„Siegerentwurf respektiert den Hagenmarkt als Stadtplatz“
Bauhistoriker Elmar Arnhold hofft, dass der Vorschlag des Berliner Büros weitgehend unverändert umgesetzt wird.
Das Berliner Büro capattistaubach urbane landschaften hat den städtischen Gestaltungswettbewerb zur Neugestaltung des Hagenmarkts gewonnen. Ob die Idee in dieser Form umgesetzt wird, ist jedoch fraglich, denn entscheidend ist die Politik. Zunächst will die Verwaltung den Entwurf einer genauen Prüfung unterziehen und dann möglichst noch in diesem Jahr eine Beschlussvorlage in die politischen Gremien geben. Wird zugestimmt, so die Stadt, könnte 2024 mit der Umsetzung begonnen werden.
Im vergangenen Jahr hatte die Politik unisono bereits den beauftragten Vorschlag des hiesigen Büros Ackers Partner Städtebau insbesondere wegen des Anspruchs, eine „grüne Oase für das Stadtklima“ schaffen zu wollen, abgelehnt. Dabei wären allerdings mehr Bäume gepflanzt worden als zuvor gestanden hatten. Ob der Politik diesmal die Anzahl der Bäume ausreicht und ihr die versiegelten Flächen akzeptabel erscheinen, ist also eine berechtigte Frage. Um historische Bezüge ging es vor einem Jahr nicht. Sie sind offenbar keine mehrheitstauglichen Argumente bei der Neugestaltung.
Stadtplanung des 12. Jahrhunderts
Historisch betrachtet war der Hagenmarkt seit Jahrhunderten ein Stadtplatz und niemals eine Grünfläche. Dort fand beispielsweise in den 1930er Jahren und von 1946 bis 1955 der Weihnachtsmarkt statt. Grundsätzlich hat der Hagenmarkt für Braunschweig eine Bedeutung wie der als Traditionsinsel ausgewiesene Altstadtmarkt oder der herausragend umgestaltete Kohlmarkt. Wie sie ist auch der Hagenmarkt ein typisches Beispiel für die Stadtplanung des 12. Jahrhunderts und das Zentrum des Weichbildes Hagen. Die Katharinenkirche als mittelalterliches Zeugnis und der 1874 entstandene Heinrichsbrunnen gelten als wesentliche.
Nach großen Kriegsschäden wurde der Platz jedoch dem Verkehr „geopfert“. Erst Anfang der 1980er Jahre wurden zum Ausgleich Bäume gepflanzt und mit ihrem Wachstum etablierte sich der Begriff „Hagenwäldchen“. Am Ende war in der Vegetationsphase der ganze Hagenmarkt bedeckt. Im Oktober 2017 hatte das Sturmtief Xavier zahlreiche Akazien entwurzelt. Seit nunmehr fünf Jahren gibt es ein bemerkenswertes Hick-Hack um die zukünftige Gestaltung.
Neuer Platzcharakter
„Der Siegerentwurf respektiert die Rolle des Hagenmarkts als Stadtplatz. Damit stand er nahezu singulär in dem Wettbewerb der elf Büros da. Ich habe mit Erleichterung aufgenommen, dass die Fachjury diesen Entwurf an Nummer eins gesetzt hat. Ich bin gespannt, wie nun dieser Siegerentwurf tatsächlich in die politischen Gremien gehen wird“, kommentiert Bauhistoriker Elmar Arnhold, der als nicht stimmberechtigtes Mitglied an der Jurysitzung teilgenommen hatte. Arnhold, als Verfasser des Buches Braunschweigs Plätze ausgewiesener Experte, lobt an dem Berliner Entwurf vor allem, dass in Teilen wieder ein Platzcharakter entsteht und die Rasenflächen rund um den Heinrichsbrunnen verschwinden werden. So wird eine vielfältige Nutzbarkeit, die zuletzt nicht mehr gegeben war.
„Der siegreiche Entwurf zeichnet sich durch einen überraschenden Umgang zwischen dem äußeren Rand und einem inneren Platz aus, der die Verknüpfung vieler Anforderungen an den Hagenmarkt ermöglicht. Hierbei verleiht ein breiter, begrünter Saum dem Platz einen prätentiösen Rahmen mit unterschiedlichen Funktionen. Der Entwurf sieht weiterhin Ruhezonen für Erholungssuchende vor, Spielgeräte laden Kinder zum Spielen ein, und auch kleinere lokale Veranstaltungen können auf dem neugestalteten Platz stattfinden“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt.
Chance für das Stadtbild
„Die Qualität eines Platzes lässt sich nicht in der Anzahl der zu pflanzenden Bäume und dem Prozentsatz der versiegelten Fläche messen, sondern daran, wie er von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen und genutzt wird. In seiner aktuellen Form war der Hagenmarkt verkommen zu einer reinen Querung in die Innenstadt. Da wurde in den vergangenen Jahrzehnten viel Potential verspielt, das mit dem Siegerentwurf, wenn er denn so umgesetzt wird, wieder ein Stück weit gehoben werden könnte“, meint Bauhistoriker Arnhold und mahnt vor ideologisch geprägten Entscheidungen beim Hagenmarkt, die erneut eine Chance für das Stadtbild Braunschweigs rauben könnten. „Auf dem Piazza del Campo in Siena steht kein einziger Baum und doch trinken die Menschen dort mit Begeisterung ihren Cappuccino“, meint er und verweist auf die geplante Anlage von sogenannten Pocketparks wie etwa auf dem Parkplatz Hintern Brüdern für das Braunschweiger Stadtklima. „Dort, wo es sich nicht um historische Plätze handelt, bin ich sehr für innerstädtisches Grün“, sagt er und möchte nicht mehr und nicht weniger als einen sensiblen Umgang mit dem Hagenmarkt.
Die Jury
Landschaftsarchitekt Martin Diekmann (Hannover), Landschaftsarchitektin Prof. Katja Benfer (Hannover), Architektin Sybille Welp (Braunschweig), Hochbau- und Umweltdezernent Holger Herlitschke und Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer.
Sachpreisgericht: Annette Johannes (SPD, Ratsmitglied), Heidemarie Mundlos (CDU, Ratsmitglied), Rochus Jonas (Grüne, Ratsmitglied) und Jutta Plinke (Grüne, Bezirksbürgermeisterin Innenstadt).