Städtebaulicher Kollateralschaden bleibt überschaubar
In Braunschweig gibt es mit den neuen WC-Kuben an der Südstraße, im Westpark und am Inselwall nun 23 öffentliche Bedürfnisanstalten.
Die neue WC-Anlage in der Südstraße ist städtebaulich ganz sicher nicht der große Wurf und in ihrem Erscheinungsbild sowie mit ihrer Platzierung nicht unumstritten, aber immerhin fällt sie mit ihrer poppigen Farbe auf und hält so Nachtschwärmer hoffentlich zukünftig davon ab, die Reste der Stadtmauer am Gieselerwall als Sichtschutz für ihr Bedürfnis zu missbrauchen. An dieser Stelle sei „städtebaulich ohnehin nicht mehr viel kaputtzumachen“ und deswegen lohne es sich auch nicht, großartig über die WC-Anlage zu streiten, meint etwa Bauhistoriker und Stadtteilheimatpfleger Innenstadt Elmar Arnhold. Obwohl es auch in Braunschweig deutlich zurückhaltender und sensibler gestaltete WC-Anlagen wie zum Beispiel am Prinzenpark gibt.
Zum Glück nicht im Blick
Unter dem denkmalpflegerischen Gesichtspunkt sieht er keine Kollision mit dem Jüdischen Gemeindehaus oder dem Ensemble der drei mittelalterlichen Fachwerkbauten Alte Knochenhauerstraße 11, 12 (Ritter St. Georg) und 13. „Wer vor den historischen Gebäuden, die das alte Braunschweig aus der Zeit vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg dokumentieren, steht, sieht nichts von der WC-Anlage“, sagt Elmar Arnhold. Die drei Häuser stammen aus dem 14./15. Jahrhundert. Der rund fünf Meter hohe Mauerrest zwischen Prinzenweg und Gieselerwall dagegen aus dem 13. Jahrhundert. Der Bau geht auf Stadtgründer Heinrich den Löwen sowie seinen Sohn Kaiser Otto IV. zurück. Der schnöde Parkplatz, der an die öffentliche Bedürfnisanstalt angrenzt, verträgt das knallige Orange schadlos.
Kosten: 818.000 Euro
Ähnliche WC-Kuben wie der an der Südstraße wurden aktuell auch im Westpark und am Inselwall in Betrieb genommen. „Neben der grundsätzlichen technischen Erschließbarkeit wurde ebenfalls die Integration an den jeweiligen Standorten im Hinblick auf Erscheinungsbild und unter Berücksichtigung der meist historischen Grün- und Parkanlagen der Stadt geprüft“, hieß es in der Beschlussvorlage für den Rat. Ob das an der Südstraße als gelungen angesehen werden kann, ist wohl eine verwegene Geschmacksfrage.
Insgesamt hat die Einrichtung der drei WC-Kuben rund 818.000 Euro gekostet. Damit sei man dem Bürgerwunsch nachgekommen und habe die Aufenthaltsqualität an diesen, bei den Braunschweigerinnen und Braunschweigern beliebten Orten verbessert, heißt es in einer städtischen Mitteilung.
Mit ihnen gibt es nun insgesamt 23 öffentliche WC-Anlagen in Braunschweig. Davon sind zwölf Anlagen für Männer und Frauen (Frauen zahlungspflichtig, Männer nur Urinale frei), drei Anlagen für Männer und Frauen (beide zahlungspflichtig), drei Anlagen für Männer (frei nutzbar), zwei Anlagen für Männer und Frauen (beide frei) sowie drei Anlagen als sogenannte Marktanlagen für alle nutzbar, allerdings nur zu Marktzeiten geöffnet. Weitere neue WC-Anlagen sind gegenwärtig nicht in Planung, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit.
Keine Frequenzmessungen
Die Standorte der öffentlichen Toiletten verteilen sich auf das gesamte Stadtgebiet. Sechs liegen in der Innenstadt, andere befinden sich am Rande von beliebten Grünflächen und Parks (Liste siehe unten). Bei den meisten in den vergangenen Jahren gebauten Toilettenanlagen in Braunschweig ist eine Nutzungsgebühr von 20 Cent für den jeweils größeren barrierefreien Raum vorgesehen, das Urinal ist kostenfrei zugänglich. Das Nutzungsentgelt der öffentlichen WC-Anlage am Fernlinienbusbahnhof beträgt 50 Cent. Die Kosten für Wartung und Reinigung betragen rund 230.000 Euro im Jahr. Eine Messung, wie intensiv die Anlagen tatsächlich genutzt werden, gibt es nicht.
Pissoir unter Denkmalschutz
Eine Sonderstellung bei den öffentlichen Bedürfnisanstalten in Braunschweig nimmt das historische Pissoir am Theater ein. Es ist, 1896 in Betrieb genommen, als Kulturdenkmal eingestuft. Die erste öffentliche Toilette der Neuzeit gab es übrigens 1852 in der Londoner Fleet Street. Die Stadtverwaltung ließ öffentliche Bedürfnisanstalten einrichten, um damit die hygienischen Verhältnisse in der Stadt und damit die Volksgesundheit zu verbessern. Hinlänglich bekannt ist allerdings, dass es keine neue Erfindung war, denn es gab bereits im alten Rom öffentliche Toiletten. Die sogenannten Latrinen boten bis zu 80 Personen zeitgleich Platz und das ohne trennende Wände.
Öffentliche Toiletten in Braunschweig:
- Am Theater (Pissoir, ständig geöffnet)
- An der Martinikirche (5 – 22 Uhr, Mi. und Sa.)
- Bienrode, Im Großen Moore (8 – 20 Uhr vom 1. April – 31. Oktober)
- Europaplatz (ständig geöffnet)
- Fernlienenbusbahnhof, Berliner Platz
- Frankfurter Straße (Pissoir, ständig geöffnet)
- Heidbergsee (8 – 20 Uhr vom 1. April – 31. Oktober)
- Helmstedter Straße (6 – 20 Uhr)
- Humboldtstraße (Pissoir, ständig geöffnet)
- Herzogin-Elisabeth-Straße 79 (8 – 20 Uhr)
- Herzogin-Elisabeth-Straße 80B (7.30 – 20 Uhr)
- Kohlmarkt (6.30 – 23 Uhr)
- Lincolnsiedlung, Gifhorner Straße. (7 – 22 Uhr)
- Muldeweg (7 – 20 Uhr, Do. von 6 Uhr an)
- Nibelungenplatz (7 – 14 Uhr, Di. + Fr.)
- Platz der Deutschen Einheit (7.30 – 24 Uhr, Urinal ständig geöffnet)
- Südsee, Schrotweg 113 (6 – 20:30).
- Stöckheim, Leipziger Straße. 100 (7 – 14 Uhr, Do. + Sa.)
- Westfalenplatz (7 – 14 Uhr, Di. + Fr.)
- Dowesee/Schulgarten (7 – 20 Uhr)
- Inselwall (6 – 23 Uhr)
- Westpark (6 – 23 Uhr)
- Südstraße (5.30 – 5 Uhr)