Von Frankenberg kehrt als Bühnenfigur zurück
Das Theater Zeitraum widmet dem von den Nationalsozialisten verfolgten früheren SPD-Abgeordneten im Braunschweigischen Landtag und Leiter des Naturhistorischen Museums eine dokumentarische Aufführung.
Der Ort macht die dokumentarische Aufführung „Gerhard von Frankenberg – Ein Freigeist aus Braunschweig“ zu etwas ganz besonderem. Denn von Frankenberg war, bevor er von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder, Direktor des Naturhistorischen Museums, das nun für diesen einen Abend zur Bühne für das Schauspiel über seinen früheren Leiter wird. Die Gesellschaft für Naturkunde e.V., der Förderverein des Naturhistorischen Museums, und das Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte (IBR) sind am 31. Januar (19 Uhr) Veranstalter dieser Aufführung des Theaters Zeitraum. Das Stück war bereits im Sommer 2017 mehrfach erfolgreich in der Gaststätte „Gliesmaroder Thurm“ gespielt worden.
Für Dramaturgie, Regie und Ausstattung zeichnet Gilbert Holzgang, Leiter des Theaters Zeitraum, verantwortlich. Seit 2000 setzt er mit einem freischaffenden Theaterensemble dokumentarische Theateraufführungen um. Den Anfang machte „Den Teufel am Hintern geküsst“. Es war ein Stück über Macht, Musik und Medizin im „Dritten Reich“, insbesondere über den Braunschweiger Komponisten Norbert Schultze. 18 weitere Stücke folgten bislang. Und ein nächstes ist für den Herbst in Planung. Wenn die Finanzierung steht soll das Thema der „Lessing-Bund“ sein – ein Kulturverein, der mitten im Ersten Weltkrieg gegründet wurde und bis 1933 bestand.
Inspiriert zu den dokumentarischen Aufführungen hat Gilbert Holzgang eine Führung im Universitätsviertel zu den Wirkungsstätten von Menschen, die im Dritten Reich unter den Nationalsozialisten gelitten hatten. „Ich habe Braunschweiger Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts im Fokus. Da kommt man an der Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht vorbei“, sagt Holzgang. Unter seiner Regie entstanden aber beispielsweise auch Hörbücher zur Geschichte des Volkswagenwerks, die die Historische Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft in Wolfsburg herausgegeben hat und die im Buchhandel erhältlich sind.
Gilbert Holzgang arbeitet bei all seinen Produktionen mit freien Schauspielern zusammen. Bei der aktuellen Aufführung sind es Kathrin Reinhardt als Berichterstatterin, Hans Stallmach als Naturwissenschaftler von Frankenberg und Ronald Schobert als Politiker von Frankenberg. Aus dem Off kommt Andreas Döring als Marsbewohner von Frankenberg und liest einen Text als Epilog.
Die Aufführung über Gerhard von Frankenberg dokumentiert die wichtigsten Szenen im Leben des sozialdemokratischen Hoffnungsträgers in der dunklen nationalsozialistischen Zeit. In das Schauspiel werden Filme, Fotos und Musik eingespielt. Als Quellen dienten unter anderem das Niedersächsisches Landesarchiv in Wolfenbüttel, das Universitätsarchiv der TU Braunschweig, das Bundes-Filmarchiv in Berlin, das Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn sowie das 2006 erschienene Buch „Die Wahrheit soll man nie fürchten! Freigeistige Texte und Vorträge von Gerhard von Frankenberg.“
„Gerhard von Frankenberg ist zweifellos eine längst vergessene, aber zugleich bedeutende Persönlichkeit der Braunschweigischen Geschichte. An ihn zu erinnern ist nicht nur ein notwendiger Beitrag zur verdienten Würdigung sondern auch zur Geschichtsvermittlung“, sagt Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte (IBR).
Geboren wurde Gerhard von Frankenberg am 12. Oktober 1892 in Braunschweig. Er machte das Abitur am Wilhelm-Gymnasium und studierte Zoologie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Leiter des staatlichen Presseamtes und Abgeordneter im Braunschweigischen Landtag, schließlich Direktor des Naturhistorischen Museums Braunschweig und Professor der Zoologie.
Als Mitglied der SPD und Gauführer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold stand von Frankenberg im Visier der Nationalsozialisten. Er erhielt zahlreiche Drohbriefe und wurde von der SA verfolgt. 1932 warf ihn Volksbildungsminister Klagges aus allen Ämtern. Von Frankenberg floh mit seiner Familie aus Braunschweig. Er verdingte sich in der Nähe von Hannover als Autor leicht verständlicher Sachbücher.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er rehabilitiert und wieder als Direktor des Naturhistorischen Museums eingesetzt. Als sozialdemokratischer Politiker saß von Frankenberg im letzten Braunschweigischen Landtag, der nach Kriegsende seine Sitzungstätigkeit in der Aula der damaligen Kanthochschule, dem heutigen Haus der Wissenschaft, wieder aufgenommen hatte.
In der Schlusssitzung des Landtags am 1. November 1946, mit der die Geschichte des eigenständigen Landes Braunschweig endete, hielt Gerhard von Frankenberg die Abschiedsrede auf das Land. „Dennoch geht nun die Weltgeschichte über dies Land dahin, das so viele Jahrhunderte seine Selbständigkeit bewahrt hat. Wohl sah der Kundige schon lange, dass eine Neuordnung der deutschen Länder kommen musste. Aber wir hatten sie uns anders gewünscht! Wir hätten gern selbst mitentschieden, wären gern allmählich hineingewachsen in das größere Ganze, dem wir nun angehören sollen!“, zitiert Gerd Biegel aus der Rede von von Frankenbergs.
Aus gesundheitlichen Gründen trat von Frankenberg schon 1948 in den Ruhestand. Dis zu seinem Tod  am 30. November 1969 arbeitete er ehrenamtlich als Präsident des Deutschen Monistenbundes und des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit. Als Schriftsteller äußerte er sich kritisch zu den Notstandsgesetzen und zur Aufrüstung mit Atomwaffen. Er hinterließ einen umfangreichen schriftlichen Nachlass, auf dem die Aufführung des Theaters Zeitraum basiert.
Es sind noch einige Restkarten an der Abendkasse erhältlich. Die Eintrittskarten kosten 10 Euro, ermäßigt für Schüler, Studenten und Schwerbehinderte 8 Euro.
Weitere Informationen: www.theater-zeitraum.de
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