Straßenbahn fährt mitten über die Grünfläche
Braunschweigs Plätze, Folge 2: Der zweigeteilte Lessingplatz verlor durch Zugeständnisse an den Verkehr gleich zweimal seinen ursprünglichen Charme.
Das sogenannte Braunschweiger Tangentenviereck kommt einem eigentlich immer nur dann in den Sinn, wenn es um zu viel Autoverkehr geht, um Brüche im europaweit nahezu einmaligen Wallring und um den Wiederaufbau der Stadt nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Ziel, eine möglichst autogerechte, „amerikanisierte“ Stadt quasi ohne Rücksicht auf Verluste zu schaffen. Die heute zweigeteilte, aber in Gänze als Lessingplatz bezeichnete Platzanlage im Süden der Innenstadt hat auch unter dem zu leiden, was sich Stadtplaner nach 1945 für Braunschweig ausdachten. Am Lessingplatz kostet eine trennende, innerstädtische „Autobahn“ das einst so schlüssige Ensemble, das über die Bruchtor-Promenade vom Westen aus und über die Augusttor-Promenade vom Osten aus für Flaneure erreichbar war. Heute rauscht da der Verkehr vom John-F.Kennedy-Platz bis zum Friedrich-Wilhelm-Platz und über die Konrad-Adenauer Straße nicht minder heftig zurück.
Keine Aufenthaltsqualität
„Im Zweiten Weltkrieg blieb die Bebauung beider Platzabschnitte weitgehend unbeschädigt. Im Zuge des Ausbaus des innerstädtischen Tangentenvierecks für den Individualverkehr konnte die Platzform grundsätzlich beibehalten werden. Zwischen den beiden Straßentrassen verblieb eine ovale Rasenfläche mit annähernd symmetrischem Baumbewuchs. Der Straßenverkehr ist um die Grünfläche herumgeleitet. Diese lädt aufgrund des starken Verkehrsaufkommens und der dort verlaufenden Straßenbahngleise jedoch nicht zum Aufenthalt ein“, bilanziert der renommierte Bauhistoriker und Stadtteilheimatpfleger Innenstadt Elmar Arnhold.
Gemeinsam mit ihm stellt „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ Braunschweigs unbekanntere Innenstadt-Plätze in monatlicher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung herausgegeben Buch „Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestaltungspläne für den Hagenmarkt. Herausgekommen ist ein attraktives Standardwerk. „Die in der mittelalterlichen Stadtstruktur gründende Vielzahl historischer Platzanlagen ist als einzigartig in der deutschen Städtelandschaft zu bewerten“, urteilt Arnhold über „sein“ Braunschweig.
Lessingplatz seit 1858
Am 29. September 1853 wurde am Lessingplatz das vom Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel entworfene Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing enthüllt. Gegossen hat die 2,60 Meter hohe Bronzefigur der Braunschweiger Georg Howaldt. Die Fläche rund um das Denkmal hieß dennoch bis 1858 weiter „Hinter Aegidien“, erst dann erfolgte die Umbenennung in „Lessingplatz“. Der weitaus größere, südlichere Teil des Platzes wurde 1881 in „Siegesplatz“ umgetauft. Zuvor war er als „Am Gänsewinkel“ und von 1846 an wegen seiner Funktion als Veranstaltungsort für Jahrmärkte als „Tummelplatz“ bezeichnet worden.
Germania auf dem Siegesplatz
Der Siegesplatz sollte an den erfolgreichen Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 erinnern. Im Zentrum wurde die Skulptur der Germania aufgestellt, die Bildhauer Adolf Breymann entworfen und ebenfalls Howaldt gegossen hatte. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg jedoch schwer beschädigt. Die Germania wurde eingeschmolzen, der Sockel abgetragen. Heute erinnert nichts mehr daran. Der „kleine“ Lessingplatz wird geprägt vom Gebäude der früheren Garnisonsschule, die Herzog Carl Wilhelm Ferdinand 1795 errichten ließ. Seit 2014 ist dort die Rechtsanwaltskammer beheimatet. Die Immobilie, die der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK) gehört, ist von der Kammer in Erbpacht übernommen und in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz umgebaut und renoviert worden.
Herausragende Villa Salve Hospes
Der „große“ Lessingplatz war Teil der Gesamtkonzeption von Peter Joseph Krahe für den Wallring Anfang des 19. Jahrhunderts. Krahe war es auch, der in diesem Zuge die beeindruckende, klassizistische Villa Salve Hospes 1805 für den vermögenden Kaufmann Dietrich Krause entwarf. Heute ist die Villa Heimat des Kunstvereins Braunschweig.
„Nachdem 1893 eine Pferdestraßenbahn eingerichtet worden war, verkehrte ab 1899 die Linie 5 der elektrischen Bahn über den Platz. Die Gleise verliefen ursprünglich über die nördliche Straßentrasse und wurden 1979 (als Linie 1) mitten über die Grünfläche auf dem Platz gelegt“, schließt Elmar Arnhold seinen Beitrag über den Lessingplatz mit einer durchaus kritischen und zugleich mahnenden Anmerkung zu einer Entscheidung, die eigentlich noch gar nicht so lange her ist.
Fakten:
Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Herausgeber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestaltung: Elmar Arnhold
Herstellung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978-3-9823115-0-0
Preis: 12.90 Euro