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Risse im Fundament der Demokratie

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„Fritz Bauer Ultras“ ist mehr als ein Schauspiel von Christian Weiß über den legendären früheren Braunschweiger Oberstaatsanwalt, der die Ausschwitz-Prozesse in Frankfurt initiierte.

Die Produktionen von xweiss gehen oft über das reine Schauspiel im Theatersaal hinaus. Mit besonderen Aktionen soll die Relevanz eines Themas unterstrichen und den Besuchern ein Mehrwert geboten werden. Bei dem aktuellen Stück „Fritz Bauer Ultras“, das kürzlich im Kleinen Haus des Staatstheaters Premiere feierte und noch bis in den Februar 2025 hinein gespielt wird, wird das „Mehr als Theater“ auf die Spitze getrieben. Es wurde die für das Stück namensgebende Fan-Initiative gegründet. Es gibt ein Sammelbildheft a la Panini sowie eine komplette Fan-Kollektion mit Fan-T-Shirt, Fan-Schal, Basecap und Poster. Erhältlich ist alles am „Fritz Bauer Kiosk“ vor und nach den Vorstellungen im Foyer des Kleinen Hauses.

Kultstatus posthum

Fritz Bauer (1903-1968) ist fraglos eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit der Zeitgeschichte, die es verdient, in den Kultstatus erhoben zu werden – so wie es sonst nur Fußball- oder Pop-Stars vergönnt ist. Was jenen zu Lebzeiten zuteil wird, geschieht bei Fritz Bauer spätestens seit dem Fernsehfilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ aus dem Jahr 2015 posthum.

Eine Schlüsselfigur der jungen Demokratie

Zu Lebzeiten, als Bauer als Generalstaatsanwalt wirkte, wurde seine famose juristische Leistung im Nachkriegs-Deutschland längst nicht so bejubelt wie der Schuss von Helmut „Boss“ Rahn im WM-

Fritz Bauer. Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung

Finale 1954 gegen Ungarn. Den Respekt, den er verdient hätte, hätten ihm seine Zeitgenossen versagt. Dabei sei er in der Rückschau eine der Schlüsselfiguren der jungen Demokratie gewesen, die Deutschland den Rückweg in die Gemeinschaft der Völker geebnet hätten, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 50. Todestag von Fritz Bauer am 1. Juli 2018.

Späte Anerkennung

Seine Arbeit als Staatsanwalt begann Fritz Bauer nach der Rückkehr aus dem Exil bis 1956 in Braunschweig. Nach Verhaftung durch die Nationalsozialisten 1933 war er 1935 nach Dänemark emigriert. Als Oberstaatsanwalt erreichte er in dem aufsehenerregenden Remer-Prozess vor dem Landgericht Braunschweig 1952 die Rehabilitation der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Mit seinem Wirken bis 1968 verbinden sich die Entführung Adolf Eichmanns und die Auschwitz-Prozesse. Der streitbare Jurist stieß auf vielfältige Ablehnung, als Jude auch auf offen antisemitische Anfeindungen. Er setzte sich für die konsequente strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts ein und trug damit wesentlich zur Demokratisierung der westdeutschen Gesellschaft bei.

Vorbild für die Demokratie

„Wir müssen in Zeiten, in denen die AfD erstarkt und durch das Setzen von Triggerpunkten die Gesellschaft polarisiert, stärker zusammenrücken und aktiv etwas für den Erhalt unserer Demokratie tun. Hierzu stellt die Inszenierung Fritz Bauer in den Mittelpunkt. Sein unermüdlicher Einsatz für die Demokratie kann ein Vorbild sein. Wir wollen das nutzen und ihn popikonisch aufladen“, erläutert Regisseur Christian Weiß. „Wir müssen etwas tun gegen die Risse im Fundament der Demokratie“, lässt er in dem Stück eine Darstellerin sagen. Das steht sinnhaft als Überschrift zu Stück und Bewegung.

Auf die Menschen kommt es an

Im ersten Teil der Aufführung trägt das Publikum Kopfhörer und taucht akustisch in eine Art Traumwelt ein, in der sich historische Tonaufnahmen mit puzzleartig verschnittenen Aussagen von und über Fritz Bauer mischen. Der Generalstaatsanwalt ist tot. Aber, als sich die Gegenwart, mit all ihren Hasskommentaren Bahn bricht, die auch Bauer zu Lebzeiten bereits selbst erleben musste, ist es Zeit, aufzustehen und etwas zu tun.

Umschlag des Sammelbildhefts. Foto: Picture alliance/Atelier Disko

„Es bleibt nichts anderes übrig, als dass wir einfach zusammenstehen und diese Fülle von Dingen tun“, ist Fritz Bauer im Originalton zu hören. „Sie können Paragrafen machen, Sie können Artikel schreiben, Sie können die besten Grundgesetze machen, was Sie brauchen, sind die richtigen Menschen, die diese Dinge leben. Kein Mensch schafft Demokratie, es sei denn, Sie und ich und wir, jeder für uns.“ In diesem Sinne zeigt der zweite Teil des Abends dann die fünf Frauen auf der Bühne, wie sie darum ringen, sich selbst für die Demokratie im eigenen Alltag einzusetzen.

Einstieg in die Ultraszene

Ein schöner Einstieg in die „Fritz Bauer Ultraszene“ ist das Sammelbildheft zu Fritz Bauer und der Produktion. Es ist wie ein erweitertes Programmheft und liefert noch mehr Inhalt zu der Figur Fritz Bauer. Das Heft ist im Staatstheater erhältlich. Die dazugehörigen Sammelbilder gibt es bei verschiedenen Kooperationspartnern in der Stadt, die ein gesellschaftliches Engagement verbindet.
Es sind: Gedenkstätte Schillstraße, Refugium e.V., Haus der Braunschweigischen Stiftungen, Café Riptide, Theater Fadenschein, Cura e.V., Kunstverein Braunschweig, Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V., Staatstheater und DRK Kaufbar.

Weitere Termine: 8., 12., 14., 19., 22., 28. Dezember, 5., 12., 24., 26. Januar und 14. Februar.

Kontakt: post@xweiss.info

Fritz Bauer Ultras (Trailer): https://www.youtube.com/watch?v=0-GDPCEr6gU&t=3s

Fritz Bauer Ultras (Teaser): https://staatstheater-braunschweig.de/produktion/fritz-bauer-ultras-at

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