Neues Standardwerk über das Residenzschloss
Autor Dr. Bernd Wedemeyer arbeitet sich durch die Geschichte des Ottmerschen Prachtbaus mit den Schwerpunkten Debatten um den Wiederaufbau und Umsetzung der Rekonstruktion.
Niemand hat sich so intensiv und wissenschaftlich fundiert mit dem Braunschweiger Schloss auseinandergesetzt wie Kunsthistoriker Dr. Bernd Wedemeyer. Dabei wusste er, als er als Student nach Braunschweig kam, nicht mal, dass es überhaupt eins gegeben hatte. Er wunderte sich seinerzeit aber schon über die Grünfläche mitten in der Stadt, dem einstigen Schlosspark, und merkte, dass da ganz offensichtlich etwas Substantielles fehlte. Heute ist er der profunde Kenner des vom Braunschweigischen Hofbaumeisters Carl Theodor Ottmer geschaffenen Prachtbaus schlechthin. Er hatte entscheidenden Anteil an der originalgetreuen Fassaden-Rekonstruktion des 2007 eingeweihten Wiederaufbaus. Wer sich also für das Braunschweiger Schloss interessiert, kommt an Dr. Wedemeyer nicht vorbei. Mit seinem jetzt erschienen Buch „Das Residenzschloss Braunschweig – vom Herzogssitz zum kulturellen Zentrum“ ist ihm ein neues Standardwerk zum Thema gelungen.
Das hochwertige, im Appelhans Verlag erschienene Buch, glänzt nicht nur mit seinem goldenen Einband, sondern mit der ganzen Geschichte des Braunschweiger Schlosses. Natürlich vom Ottmerschen Schlossentwurf mit historischen Plänen über die damalige Ausführung bis hin zum Abriss des kriegsbeschädigten Gebäudes im Jahr 1960. Die Geschichte des Schlosses war damit aber bekanntermaßen nicht beendet. Wedemeyer widmet sich zu mehr als der Hälfte der 316 Seiten mit dem was danach bis zur Rekonstruktion 2007 passierte. „Die Stadt hat einen Teil ihrer Identität zurückerhalten, die sie – wie so viele andere Städte auch – im zweiten Weltkrieg verloren hatte. Der mit der Fertigstellung des Ottmer-Baus 1841 begonnene Kreis hat sich geschlossen. Gut für Braunschweig!“, schreibt Dr. Wedemeyer in seinem Schlusswort.
Dem Buch ist an jeder Stelle anzumerken, dass es jemand verfasst hat, dem das Schloss besonders am Herzen liegt. Und dennoch hat es Dr. Wedemeyer geschafft, im wichtigen zweiten Teil, der die Debatten und Planungen des Wiederaufbaus nach 2002 beschreibt, durch die wissenschaftliche Herangehensweise eine dokumentarische Distanz zu seinen eigenen Gefühlen zu wahren, die er bei der Präsentation im „Roten Saal“ des Schlosses gar nicht erst zu verbergen sucht. Auf Fakten, Archivmaterial und Zeitungsartikel beruhen seine sachlichen Schilderungen. Auf einer wertneutralen Basis fußt dieser ausführliche Teil, der sich mit den Widerständen, Protesten, Klagen und heftigen Diskussionen befasst. Berücksichtigt hat der Autor auch eine Übersicht vieler überregionaler Pressestimmen, die sich meistens kritisch mit dem Braunschweiger Hybrid aus Kulturzentrum einerseits und Einkaufszentrum andererseits auseinandergesetzt hatten.
Im dritten Teil des Buchs beschäftigt sich Dr. Wedemeyer mit dem Bauverlauf des neuen Schlosses. Er schildert die Schwierigkeiten, die Fassade originalgetreu wieder aufzubauen, weil die Planunterlagen aus den Braunschweigischen Museen Ungenauigkeiten bei der Umrechnung ins metrische Maß ergaben. Das Schloss war seinerzeit nach „Braunschweigischem Fuß“ berechnet worden. Und bei diesem Thema trat auch die Begeisterung für das Schloss während der Präsentation bei Dr. Wedemeyer wieder zutage. „Wir haben von den sogenannten korinthischen Kapitellen, die in den Fassaden der Freisäulen sitzen, von 18 benötigten 17 Stück wiederbekommen. Der Altstein-Anteil am Neubau des Schlosses auf die Fassadenlänge von 260 Metern von dem Achsenanteil 11 Prozent Altsteine. Das ist ein bemerkenswerter Wert für ein Gebäude, das ja 1960 im August völlig abgeräumt war“, sagte er.
Eingeflossen sind im ersten Teil des neuen Buches, der sich mit der Historie des Schlosses bis zum Abriss befasst, viele überarbeitete Passagen aus dem 1986 erschienen Vorgängerwerk Wedemeyers „Das ehemalige Residenzschloss zu Braunschweig – Eine Dokumentation über das Gebäude und seinen Abbruch im Jahre 1960“ sowie aus dem Buch „Braunschweiger Hofkultur – Ausstattung und Fragmente des ehemaligen Residenzschlosses“, dass Dr. Wedemeyer im Jahr 2000 gemeinsam mit Eva-Maria Willemsen verfasst hatte.
Im Anhang finden sich die Reden des damaligen Braunschweiger Oberbürgermeisters Dr. Gert Hoffmann und von Richard Borek, eine umfangreiche Chronologie des Wiederaufbaus, eine Liste der nicht realisierten Wiederaufbaupläne nach 1945, eine Auswahl von Teil- und Vollrekonstruktionen in Europa und vieles mehr.
„Das Residenzschloss Braunschweig – vom Herzogssitz zum kulturellen Zentrum“
Autor: Dr. Bernd Wedemeyer
Herausgeber: Richard Borek Stiftung
Format: 20,0 x 30,0 cm, Hardcover
Umfang: 316 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Verkaufspreis: 24,80 Euro
Appelhans Verlag, Braunschweig 2017
ISBN 978-3-944939-30-8
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