Schlief Napoleon in Braunschweig?
Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 40: Die frühere Garnisonschule ist heute Sitz der Rechtanwaltskammer.
Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Jahre 1806 war das vorübergehende Ende des Herzogtums Braunschweig durch den Einzug des französischen Heeres besiegelt. Divisionsgeneral Baptiste Pierre Bisson wurde als Militärgouverneur zum Verwalter ernannt. Am 18. August 1807 ließ Napoleon per Dekret verkünden, dass das ehemalige Herzogtum nunmehr zum Königreich Westphalen unter seinem Bruder Jérôme Bonaparte gehöre.
Am 16. Mai 1808 traf der neue König im Schloss Richmond ein und ließ am nächsten Tag seinen Einzug in die Stadt Braunschweig zelebrieren. Der Architekt Peter Josef Krahe errichtete am Augustplatz eigens für diesen Anlass einen Triumphbogen, dort überreichte ihm der Bürgermeister den Schlüssel zur Stadt. Nächste Station war der Aegidienmarkt, wo dem neuen König Lieder gesungen wurden.
Im April 1809 besuchte Jérôme erneut Braunschweig. Das Residenzschloss am Bohlweg sollte für ihn umgebaut werden, doch der König von Westphalen war von dem Department an der Oker, wie man Braunschweig nannte, nicht sonderlich begeistert. Inzwischen regte sich auch der Widerstand in Deutschland, Herzog Friedrich Wilhelm stellte zeitgleich seine „Schwarze Schar“ auf, die zu seinem Beinamen „Schwarzer Herzog“ führte.
Es gab schon 1808 Unruhen gegen die französische Besatzung, aber durchaus auch begeisterte „Franzosenfreunde“ in Braunschweig, die die Herrschaft Napoleons bejubelten. Daher mag das hartnäckige Gerücht entstanden sein, dass Kaiser Napoleon höchst selbst seinen Bruder Jérôme in Braunschweig aufsuchte und aufgrund der Bauarbeiten im Residenzschloss nicht dort, sondern in der Garnisonsschule übernachtete.
Das darf jedoch getrost in den Bereich der Legenden verwiesen werden, denn Napoleon hat Braunschweig nie persönlich aufgesucht. Bis 1926 diente das Gebäude als Schule. Im Zweiten Weltkrieg wurde es stark beschädigt und wieder aufgebaut.
Am 29. September 1853 wurde am Lessingplatz das von Ernst Rietschel entworfene Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing enthüllt. Gegossen hat die 2,60 Meter hohe Bronzefigur Georg Howaldt in seiner Werkstatt Hochstraße 21, in der fast alle in Deutschland aufgestellten Denkmale der Zeit hergestellt wurden (vgl. dazu auch Folge 18: Diesen Burgturm gibt es doppelt). Die Fläche rund um das Denkmal hieß noch bis 1858 „Hinter Aegidien“, dann erfolgte die Umbenennung in „Lessingplatz“. Der weitaus größere Teil des Platzes wurde 1881 als „Siegesplatz“ bezeichnet, denn dort wurde am 26. April1881 ein Siegesdenkmal enthüllt. Es sollte an den Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71erinnern. Das Denkmal wurde nach dem Entwurf des Bildhauers Adolf Breymann ebenfalls von Georg Howaldt gegossen wurde. Ein Teil dieses Denkmals, die Germania, wurde im 2. Weltkrieg eingeschmolzen, das restliche Denkmal schwer beschädigt. Heute ist nichts mehr davon erhalten.
Schaut man nun an Lessing vorbei zur Nordseite, so befand sich dort die Aegidienschule, später die besagte Garnisonsschule. An der Westseite stand das Haushaltungsgebäude des Aegidienklosters, das 1776 zur Aegidienkaserne umgebaut, 1843 jedoch abgebrochen wurde.
Was also heute noch zu sehen ist und erst 2013 nach Renovierung von der Rechtsanwaltskammer übernommen wurde, ist das im Auftrag von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand 1795 erbaute Gebäude der Garnisonsschule. Der Herzog wollte damit einen Beitrag leisten, damit die Kinder der Soldaten und Unteroffiziere die Grundlagen der Bildung vermittelt werden konnten. Napoleon schlief dort tatsächlich nie.
Quellen:
Braunschweiger Stadtlexikon, Braunschweig, 1992
Berthild Vogel, Lessingplatz 3, Eigenverlag 2003
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