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Verjüngungskur für die „alte Dame“

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Das jüngste Projekt der langwierigen Sanierung des Hauses Magnikirchstraße 5 war die denkmalgerechte Erneuerung von weiteren drei der insgesamt 21 straßenseitigen Fenster.

Ja, die Treppenstufen knarzen kräftig, die Wände sind krumm und schief, und wer ein bisschen zu lang geraten ist, tut gut daran, seinen Kopf einzuziehen, um sich nicht an den niedrigen Deckenbalken zu stoßen. Eine dendrochronologische Untersuchung des Fachwerks hat Andrea Watteroth, Eigentümerin des Hauses Magnikirchstraße 5, noch nicht vornehmen lassen, aber die Experten der Denkmalpflege vermuten den Umbau eines älteren Hauses um das Jahr 1750 zu seiner heutigen Gestalt. Erstmals wurde die Adresse laut Dokumenten des Stadtarchivs im Jahr 1401 erwähnt.

Die Sanierung des Gebäudes ist ein Marathonlauf. Das jüngste Projekt war die denkmalgerechte Erneuerung von weiteren drei der insgesamt 21 straßenseitigen Fenster.

Hauptfassaden mit neuen und alten Fenstern. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen

Zuschussbericht online einsehbar

Die Sanierung war Bestandteil der Förderungen, die die Stadt gemeinsam mit der Richard Borek Stiftung seit 2002 privaten und kirchlichen Projekten der Denkmalpflege gewährt. Vorgestellt wird sie im aktuellen Bericht „Denkmalförderung 2020/21. Zuschüsse zur Pflege des baulichen Kulturgutes“, der online unter www.braunschweig.de/zuschussberichte-baudenkmale einzusehen ist. „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ besuchte Andrea Watteroth.

Liebevoll spricht sie von ihrer ‚alten Dame‘, wenn sie ihr Haus meint. Es ist schon eine besondere Beziehung, die sich da seit 2003 entwickelt hat. Ursprünglich wollte die Familie das Haus nur mieten, als der Eigentümer beim Ortstermin erklärte, gegebenenfalls auch verkaufen zu wollen. „Wir hatten den Besichtigungstermin nach kurzer Zeit abgebrochen und uns gesagt, dass wir das auf keinen Fall machen werden. Alles war verbaut, verwohnt, verlebt. Mit Kindern darin zu wohnen, schien unmöglich. Ich bin dann aber immer mal wieder hin – ein Freund wohnte im Erdgeschoss – und habe alles auf mich wirken lassen. Und dann haben wir es doch gekauft“, berichtet sie vom Anfang. Liebe auf den ersten Blick war es also nicht, aber die inneren Werte haben schließlich überzeugt.

Gemütlichkeit und Charme

Vorher: Gestörte Ansicht durch einflügelige Fenster mit breiten Sprossen. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen

Bei einer Tasse Kaffee holt Andrea Watteroth einige Fotoalben heraus, alles noch analog, und zeigt, wie sich alles gefügt hat, bis das Wohnerlebnis, für alle, die das Alte mögen, heute an Gemütlichkeit und Charme kaum noch zu überbieten ist. Alles wurde grundsaniert, alle Leitungen erneuert. Eine Menge Arbeit und natürlich auch Geld steckt in diesen historischen Gemäuern, die im Zweiten Weltkrieg von direkten Bombentreffern verschont blieben. Immer, wenn es die Umstände erlauben, wird wieder ein Stück verbessert. „Die Fenster waren jetzt einfach eine Notwendigkeit, weil sie morsch und brüchig waren. Durch sie pfiff der Wind, sodass auch schon mal lose Blätter vom Tisch geweht wurden“, erzählt Andrea Watteroth.

Die ausgetauschten Fenster waren braun und stammten wohl aus den 1970ern, als der Denkmalschutz noch nicht jene Relevanz wie heute hatte. Anhand alter Fotos war eindeutig zu ermitteln, dass die Sprossenfenster dereinst weiß und kleinteiliger waren. Der Denkmalstandard ist mit den neuen, wärmeisolierten Fenstern erreicht. Der erste Austausch eines Fensters fand 2009 statt. Seither geht es sukzessive weiter. Wann die restlichen Fenster erneuert werden, ist noch nicht klar. Klar ist aber, dass es geschehen wird. Früher oder später.

Kein einfacher Job für Fensterbauer

Lachend berichtet Andrea Watteroth vom Einbau der letzten Fenster: „Unsere Fensterbauer haben angesichts der schiefen Wände manches Mal geflucht wie die Rohrspatzen. Sie haben aber großen Respekt verdient, dass sie das dann doch so gut geschafft haben. Sie haben tolle Arbeit geleistet. Am Ende standen sie alle mit mir vorm Haus und haben sich gefreut, dass der ‚alten Dame‘ die Verjüngungskur so gut bekommen ist.“

Nachher: Harmonische Einfügung von wohlproportionierten Fenstern. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen

Wahrscheinlich sind Teile des Gebäudes sogar noch viel älter als die geschätzten 274 Jahre. „Der Keller, auf dem das Haus gebaut ist, könnte tatsächlich aus dem 15. Jahrhundert sein“, vermutet Frau Watteroth. Vielleicht wird sie für den Beleg dieser These doch einmal eine dendrochronologische Untersuchung der Balken im Keller beauftragen, um Gewissheit zu haben. Gerüchteweise soll unter der Adresse Magnikirchstraße 5 der Totengräber des früheren Magnifriedhofs, der einst vor der Kirche lag und erst im 18. Jahrhundert in die Nähe von Viewegs Garten verlegt wurde, gelebt haben. Diese Sage taugte ganz besonders, so berichtet Andrea Watteroth, für die Halloween-Partys ihrer Kinder. Gruseliger geht es ja auch kaum …

Fakten

Das Grundstück hat einen engen Bezug zur Magnikirche, die 1031 geweiht wurde. Zum einen grenzt es mit seiner Giebelseite an den ursprünglichen Friedhof der Kirche. Zum anderen wird 1449 an dieser Stelle ein Gebäude genannt, das zur Aufbewahrung der Utensilien des Totengräbers diente.

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