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Mit Talar und Lippenstift

In der Katharinenkirche in Braunschweig wurden die ersten sechs Pastorinnen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig ordiniert. Foto: Braunschweiger Zeitung/Archiv
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Sonderausstellung in der Stiftskirche Bad Gandersheim: Vor 50 Jahren wurden die ersten sechs Pastorinnen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig ordiniert.

Gertrud Böttger-Bolte, Mechthild Brauer, Gudrun Hahn, Ingeborg-Charlotte Neubeck und die bereits verstorbenen Doris Gaßmann und Annemarie Marx waren die ersten Pastorinnen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig. Diese sechs Theologinnen wurden am 4. April 1968 in der Katharinenkirche in Braunschweig von Bischof Heinze ordiniert. Das Datum ist Anlass für die Sonderausstellung „Talar und Lippenstift – 50 Jahre Frauen im Pfarramt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig“ in der Stiftskirche Bad Gandersheim. Erst mit dem westdeutschen Gesetz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat, wurde Frauen in Deutschland der Weg zum Pastorinnenberuf nach und nach von den Landeskirchen eröffnet. Erste deutsche Pastorin überhaupt wurde Elisabeth Haseloff 1958 in Lübeck.

Die Sonderausstellung „Talar und Lippenstift. 50 Jahre Frauen im Pfarramt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig“ ist eine Kooperation zwischen der Frauenarbeit der Landeskirche in Braunschweig mit dem Museum Portal zur Geschichte, Sammlung Frauenstift. Die Ausstellung ist Bestandteil einer Reihe von Veranstaltungen, die im Rahmen des Jubiläums „450 Jahre evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig“ geplant sind. Die Präsentation versucht eine kultur- und kirchengeschichtliche Einordnung von Frauen im Raum der Braunschweigischen Landeskirche vom Mittelalter bis heute dar. Gefördert wird die Ausstellung unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigischen Stiftung.

Hintergrund der Ausstellung ist, dass Frauen in der Kirche über einen langen Zeitraum lediglich im Hintergrund wirken durften. Sie bekleideten keine offiziellen Ämter, sondern waren Gemeinde- oder Pfarrhelferin. Die ersten Pfarrvikarinnen versahen ihren Dienst vor allem in Krankenhäusern oder Gefängnissen, öffentliche Gottesdienste zu halten, war ihnen untersagt. Bis 1979 mussten Pfarrerinnen gar unverheiratet sein. Heiratete eine Pfarrvikarin, endete das Dienstverhältnis. Die ersten Pfarrerinnen hatten es schwer, respektiert zu werden. Sie wurden belächelt, kritisiert und abgewertet, oft sogar durch männliche Kollegen.

Frauen im Talar sorgen noch heute für Gesprächsstoff, weiß Pfarrerin Meike Bräuer-Ehgart, Stiftskirchenpfarrerin in Bad Gandersheim und stellvertretende Pröpstin. „Frauen im Amt werden, anders als Männer, häufig auch mit merkwürdigen Bildern konfrontiert. Ich bin zum Beispiel seit meinem ersten Amtsjahr immer wieder gefragt worden, was ich eigentlich unter meinem Talar anhabe. Auch Kolleginnen berichten das, aber ich habe noch von keinem Pfarrer gehört, dem diese Frage je gestellt worden ist“, sagt sie. Die Ausstellung zeige, wie hart sich Frauen den Weg ins Pfarramt erkämpfen und wie viele Hindernisse sie dabei überwinden mussten.

In der Ausstellung „Talar und Lippenstift“ werden viele spannende und mutige Lebensentwürfe von Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten dargestellt. Die Besucherinnen und Besucher können sich in der Stiftskirche ein sehr eindrückliches Bild machen. Fotos, Briefe, sakrale Gegenstände sowie persönliche Erlebnisse und Ausstellungsstücke machen die Biographien anschaulich. Ein Beispiel ist die „Rabenhandpuppe“ einer Pfarrerin, die als alleinerziehende Mutter gegen den Vorwurf der Rabenmutter kämpfen musste. Auch Frauen-Talare sind zu sehen. Nachdem die Pfarrerinnen sich das schwarze Gewand „erstritten“ hatten, wünschten sich viele eine eigens für Frauen zugeschnittene Amtskleidung.

Mit einigen anderen Frauen in Führungspositionen wurde auch Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta eingeladen, die Sonderausstellung zu besuchen. „Was uns heute als Selbstverständlichkeit erscheint, ist noch nicht lange in Kraft. Die Ausstellung zeigt auf, wie steinig der Weg war, den Frauen beschreiten mussten, um das bisher Erreichte zu erkämpfen. Sie zeigt aber auch, dass noch ein ganzes Stück des Weges vor uns liegt. Diskriminierungen sind subtiler geworden, aber nicht verschwunden“, sagte sie. Frauen seien im Berufsleben angekommen, in Führungspositionen jedoch nach wie vor kaum vertreten.

Die Gandersheimer Stiftskirche als Ausstellungsort wird als authentischer Ort der „starken Frauen“ der Braunschweigischen Landeskirche in die Ausstellung mit einbezogen. Das ermöglicht eine Begegnung mit den „geistlichen Frauen“ an ihrem Wirkungsort. Die Stiftskirche war von 881 bis 1810 der Lebensmittelpunkt einer geistlichen Frauengemeinschaft.

Der Frauenanteil unter den Pfarrpersonen in der Landeskirche Braunschweig ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen. Während er in den 1980er Jahren noch unter zehn Prozent lag, waren es 2007 schon fast 27 Prozent. Derzeit gibt es in der Landeskirche insgesamt 261 Pfarrpersonen, 95 Frauen und 166 Männer. Damit ist der Anteil von Frauen auf fast 37 Prozent gestiegen.

Oberlandeskirchenrätin Brigitte Müller ist aktuell die einzige Frau im Leitungsorgan Landeskirchenamt und eine von vier Oberlandeskirchenräten. Von den zwölf Propsteien sind vier mit Pröpstinnen besetzt: Martina Helmer-Pham Xuan in Königslutter, Pia Dittmann-Saxel in Vechelde, Uta Hirschler in Braunschweig und Elfriede Knotte in Bad Gandersheim-Seesen. Letztere war 1995 die erste Pröpstin der Landeskirche.

Talar und Lippenstift

Eintrittspreise: Der Eintritt zur Sonderausstellung ist frei. Dauerausstellung „„Schätze neu entdecken” 3 Euro, ermäßigt 2 Euro.
Führungen: Führungen durch die Sonderausstellung, sonntags 11.15, Dauer 60 Minuten,  5 Euro, ermäßigt 4 Euro.
Öffentliche Expertinnen-Führungen, sonntags 11.15, Dauer 60 Minuten,  5 Euro, ermäßigt 4 Euro, Termine: 29.07., 19.08. und 23.09.
Gruppenführungen durch die Sonderausstellung auf Nachfrage  60 Minuten, 60 Euro, max. 20 Personen
Für Schulkassen und Konfirmandengruppen (Führung, Gespräch Fertigung eines Plakats) 2 Euro pro Person, max. 25 Personen.

Kontakt:

Pfarrerin Meike Bräuer-Ehgart & Pfarrer Thomas Ehgart
Brackebuschweg 14
37581 Bad Gandersheim

Tel.: 05382-6038877
Mobil: 0151-52422867

Mail: thomas.ehgart@lk-bs.de
Web: www.stiftskirchengemeinde.de
www.facebook.com/TalarundLippenstift

 

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