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Namensgeber revolutionierte die Pädagogik

Das Gebäude der Grundschule Comeniusstraße. Foto: Der Löwe
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Braunschweigs Schulen, Teil 3: Die Grundschule Comeniusstraße wurde 1903 als 5. Mittlere Knabenschule in Braunschweig gegründet.

Mit dem Verzicht auf Schulnoten und jahrgangsübergreifenden Unterricht besitzt die Grundschule Comeniusstraße Alleinstellungsmerkmale für die staatlichen Schulen in Braunschweig. Die offene Ganztagsschule ist fraglos etwas Besonderes.

Schulleiterin Brigitte Rössing hat die Schule mit ihren Visionen entscheidend geprägt. So wurde die Grundschule 2013 mit dem Deutschen Schulpreis geehrt. Der Namensgeber der Schule, Johannes Amos Comenius (1592- 1670), gab offenbar den Impuls, Lehren immer wieder neu zu denken. „Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen“, wird er im Leitbild der Schule zitiert. Comenius war ein bedeutender Philosoph und Pädagoge aus Mähren und hatte unter anderem in Heidelberg studiert.

Einschulungsfoto 1931. Foto: privat

Einschulungsfoto 1931. Foto: privat

Unsere Serie „Braunschweigs Schulen“ soll sich in erster Linie um die Geschichte der Schulen und weniger um die Gegenwart kümmern. Aber selbstverständlich muss ein Schwenk ins Hier und Jetzt erlaubt sein, wenn es denn so prägend ist, wie in diesem Fall. Die Serie ist als Kooperation mit der Facebook-Gruppe „Braunschweig im Wandel der Zeit“ gedacht, die unsere Beiträge teilt und ihre Mitglieder aufruft, Erinnerungen, Erlebnisse und Fotos darunter zu posten. Diese Artikel über Braunschweigs Schulen sollen allen Ehemaligen als Anregung dienen, sich mit „ihrer“ Schule mal wieder etwas näher zu befassen. Die Braunschweigische Landschaft, Dritter im Bunde dieser Reihe, plant zum Thema „Schulen“ ein geselliges Treffen im Garten des Hauses der Braunschweigischen Stiftungen.

Das zweite Zuhause

Die Grundschule Comeniusstraße ist, wie gesagt, speziell. „In diesem alten, würdigen Schulhaus greifen Raum und Zeit in besonderer Weise ineinander. An der Grundschule Comeniusstraße ist ein Modell entstanden, das die Schule als zweites Zuhause für Grundschulkinder ausgestaltet und ihnen den Weg zur Entfaltung all ihrer Kräfte und Sinne bereitet. Die von Erwachsenen konstruierte und den Kindern fremde Trennung zwischen Lernzeit und Freizeit erscheint hier durch ein kluges Konzept der Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und Jugendhilfe aufgehoben“, heißt es in der Laudatio zum Deutschen Schulpreis 2013.

Ausgangspunkt dieses herausragenden Erfolgs ist das Jahr 1903. Da nämlich wurde die Schule als 5. Mittlere Knabenschule in Braunschweig gegründet. Über die Geschichte der Schule legt die umfängliche Schrift „100 Jahre Schule Comeniusstraße“ umfassend Zeugnis ab. Sie ist auch Grundlage dieses Berichts. An der Redaktion der Broschüre war Brigitte Rössing bereits maßgeblich beteiligt. Sie lenkt seit 1989 die Geschicke der Schule.

Braunschweig wuchs immer stärker

Klassenfoto der 5c der 5. Mittleren Knabenschule mit Lehrer Hans Bolm vermutlich aus dem Jahr 1925. Foto: Broschüre Grundschule Comeniusstraße

Klassenfoto der 5c der 5. Mittleren Knabenschule mit Lehrer Hans Bolm vermutlich aus dem Jahr 1925. Foto: Broschüre Grundschule Comeniusstraße

Damals, 1903, waren die Schulen Braunschweigs noch in untere und mittlere Bürgerschulen aufgeteilt. Es gab neun untere Bürgerschulen mit 9765 Kindern in 188 Klassen. Mädchen und Jungen besuchten zwar die gleiche Schule wurden aber nach Geschlechtern getrennt. Bei den mittleren Bürgerschulen gab es fünf Einrichtungen für Knaben mit 4122 Jungen in 83 Klassen und vier für 3036 Mädchen in 68 Klassen. Für den Besuch der unteren Bürgerschulen wurde monatlich eine Mark Schulgeld verlangt, für den in den mittleren Bürgerschulen 1,50 Mark.

Die neue Schule im Östlichen Ringgebiet war nötig geworden, weil Braunschweig im Zuge der Industrialisierung immer größer wurde. 1903 lebten bereits knapp 135.000 Menschen in der Stadt. 50 Jahre zuvor waren es noch nicht einmal 40.000 gewesen. Neue Wohnviertel waren jenseits des Wallrings entstanden. Zunächst im Westen später im Osten. In der Karlstraße 35 befand sich zum Beispiel die 1895 gegründete Konservenfabrik Brunsviga. Heute ist das noch existierende Gebäude das Kultur- und Kommunikationszentrum Brunsviga, mit dem die Grundschule Comeniusstraße eine intensive Partnerschaft pflegt.

Einheitsschule gefordert

Bereits zur Gründung der Schule wurde in der Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung unter anderem vom späteren braunschweigischen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Jasper die Einheitsschule gefordert. Doch erst nach dem Ersten Weltkrieg und der daraus resultierenden Novemberrevolution 1918 wurde nicht mehr nach Herkunft und Stand gefragt. Die Aufteilung nach mittleren und unteren Bürgerschulen war obsolet geworden, aus der 5. Mittlere Knabenschule schlicht die „Volksschule Comeniusstraße Braunschweig“.

Von 1943 an war wie an den meisten Schulen in Deutschlands Großstädten an einen geregelten Unterricht infolge des Bombenkrieges nicht mehr zu denken. In der schrecklichen Bombennacht am 15. Oktober 1944 wurde das Gebäude der „Comeniusschule“, wie es in der Chronik der Grundschule Comeniusstraße heißt, nur durch das beherzte Eingreifen des Hausmeisters Lütge, der in der Nacht, körperlich selbst behindert, auf dem Dachboden und in den oberen Fluren verschiedene Brandbomben und Feuer löscht“.

Schäden in der Bombennacht

Schulausflug Mitte der 1930er Jahre. Foto: privat

Schulausflug Mitte der 1930er Jahre. Foto: privat

„Unser Schulgebäude stand. Gewiss gab es mancherlei Schäden: Das Dach war an einigen Stellen aufgerissen, so dass es hereinregnete. Zwei Räume waren von Bomben durchschlagen. Fensterrahmen waren herausgedrückt, Türen aus den Angeln gerissen, fast sämtliche Fenster ohne Glas. Die Turnhalle war besonders arg mitgenommen, und es war wie ein Wunder, dass durch die zahlreichen Brandbomben nicht ein größeres Unheil verursacht war. An städtische Hilfe war kaum zu denken. Drei entlassene Soldaten, Hausmeister Heinrich Lütge und ich haben in den Sommermonaten 1945 das Gebäude vor weiteren Schäden zu retten versucht. Wir haben die Soldaten angeseilt, die auf dem steilen Dache neue Ziegel legten, wir haben Pappen vor die Fenster gesetzt und die notwendigen Aufräumungsarbeiten verrichtet. Fast das gesamte Inventar sowie unsere Akten und unsere Lehrmittelsammlungen sind erhalten geblieben, nicht zuletzt deshalb, weil das Gebäude von jeder Belegung frei blieb. Dadurch hatten wir in der Aufbauarbeit von vornherein vor vielen anderen Schulen einen großen Vorsprung“, schrieb Ernst Wedler, Schulleiter von 1933 bis 1957 in seinen Erinnerungen „Blick zurück“.

Nach der Befreiung durch die Amerikaner ruhte der Schulbetrieb 1945 von Mai bis September. Der Neustart war schwierig. Die meisten Familien des Schulbezirks wohnten laut der Chronik in stark beschädigten Wohnungen, viele in einem Raum, manche in feuchten Kellern, andere unter dem Dach, wo es im Sommer oft glutheiß und im Winter eisig war. Es herrschten Kohlenknappheit, Hunger und soziales Elend. Im Oktober gab es an der „Comeniusschule“ bereits wieder zehn Grundschul- und drei Volksschulklassen mit insgesamt 548 Jungen und sieben Lehrkräften.

Mehr als 2000 Kinder

Vom Tag der Wiedereröffnung an bis 1948 musste die Schule Heinrichstraße integriert. Ihr Gebäude wurde zu der Zeit als Hilfslazarett genutzt. Am Ende gab es 50 Klassen mit mehr als 2000 Kindern. Die Unterrichtszeit lautete für jede Schule in wochenweisem Turnus entweder 8 bis 12.30 Uhr odeer 13 bis 17.30 Uhr. Aber die allgemeinen Verhältnisse sollten sich im Zuge des „Wirtschaftswunders“ recht rasch bessern.

Eine tiefgreifende Veränderung trat dann zum Schuljahresbeginn 1974 mit der niedersächsischen Schulreform ein. Die „Volksschule Comeniusstraße“ wurde zur „Grundschule Comeniusstraße“, die sie heute noch mit Bravour für aktuell knapp 400 Kinder ist.

Bisherige Schulleiter:

  • Wilhelm Sauerbier (kommissarisch) 1903/1904
  • Karl Linke 1904/1905
  • Hermann Former 1905 – 1912
  • Heinrich Pfaue 1912 – 1914
  • Julius Ramke 1914 – 1924
  • Otto Rode 1824 – 1926
  • Hermann Schellbach 1926 – 1928
  • Otto Lüdecke 1928
  • Otto Rode 1928 – 1929
  • Wilhelm Kappey 1929 – 1931
  • Richard Hellvoigt 1931 – 1933
  • Ernst Wedler 1933 – 1957
  • Blänsdorf 1958 – 1971
  • Guiskard Eck 1971 – 1974
  • Felix Krause 1974 – 1989
  • Brigitte Rössing seit 1989

Fotos

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