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„Mehr Buddha-Statuen als Kruzifixe“

Elizabeth T. Spira mit dem Lessing-Preis für Kritik. Foto: Lessing-Akademie/Nizar Fahem
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Österreichische Dokumentarfilmerin Elizabeth T. Spira erhielt in Wolfenbüttel den Lessing-Preis für Kritik.

Es war nicht die erste Auszeichnung für die österreichische Fernsehjournalistin Elizabeth T. Spira, aber doch eine ganz besondere. Nach dem Fernsehpreis der Österreichischen Volksbildung, dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik oder dem Preis der Stadt Wien für Publizistik in den vergangenen Jahren, um nur einige zu nennen, nun der Lessing-Preis für Kritik 2018, den die Lessing-Akademie Wolfenbüttel in Kooperation mit der Braunschweigischen Stiftung alle zwei Jahre vergibt. Der Preis ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil er Spira außerhalb ihres Heimatlandes, also auch außerhalb ihres Sendegebiets verliehen wurde.

Die Jury begründet die Vergabe an die Österreicherin, die 1942 als Tochter der österreichisch-jüdischen Emigranten Eva Spira im schottischen Glasgow geboren wurde, unmissverständlich und nennt die Journalistin eine „Jahrhundertfigur fürs Fernsehen“ auch außerhalb Österreichs. Sie lobt die schonungslose österreichische Selbstbetrachtung Spiras. Zur Jury des Lessing-Preises gehören die Publizistin Dr. Franziska Augstein, die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, der Leiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Braunschweig Prof. Dr. Joachim Block, der Hallenser Germanist Prof. Dr. Daniel Fulda, Prof. Dr. Cord-Friedrich Berghahn, Präsident der Lessing-Akademie Wolfenbüttel, und der Direktor der Herzog August Bibliothek, Prof. Dr. Peter Burschel.

„Ich habe mich mit sozialen Themen beschäftigt, und ich habe unbotmäßige Interviewfragen gestellt, das ist nicht gut angekommen“, sagte Spira, die für den öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunk (ORF) arbeitet, kürzlich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Darin plädierte sie vehement für einen kritisch hinterfragenden Journalismus und ergänzte: „In Österreich ist man eh schon weniger kritisch als in anderen Ländern. Da würde ich sagen: Ein bisserl Kritik müssen die Mächtigen schon aushalten.“

Die Jury lobt trotz aller Kritikfreude der Journalistin insbesondere auch ihre Einfühlsamkeit. „Elizabeth T. Spiras Blick auf den Menschen beschönigt nichts, er verdeckt keine Schwächen, Wunderlichkeiten, selbst Vulgaritäten. Immer wieder thematisiert sie das den Menschen vorenthaltene Glück, die unerfüllte promesse du bonheur. Dabei führt sie das Personal ihrer Filme nicht vor, gibt es nie der Lächerlichkeit preis“, heißt es in der Jury-Begründung weiter.

In seiner Laudatio während der Preisverleihung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel am 13. Mai sagte der Journalist und Publizist Dr. Franz Kössler, früherer Redaktionsleiter des ORF, laut Pressemitteilung, Spira habe die  Verfasstheit der österreichischen Gesellschaft konkreter als jede soziologische Studie beschrieben, nicht zuletzt ihren Abgrund an Vorurteilen und Rassimus. Die dokumentarische Reihe der `Alltagsgeschichte` setzte Spira mit den außerordentlich erfolgreichen `Liebesg’schichten und Heiratssachen` fort.

In ihren Gesprächen habe Spira ein einzigartiges und unerreichtes Talent gezeigt, Menschen zum Sprechen zu veranlassen, so die Jury. In Form einer ethnologisch zu verstehenden `beobachtenden Teilnahme` zeige sie Personen aus dem ganzen Spektrum der österreichischen Gesellschaft, nicht selten aus sozial einfachsten Verhältnissen, häufig Außenseiterexistenzen. Die Resultate seien so brisant gewesen, dass etwa ihre Aufnahmen von Stammtischgesprächen unter dem Titel `Am Stammtisch` mit ihren allgegenwärtigen Rassismen und Antisemitismen erst 28 Jahre nach dem Entstehen, im Jahr 2016, gesendet wurden.

In ihrer Ansprache im Rahmen der Verleihung des Lessing-Preises gab Spira kurze Einblicke in den soziologischen Wandel, den Österreich in den Jahrzehnten ihrer Arbeit erfahren habe. Heute seien etwa mehr Buddhastatuen als Kruzifixe in Österreichs Wohnstuben zu finden, heißt es in der Pressemitteilung der Lessing-Akademie, und der Partnersuche in Internetforen könne sie noch immer wenig abgewinnen. Dem eigenen Land sei sie zwar in freundlicher Distanz verbunden, verglich sich aber mit einer Afrikanerin, die ethnologische Studien im fremden Land treibe.

Ihre Wahl der Förderpreisträgerin fiel auf die Wiener Journalistin Stefanie Panzenböck. Spira lobte die sie für hervorragende Beiträge über die Kultur Wiens und die österreichische Politik. Panzenböck schreibe, kritisch, gut recherchiert, souverän und unaufdringlich, und manchmal auch im Widerspruch zu ihrer eigenen Auffassung.

Der Lessing-Preis für Kritik wird seit dem Jahr 2000 verliehen und ist mit insgesamt 20.000 Euro (15.000 + 5.000) Euro dotiert.

Die bisherigen Preisträger:

2000: Karl Heinz Bohrer; Förderpreis für Michael Maar
2002: Alexander Kluge; Förderpreis für das St. Petersburger Cello-Duo: Mikail Degtiarev und Kirill Timofejev
2004: Elfriede Jelinek; Förderpreis für Antonio Fian
2006: Moshe Zimmermann; Förderpreis für Sayed Kashua
2008: Peter Sloterdijk; Förderpreis für Dietmar Dath
2010: Kurt Flasch; Förderpreis für Fiorella Retucci
2012: Claus Peymann; Förderpreis für die Schauspielerin Nele Winkler vom Theater RambaZamba
2014: Hans-Ulrich Wehler; Förderpreis für Albrecht von Lucke
2016: Dieter Wieland; Förderpreis für Thies Marsen

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