Typisch deutsch
Im Rahmen einer zweimonatigen Recherche-Reise durchquerte die Braunschweiger Fotografin Birte Hennig die USA. Das Museum für Photographie Braunschweig präsentiert die Aufnahmen, die Spuren deutscher Einwanderer zeigen.
Es war diese Mischung aus eigener Familienbiografie und Neugierde am Thema, die die Braunschweigerin Birte Hennig im Herbst 2014 eine nicht alltägliche USA-Reise unternehmen ließ. Statt der Touristenziele Las Vegas, Grand Canyon, Miami oder Niagarafälle spürte Hennig bei der Tour Spuren deutschen Lebens auf. Und hielt die Orte mit der Kamera fest. Ein alleinstehendes Fachwerkhaus mitten in Texas. Waschechte Amerikaner in Dirndln und Lederhosen, die an der Steuben-Parade in New York teilnehmen. Oder eine Werkstatt mit der schwarz-roten Aufschrift Auto Service mitten in Kalifornien. „October – Zwischen Steubenparade und Alpine Village. Auf den Spuren deutscher Einwanderer in den USA“ heißt die Ausstellung, in der bis zum 11. Oktober im Museum für Photographie Braunschweig Hennigs einmalige Fotoaufnahmen zu sehen sind.
Ideengeber war Birte Hennigs Großonkel. Denn im Familienbesitz befindet sich ein Schwarz-Weiß-Foto des Ur-Ahnen, der 1926 die Heimat hinter sich ließ und sich wagemutig von Göttingen in die USA aufmachte. Erste Station war Saint Louis, Missouri, ein beliebter Ort für deutsche Auswanderer. Der Großonkel heiratete eine Österreicherin, die Beiden zog es weiter. In Los Angeles eröffnete das Paar ein Lebensmittelgeschäft. Es lebte den amerikanischen Traum – und brachte es zu Wohlstand. Der Großonkel posierte in den 30er Jahren vor einem Cabriolet Ford T.
Von West nach Ost bereiste Birte Hennigs die Vereinigten Staaten von Amerika. Erste Motive lieferte die traditionelle Steuben-Parade in New York. Friedrich Wilhelm von Steuben war eigentlich ein preußischer Offizier, stieg später in der US-Armee zum hochdekorierten General auf. Meriten verdiente er sich im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Der Baron war so angesehen, dass die deutsch-amerikanische Vereinigung jedes Jahr Ende September eine Parade abhält – dies geschieht seit 1957. So gerieten Hennigs in der Weltstadt vier Teilnehmer in bayrischen Trachten, allerdings auch quietsch-gelbe und -grüne Trabbis mit heraushängenden Deutschland-Emblemen vor die Fotolinse.
Die in der Ausstellung gezeigten Fotomotive sind ein Abbild dessen, was Hennigs an den entlegensten Orten der USA an deutschen Spuren fand. Alles ist authentisch, nichts wurde von der Fotografin künstlich in Szene gesetzt. Lediglich in einem Fall wurde ein wenig an der Inszenierungs-Schraube gedreht: Beim Foto mit der Werkstatt California Auto Service in Los Angeles fährt ein Volkswagen Jetta durch das Bild.
Hermann (Missouri), Omaha (Nebraska), Braunschweigs Partnerstadt, New Braunfels und Fredericksburg hießen die weiteren Stationen im Mittleren Westen und in Texas, deren Ortsnamen häufig schon auf die Spuren deutscher Einwanderer schließen lassen. Und eines der auffälligsten Fotos in der wieder einmal exzellent im Photomuseum Braunschweig in Szene gesetzten Ausstellung ist ein schmales, typisch deutsches Fachwerkhaus mit grünen Fensterläden am Rande eines Highways in Texas.
Zu den außergewöhnlichsten Momenten des USA-Trips zählt Hennigs der deutsche Abend in der German American Society in Omaha; wie so oft mit deutschem Essen, deutschen Volksliedern und Tänzen. Alles kommt zwar klischeehaft, sehr bayrisch herüber, „doch die Gespräche an diesem Abend haben mich sehr berührt“, sagt die Fotokünstlerin. Denn nach der Veranstaltung sei herausgekommen, dass viele der Menschen, die auf der Bühne auftraten, mit dem Bayrischen gar nichts zu tun haben, sondern beispielsweise aus Köln und Schlesien stammten oder sogar gebürtige Amerikaner waren.
Inspiriert zur ihrer Reise wurde Hennig außer durch die Familiengeschichte von ihrem Vorgängerprojekt „Baumholder“. Auf der in der Nähe von Kaiserslautern gelegenen US-Militärbase, eine der größten in Europa, mit Diners, Barbershop und Kirchengemeinde, fotografierte sie den Abzug der stationierten US-Amerikaner, und die Folgen für den deutschen Ort. „Baumholder wurde durch den Abzug die Existenzgrundlage genommen. Die Stadt blutete aus. Dieses Zwischenstadium habe ich festgehalten. Die dort entstandenen Bilder wirken sehr amerikanisch“, berichtet Birte Hennig.
Hat Hennigs einen Lieblingsort in den USA? „Ja, in Marfa habe ich so etwas wie meine eigene Heimat gefunden“, verrät Hennigs. Generell habe sie die Frage nach dem Heimatbegriff die gesamte Tour über beschäftigt. „Momentan ist die Flüchtlingsproblematik ja brandaktuell“, so Hennigs. „Auch Deutsche sind geflohen und ausgewandert, vor gar nicht allzu langer Zeit.“
Birte Hennigs Ausstellung, die in der Löwenstadt von der Braunschweigischen Stiftung unterstützt wurde, soll möglichst auch in anderen deutschen Städten gezeigt werden, auch in den USA. „Ich habe viel neue Projekte in Planung“, erklärt Hennigs. „Sie werden auch wieder mit Reisen verbunden sein.“
Ausstellung
October – Zwischen Steubenparade und Alpine Village. Auf den Spuren deutscher Einwanderer in den USA (4. September bis 11. Oktober 2015)
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag: 13 bis 18 Uhr
Samstag, Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Eintritt: 2,50 Euro (ermäßigt: 1 Euro)
Führungen
jeden Sonntag um 16 Uhr