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Versteckten Nonnen einst hier ihre Kinder?

Das Haus Lessingplatz Nr. 3.. Foto: Thomas Ostwald
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Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 36: das ungewöhnliche Haus bei St. Aegidien…

Es ist fast unscheinbar zu nennen, das Haus am Lessingplatz Nr. 3. Dabei handelt es sich um einen repräsentativen Barock-Bau, der einst im Auftrag eines Propstes errichtet wurde. Seltsame Geschichten ranken sich um die Bewohner. Sie sind überliefert, aber einer breiteren Öffentlichkeit wenig bekannt. Skurril ist vor allem die Vermutung, dass Nonnen ihre Kinder dort einst versteckten. Festgehalten ist das alles im 1998 erschienenen Heft „Das Haus Lessingplatz 3“ von Bernhild Vogel, das diesem Beitrag als Quelle diente.

Propst von Aegidien wurde auf Geheiß von Herzog Rudolf Ludwig im Jahre 1680 Phillip Ludwig Probst. Er war ein Jurist, wirkte als Kanzler und ordnete die Staatsfinanzen neu. Er regte die Mitregentschaft von Anton Ulrich an und erhielt als Dank für seine Verdienste Schloss und Dorf Wendhausen geschenkt. Darüber hinaus besaß er Anwesen in Riddagshausen und Schöningen, in Braunschweig in der Steinstraße, und erwarb nun um 1700 die Grundstücke neben dem Kloster St. Aegidien. Dort ließ er einen einstöckigen Gebäudekomplex errichten, zu dem auch Hintergebäude und Stallungen gehörten. Propst Probst gründete auch den evangelischen Frauen-Konvent.

Durch Hochzeit mit der Enkelin des schwerreichen Kanzlers trat Graf Konrad Detlef von Dehn 1718 auf, der nach dem Tod seiner Frau 1719 zum Alleinerben des Kanzlers wurde. Der Graf wurde engster Vertrauter des Kronprinzen August Wilhelm, nutzte dessen Gutmütigkeit gründlich aus, fälschte Dokumente, betrog den Hof und führte ein üppiges Leben, bis seine Machenschaften aufflogen. Doch während seine Helfer an den Galgen kamen, wurde Graf Dehn nur aus den Hofdiensten entlassen. Dehn, der inzwischen wieder geheiratet hatte, verführte zudem eine junge Konventualin des Kreuzklosters, das sich am Rennelberg befand. Vermutlich fanden ihre Begegnungen in diesem Haus statt, denn sie konnte leicht einen Besuch bei den Nonnen im Kloster nebenan vortäuschen.

Als 1743 Abt Jerusalem die Aufsicht über das Kloster übernahm, war er entsetzt über die dort herrschenden Zustände. Die Damen nahmen es mit Sitte und Moral nicht sonderlich ernst, man berichtete dem Abt von Zank und sogar Schlägereien unter den Nonnen. Legenden und Schauergeschichten erzählte man sich rasch in Braunschweig. Es wird sogar vermutete, dass der Braunschweiger Dichter und Theaterdirektor August Klingemann durch das Treiben der Nonnen zu seinem satirischen Roman „Nachtwachen des Bonaventura“ angeregt wurde. Darin verbergen die Nonnen ihre Kinder in einem Nachbarhaus.

Im 18. Jahrhundert wechselte das Anwesen mehrfach den Besitzer, lag zudem in einem militärischen Gebiet, denn St. Aegidien wurde 1718 zur Garnisonskirche bestimmt. Denn am später so genannten Lessingplatz befand sich eine Militärakademie. 1775 wurde ein Wilhelm Johann Werner Grußendorf Besitzer der Nummer 3, einem Hofkassierer, der geradezu besessen war von dem Gedanken, einen Erben zu zeugen. Innerhalb von 18 Jahren brachte seine Frau zehn Kinder zur Welt, von denen ein Junge und zwei Mädchen starben, sieben heranwuchsen und nun verheiratet werden mussten. Tochter Marie heiratete einen Arzt und entwickelte sich zu einer erstaunlich selbstständigen Frau in dieser Zeit. Sie arbeitete als Geburtshelferin, brachte selbst fünf Kinder auf die Welt, ließ sich nach zwanzig Jahren scheiden und heiratete einen Offizier.

Das Haus wurde in der Zwischenzeit umgebaut und vergrößert. In der Napoleonischen Ära gab es militärische Einquartierung. 1811 tauchten in einer Volkszählungsliste 17 Bewohner auf: 16 Frauen und ein Mann. Neben Grußendorf, seinen Töchtern, einer Magd mit Kind, lebten noch elf Konventualinnen von St. Aegidien im Hinterhaus der Nummer 3, darunter zumindest zwei unter 30, sechs zwischen 40 und 60 Jahre alt. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt….

Nach dem Tod Grußendorfs im Jahr 1828 folgen weitere Besitzer und Mieter, darunter ein Leutnant von Holwede, Vater des späteren Krankenhausgründers, Doktor Schneuse, ein Gauß-Schüler, Dr. Adolf Glaser, Redakteur der Westermanns Monatshefte, dann Karl Fehland, ein Künstler, der nie richtig anerkannt wurde. Dann, 1860, zieht ein Schriftsteller dort ein, den man den „deutschen Shakespeare“ nennt, Professor Dr. Robert Griepenkerl. Auch er wird dort nicht glücklich, ein Betrüger bringt ihn fast um sein ganzes Vermögen. Er muss dafür „nebenan“ im damaligen Gefängnis im Kreuzgang von St. Aegidien ein Jahr Haft verbüßen. Griepenkerl endet in Trunkenheit und geistiger Umnachtung.

Alleinstehende Witwen und Waisen beziehen danach das Haus. 1903 heißt der Besitzer Richelmann, der es grundlegend modernisiert und auch Toiletten mit Wasserspülung einbauen lässt. Bis 1906 besteht nebenan eine große Baustelle – der Chor des ehemaligen Paulinerklosters von der Dankwardstraße wird hier als Vaterländisches Museum wieder aufgebaut. 1912 wird das Haus vom Museum erworben. Zunächst ziehen Mitarbeiter ein, später wieder Witwen.

1982 schließlich wird es von der katholischen Propstei ebenso wie die Nachbargrundstücke erworben. Eigentlich ist geplant, alles abzureißen, um ein katholisches Altenheim zu errichten. Aber die die Mieter widersetzen sich. Die Kirche verkauft schließlich 1993 an einen Architekten.

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