Vor 100 Jahren wurde Rollei gegründet
Die „Werkstatt für Feinmechanik und Optik – Franke und Heidecke“ in Braunschweig wurde zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte.
Die Rollei GmbH & Co. KG firmiert aktuell in Norderstedt. In Norderstedt? Für uns Braunschweiger klingt der Name noch immer nach hochwertigen Fotoapparaten aus unserer Stadt, aber damit hat der Onlineshop längst nichts mehr zu tun. Übriggeblieben sind letztlich nur noch der klangvolle Name und der typische Rollei-Schriftzug.
Exemplare der legendären zweiäugigen Rolleiflex oder der Rollei 35, der einst kleinsten Taschenkamera der Welt, finden Liebhaber noch auf ebay – zu teilweise horrenden Preisen. Immerhin. Bei der Suche nach den Ikonen der Fototechnik im Internet beschleicht einen aber dennoch Wehmut, schließlich wurde Rollei im Februar 1920 gegründet. In Braunschweig! Vor genau vor 100 Jahren!
Konkurrenz aus Fernost
Die letzten der insgesamt rund 7 Millionen in Braunschweig produzierten Kameras mit dem Namen Rollei wurden 2015 bis zu Insolvenz von der Firma DHW Fototechnik hergestellt. Es war der traurige Schlusspunkt hinter eine turbulenten Firmengeschichte, die glänzende Kapitel insbesondere in der Zeit des Wirtschaftswunders geschrieben hatte, aber von den 1970er Jahren an vor allem von wachsender Finanznot gekennzeichnet gewesen war. Das Ende dieses Welt-Unternehmens hatten der unaufhaltsame Aufstieg der Konkurrenz aus Fernost, insbesondere Japan, und Managementfehler eingeläutet. Rollei, einst gefeierter Technologieführer, hatte nicht mehr Schritt halten können.
Dieses Schicksal teilte Rollei mit Voigtländer, dem zweiten großen Fototechnik-Traditionsunternehmen aus Braunschweig. Es musste schon 1972 die Segel streichen. Rollei ging 1981 in Insolvenz. Die Verlagerung von großen Teilen der Produktion nach Singapur im Jahr 1971 konnte den Niedergang nicht mehr aufhalten. Bereits 1974 war das Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten. Bei einem Umsatz von 137 Millionen D-Mark wurden 37 Millionen D-Mark Verlust eingefahren. Rollei hatte bereits 500 Millionen Mark Schulden. Das Aus für die Braunschweiger Fotoindustrie kostete tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Job.
Queen Elisabeth fotografierte mit Rollei
Vorbei war der Glanz der stolzen Marke Rollei. Mit der kompakten Rollei 35 soll einst sogar die Queen Elisabeth II. Familienfotos geschossen haben. Und auf die zweiäugige Rolleiflex schworen die Profis, Zeitungs- und Modefotografen. Sie hatte sogar einen großen Filmauftritt: James Bond, Agent der Majestät, fotografierte mit ihr in dem 007-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963). Rollei war auf der ganzen Welt hoch geschätzt und erfüllte den Standort Braunschweig mit Stolz. An die glorreiche Zeit der Fototechnik in Braunschweig erinnert das Städtische Museum mit seiner umfangreichen Sammlung von Rollei- und Voigtländer Kameras. Im Zuge des Konkursverfahrens hatte die Stadt die Rollei-Sammlung erhalten. Das ehemalige Werksgelände an der Salzdahlumer Straße, 1930 in Betrieb genommen, wird als „Rollei Zentrum für Existenzgründer“ genutzt.
Die Anfänge des Unternehmens lagen in der Viewegstraße 32. Der Kaufmann Paul Franke (1888 – 1950) und der Techniker Reinhold Heidecke (1881 – 1960), beide im Hause Voigtländer groß geworden, taten sich zusammen und gründeten die Firma „Werkstatt für Feinmechanik und Optik – Franke und Heidecke“. Ausgangspunkt der Selbstständigkeit war die grandiose Idee Heideckes für eine moderne Rollfilm-Kamera. Bei Voigtländer wollte man damals davon nichts wissen und setzte weiter auf Plattenfilm-Kameras. Mit der Konstruktion der „Roll(H)eidoskop“ begann die Erfolgsgeschichte von Rollei.
Durchbruch mit der Rolleiflex
Der Durchbruch gelang den beiden mit der ersten Rolleiflex im Jahr 1927. Die Nachfrage, auch dank der geschickten und überaus erfolgreichen Vermarktung durch Paul Franke, überstieg schnell die Möglichkeiten des jungen Unternehmens, so dass der Bau einer neuer Produktionsstätte unerlässlich blieb. Die 1933 vorgestellte Rolleicord, die abgespeckte Variante der Rolleiflex, wurde bis zu ihrer Einstellung 1976 rund 2,7 Millionen Mal verkauft und war der überragende Bestseller. 1937 schließlich gewann die neuartige Rolleiflex Automat den Großen Preis der Weltausstellung in Paris.
Während des Krieges wurden bei Rollei notgedrungen auf Weisung der Nazis Rüstungsgüter wie Zielfernrohre und Periskope hergestellt. Durch Bomben waren schließlich große Teile des Werkes zerstört worden, aber der Wiederaufbau gelang rasch. Breite Bevölkerungsschichten entdeckten in den Nachkriegsjahren die Fotografie für sich. Die 1966 auf den Markt gebrachte Rollei 35 und ihre Weiterentwicklungen markierten mit rund zwei Millionen verkauften Exemplaren einen weiteren Höhepunkt. Es war allerdings der letzte des Unternehmens.
Verzweifelte Rettungsversuche
Nach der Insolvenz 1981 folgten mehr oder weniger verzweifelte Rettungsversuche verschiedener Eigentümer aus Deutschland, England, Dänemark, Südkorea und Hongkong. Darunter befand sich auch ein sogenanntes Management-Buy-out (2004), das leider ebenfalls erfolglos blieb. Was bleibt ist ein großer, unverändert klangvoller Name der braunschweigischen Industriegeschichte.
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