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Taugt das „Niedersachsenlied“ zur Hymne?

Buchdeckel der Noten.
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Beim Eisbeinessen des Technikervereins in Braunschweig darf es mit Fug und Recht gesungen werden, in Osnabrück oder Oldenburg sieht das schon anders aus.

Jahr für Jahr im November schallt beim Eisbeinessen des Technikervereins in der Braunschweiger Stadthalle das „Niedersachsenlied“ aus knapp 1.000 Männerkehlen. Voller Inbrunst wird mitgeschmettert. Aber wer aus diesem großen Männerchor weiß eigentlich, welches Land tatsächlich mit dem Niedersachsen im Lied gemeint ist? Natürlich Gerhard Glogowski, früherer Oberbürgermeister Braunschweigs, Ministerpräsident Niedersachsens und jahrzehntelanger Gast des Technikervereins. Wenn nicht er, wer denn dann?

Ja, das „Niedersachsenlied“ gilt heute als inoffizielle Hymne unseres 1946 gegründeten Bundeslandes. Doch Autor und Komponist Herman Grote (1885 – 1971) schrieb das Lied tatsächlich schon 1926 in Braunschweig. Da war an das heutige Niedersachsen noch nicht mal ansatzweise zu denken. Erst die britische  Militärregierung verordnete schließlich zwangsweise den Zusammenschluss der bis zu diesem Zeitpunkt eigenständigen und stolzen Lände Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe.

„Von der Weser bis zur Elbe, von dem Harz bis an das Meer,
stehen Niedersachsens Söhne, eine feste Burg und Wehr.
Fest wie unsere Eichen halten alle Zeit wir stand,
wenn Stürme brausen übers Deutsche Vaterland.
Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen,
Heil Herzog Widukind Stamm.“

So lautet die erste Strophe des Niedersachsenliedes. Handschriftliche Aufzeichnungen Grotes belegen, dass er durch die Lektüre einer Erzählung von Hermann Löns (1866 – 1914) zu dem Lied inspiriert wurde. In der Geschichte  beschreibt der Heimatdichter, den Kampf der germanischen Stämme gegen die Römer. Der Inhalt des Lieds bezieht sich auf die Sachsenkriege (772 – 785 n. Chr.). Tapfer gewehrt, wenngleich am Ende auch erfolglos, hatte sich damals Herzog Widukind als Führer des sächsischen Widerstands gegen Karl den Großen.

Die Original-Noten des „Niedersachsenliedes“ sind neben vielen anderen Exponaten im Heimatmuseum in Hohegeiß, dem Geburts- und Sterbeort Hermann Grotes, zu sehen. Wie Urkunden belegen, hatte  Grote sich 1934 die Rechte an seinem Lied gesichert. Seit 2009 erinnert eine Bronzestatue vor dem Museum an den Komponisten. Wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft war der Oberschulmusikleher (Lessing-Gymnasium und Gaußschule) zunächst vom Schuldienst abberufen worden, aber 1948 entlastet und als entnazifiziert eingestuft.

Erstmals sprach man im 14. Jahrhundert von einem Gebiet „Niedersachsen“. Die ersten Textzeilen „Von der Weser bis zur Elbe, von dem Harz bis an das Meer“ belegen eindeutig, dass Grotes Niedersachsen nicht identisch ist mit dem, was wir heute als Niedersachsen bezeichnen. Seine Beschreibung entspricht in etwa den gemeinsamen Außengrenzen der früheren Länder Braunschweig und Hannover. Der Bereich westlich der Weser ist nicht inbegriffen. Deswegen wird auch bezweifelt, ob das „Niedersachenlied“ überhaupt taugt, um eine eigenständige Identifikation für Niedersachsen aufzubauen, denn Ostfriesen, Oldenburger, Emsländer und Osnabrücker müssen sich durch den Text ausgegrenzt fühlen.

Wie dem auch sei, beim Eisbeinessen des Technikervereins in der Braunschweiger Stadthallen darf es weiter mit Fug und Recht und immer wieder aus rund 1.000 „gut geölten“ Männerkehlen klingen.

Weitere Strophen:

Wo fielen die römischen Schergen? Wo versank die welsche Brut?
In Niedersachsens Bergen, an Niedersachsens Wut.
Wer warf den röm’schen Adler nieder in den Sand?
Wer hielt die Freiheit hoch im Deutschen Vaterland?
Das war’n die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen,
Heil Herzog Widukind Stamm.

Auf blühend roter Heide starben einst vieltausend Mann,
für Niedersachsens Treue traf sie der Franken Bann.
Vieltausend Brüder fielen von des Henkers Hand,
vieltausend Brüder für ihr Niedersachsenland.
Das war’n die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen,
Heil Herzog Widukind Stamm.

Aus der Väter Blut und Wunden wächst der Söhne Heldenmut.
Niedersachsen soll’s bekunden: Für Freiheit, Gut und Blut!
Fest wie unsere Eichen halten alle Zeit wir stand,
wenn Stürme brausen übers Deutsche Vaterland.
Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen,
Heil Herzog Widukind Stamm.

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