Vor 10 Jahren brannte die Magni-Tiefgarage aus
Der Schaden in Braunschweig war immens, die Folgen sind bis heute spürbar.
Im Juli vor zehn Jahren sorgte ein in Brand geratenes Auto für einen Großeinsatz im Herzen Braunschweigs: Die Magni-Tiefgarage brannte aus. Das Feuer richtete einen Millionenschaden an: 220 Autos hatten nur noch Schrottwert, die Tiefgarage musste generalsaniert werden. Die Auswirkungen – Stichwort Brandschutz – sind bis heute zu spüren. Ein Rückblick.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 24.07.2024
Ulf Hamster, Gruppenführer bei der Berufsfeuerwehr Braunschweig, erinnert sich noch gut an den 24. Juli 2014. Er war einer der ersten am Einsatzort. „Die Alarmierung erfolgte um 12.18 Uhr. Brandmelder. Sieben Minuten später waren wir vor Ort.“ Anfangs sah alles nach einem Standard-Einsatz aus. Mit mehreren Einsatzfahrzeugen von der Hauptwache und Südwache war man ausgerückt, darunter Drehleiter und Tanklöschfahrzeug. Alles normal so weit.
Doch innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich ein Großbrand, wie ihn die Innenstadt in den letzten Jahrzehnten selten erlebt hat. Der damalige Einsatzleiter Torge Malchau, inzwischen Leiter der Berufsfeuerwehr Braunschweig, bestätigt: „Noch heute wird bei uns davon gesprochen. Es war der zweitgrößte Brandeinsatz nach dem Brand am Schöppenstedter Turm in diesem Jahr in meiner Dienstzeit in Braunschweig. An solche Einsätze erinnert man sich“, sagt der erfahrene Feuerwehrmann.
Braunschweiger Feuerwehrmann: „Es ging rasend schnell, alles war schwarz“
Es bildeten sich dicke, schwarze Rauchwolken, die zwischen den Schloss-Arkaden und dem Rizzi-Haus aus der Tiefgarage herausquollen. „Es ging rasend schnell, alles war schwarz. Das war ein Brett. Wir kamen nicht bis an den Brandherd“, erinnert sich Ulf Hamster. Kurz zuvor seien sie bei der Erkundung noch bis auf 25 oder 30 Meter herangekommen an den brennenden PKW, meinten ihn zu sehen. Doch dann kam der Rauch, der im Parkhaus nur schwer abziehen konnte und sich ballte. „Autos brennen gut“, wurde Malchau damals in der Presse zitiert: viel Kunststoff, dazu der Kraftstoff aus den Tanks als Brandbeschleuniger.
„Wir haben auf verschiedenen Wegen versucht, an den Brandherd zu gelangen. Darunter versierte Leute mit vielen Jahren Berufserfahrung. Vergeblich“, so Ulf Hamster. Verstärkung war schnell da: Bis zu 200 Feuerwehrkräfte waren mitunter vor Ort, mancher wurde sogar aus dem Urlaub zurückgerufen.
Die große Frage: Sind noch Menschen in der Tiefgarage?
Eine große Ungewissheit gab es bei diesem Einsatz, sagt Malchau: „Die Frage war, ob noch Personen in oder an den Autos im Parkdeck waren.“ Akribisch wurden die Parkdecks abgesucht, so gut das Feuer dies zuließ. Aber die Tiefgarage ist unübersichtlich, hat zahlreiche Zu- und Eingänge. Der Verkehr auf der Georg-Eckert-Straße wurde gesperrt. Auch die Tram durfte nicht fahren, solange unsicher war, ob Träger geschmolzen sind und vielleicht die Statik gefährdet ist.
Erst spät herrschte Gewissheit: Zwei Männer erlitten eine Rauchgasvergiftung. Es waren die beiden Männer, die das Feuer zuerst bemerkt und versucht hatten, es eigenhändig zu löschen. Unter ihnen der Autobesitzer: Er hatte, wie sich später herausstellte, den Motor seines Fahrzeugs gestartet, als aufgrund eines technischen Defekts Flammen aus dem Motorraum schlugen. Weitere Menschen wurden nicht verletzt. „Relativ spät wurde aber noch ein Hund aus dem Auto gerettet“, erinnert sich Feuerwehr-Chef Malchau. Der Durchgang zum Schloss sei zügig verschlossen worden, damit der Rauch nicht in das Einkaufszentrum ziehen konnte.
Die Rettungskräfte hatten mit extrem hoher Hitze auf einer sehr großen Fläche zu kämpfen, und das bei „Nullsicht“, wie es im Fachjargon heißt. Selbst die Nachtsichtgeräte seien keine Hilfe gewesen, zu viele Rußpartikel schwebten in der Luft. „Eine Hand ist unter solchen Bedingungen immer am Schlauch, damit man den Rückweg sicher findet“, erklärt Malchau. Man taste sich mit Atemschutzgerät und Schutzkleidung in der Dunkelheit vor, folge auch dem Gehör: „Ein Feuer verursacht Geräusche. Es knistert, knackt und knallt“, weiß Hamster. Ein Trupp nach dem nächsten geht rein, jeder Trupp kämpft sich ein Stück weiter voran und gibt seine Erkenntnisse dann an den nachfolgenden Trupp weiter. So funktioniert das bei solchen Einsätzen.
Feuer in Braunschweiger Tiefgarage: Die Autobesitzer sorgten sich um ihre Wagen
Gegenüber in den Schloss-Arkaden drängten sich derweil die Menschen am Info-Point: Sie machten sich Sorgen um ihre Autos, die in der Tiefgarage standen: Wann kann ich mein Auto abholen? Ist es heil geblieben? Was ist mit dem Stick im Handschuhfach, auf dem all die Urlaubsfotos sind? Fragen wie diese wurden gestellt. Geduld war gefragt: Genaue Informationen hatte zu diesem Zeitpunkt niemand. Einige Autos konnten am Folgetag abgeholt werden, bei vielen aber war eine Reinigung zwecklos. Sechs Fahrzeuge brannten komplett aus, doch insgesamt waren 220 Wagen Schrott, auch aufgrund der hochgiftigen Partikel, die sich überall abgesetzt hatten. Die Eigentümer mussten lange auf eine Schadensregulierung warten: Erst zweieinhalb Jahre später zahlte die Versicherung das Geld aus.
Einer, der sich auch noch genau an den Tag erinnern kann, ist der damalige Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Er war, als die Magni-Tiefgarage in Flammen aufging, erst wenige Tage im Amt. Es war die erste Krise, die er in seinem neuen Amt zu meistern hatte. Er hörte an dem Tag das Martinshorn bis hinein in sein Oberbürgermeister-Zimmer im Rathaus. „Es war mehr Tatütata also sonst. Also rief ich rasch beim zuständigen Dezernenten Claus Ruppert an und fragte: Weißt du, was da los ist?“ Kurz darauf der Rückruf: „Feuer in der Magni-Tiefgarage! Unklar war, ob noch Leute da drin waren“, erinnert sich Markurth. Für die Feuerwehr sei es ein sehr gefährlicher Einsatz gewesen: der Rauch, die Hitze, die Explosionsgefahr. Irgendwann habe er dann nachgefragt, wem die Tiefgarage eigentlich gehöre. Antwort: der Stadt. Verpachtet war sie an die Betreibergesellschaft Park & Tank.
Es ging ja um noch viel mehr, als bloß das Feuer zu löschen. Die Frage war: Wie hatte es dazu kommen können? Wurden Fehler gemacht? Und wer wird am Ende für den Schaden aufkommen? „Wir haben damals viel über Krisen und Krisenkommunikation lernen müssen. Das war unsere Feuertaufe“, blickt Markurth zurück. In seinem Tagebuch habe er nachgeschlagen: Die Pressekonferenz sei erst am 7. August gewesen – ganze zwei Wochen nach dem Brand. „Diese Zeit haben wir gebraucht, um aussagefähig zu sein und etwas zum Hergang sagen zu können. Das war zu lang“, räumt Markurth ein. Seitdem wisse er: „Man muss sagen, was ist. Aufklären und Verantwortung übernehmen. Bauernopfer bringen niemanden weiter.“ Die Stadt räumte damals Fehler ein, betonte aber auch, nicht leichtfertig gehandelt zu haben.
Feuer in der Magni-Tiefgarage: Ein Lehrstück nicht nur in Sachen Brandschutz
Die Erfahrungen mit dem Tiefgaragen-Brand seien ein Lehrstück gewesen für alle Krisen, die da noch kommen und seine Amtszeit prägen sollten, sagt Markurth rückblickend: erst die große Flüchtlingswelle, dann das Haushaltsloch aufgrund fehlender Steuereinnahmen durch den VW-Abgasbetrug, schlussendlich die Corona-Pandemie.
Zurück zur Tiefgarage: Der monetäre Schaden lag am Ende bei rund fünf Millionen Euro, erst nach jahrelangem juristischen Tauziehen zwischen der Stadt, der Betreibergesellschaft und den beteiligten Versicherungen konnte man sich finanziell einigen.
Die Crux: Die Sprinkleranlage, die den Brand in seiner Entstehung hätte löschen können, war ausgeschaltet aufgrund von Reparaturarbeiten an der Anlage. Eine Brandwache war deshalb im Einsatz, aber ganz offensichtlich hatte das nicht gereicht. „Bauaufsicht und Feuerwehr waren im Vorfeld nicht informiert worden“, so Markurth. Hinzu kam: Die Stadt als Parkhauseigentümerin war nicht feuerversichert. Auf politischen Beschluss hin war die Police im Jahr 1996 gekündigt worden, um Kosten zu sparen. Das rächte sich nun. Markurth seufzt: Am Ende sei es eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen.
Die Folgen aber waren weitreichend und sind bis heute in der Stadt zu spüren. Eine Feuerversicherung für ihre Gebäude hat die Stadt wieder. Alle öffentlichen Gebäude wurden in den Folgejahren penibel auf Brandschutzstandards untersucht. „In der Packhof-Tiefgarage schlossen die Brandschutztüren nicht“, erinnert sich Markurth. Sie wurden umgehend ausgetauscht; die Komplettsanierung folgte viele Jahre später und ist noch immer nicht abgeschlossen. Auch am Eiermarkt musste nachgebessert werden.
An zahlreichen Schulen wurden zudem Feuertreppen und Stahlspinde nachgerüstet; Jacken und Bilder mussten aus den Schulfluren verschwinden: Die Fluchtwege müssen frei sein! Der Magni-Brand war allen Beteiligten eine Lehre gewesen. Trotz aller Versäumnisse hatte man Glück im Unglück – der Brand hatte kein Menschenleben gefordert. Doch noch einmal wollte man das Glück nicht herausfordern. Oder, wie Feuerwehr-Chef Malchau sagt: „Sehr deutlich wurde damals, wie wichtig Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes sind. Oft wird darüber geschimpft. Aber wenn sie nicht funktionieren, kann das Schadensausmaß gigantisch sein.“
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 24.07.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/braunschweig/article406834626/grossbrand-in-braunschweiger-tiefgarage-ein-rueckblick.html