierungen wie dieser und einigen Umgestaltungen über die Jahrhunderte drei große Sanierungsphasen. Von 1650 bis 1660 wurden die Schäden des Dreißigjährigen Krieges beseitigt. Von 1881 bis 1889 und von 1969 bis 1986 wurde von Grund auf restauriert. 1984 wurde übrigens auch die ursprüngliche Ausmalung des Mauerwerks wieder herausgestellt. Seither ist die Kirche hell und freundlich. Mittlerweile dient sie als Gemeindekirche von St. Marien und St. Trinitatis.
Von Anfang an war der morastige Untergrund das Hauptproblem der Gebäudesicherung dieses Monumentalbaus. Das Fundament bildet ein Pfahlrost, der das große Gewicht des Gebäudes auf dem weichen Untergrund kaum tragen kann. Deswegen wurden schon beim Bau – entgegen des ursprünglichen Plans von Baumeister Paul Francke – zur Stabilisierung sechs achteckige Säulen eingezogen. Franckes Ursprungsentwurf sah eine frei tragende Hallenkirche vor. Trotz der Säulen treten aber immer wieder Risse im Mauerwerk auf.
Auch der für Witterungseinflüsse sensible Elbsandstein aus Quedlinburg bereitet, wie eben zuletzt auf der Südseite, seit Jahrhunderten Sorgen. Von 1998 bis 2009 war bereits die Westfassade, ebenfalls mit Mitteln der SBK, sehr aufwändig restauriert worden. Damit konnte die Kirche 400 Jahre nach der Grundsteinlegung nach langer Zeit wieder durch das Hauptportal betreten werden.
Die technokratische Abkürzung Hauptkirche BMV trägt fraglos nicht dazu bei, dahinter auf Anhieb ein so bedeutendes Kulturdenkmal zu vermuten. Marienkirche, die Formulierung des Volksmunds, scheint dem eher zu entsprechen und führt auch zurück auf die Marienkapelle, die von 1301 an eben dieser Stelle stand. Ein Besuch der Kirche lohnt sich, vor allem wegen der imposanten Orgel, der besonderen Kanzel mit darüber liegender Herzogsloge, diverser Epitaphe und der restaurierten Welfengruft mit ihren restaurierten Sarkophagen sowie der Ausstellung in der Gruftkapelle.
Öffnungszeiten
Die Kirche am Kornmarkt ist zur Besichtigung und stillen Besinnung geöffnet:
Dienstag bis Samstag: 10 – 12 und 14 – 16 Uhr
Sonntag: 14 – 16 Uhr
Öffentliche Kirchenführung: Jeden 2. Freitag im Monat (Treffpunkt 17 Uhr am Hauptportal)
Fotos